Geliebter Unhold. Billy Remie

Читать онлайн.
Название Geliebter Unhold
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 4
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753189772



Скачать книгу

Herzschlag wurde schneller, das konnte Xaith hören, er machte einen Schritt auf Xaiths Rücken zu, seine gesamte Körperhaltung wirkte angespannt und bereit, dazwischenzugehen.

      Doch überraschenderweise bemerkte Xaith bei Jin keinerlei Furcht, hörte keinen erhöhten Herzschlag, keine schnellere Atmung. Entweder er sehnte sich danach, dass man ihm die Kehle aufriss, oder er verkannte die Gefahr. Immerhin hatte Xaith seiner eigenen Mutter die Kehle aufgerissen und sie getötet, was in Nohva schon recht bekannt, sprich, ein riesiger Skandal gewesen war.

      »Xaith, du musst mich loslassen«, sprach er ruhig auf ihn ein, »damit ich zurücktreten kann.«

      Noch immer hielt Xaith die Augen geschlossen, hielt den Atem an. Das Blut zog ihn wie immer in seinen Bann, doch er wusste, dass er sich beherrschen konnte. Er hatte es bei Kacey geschafft.

      Er hatte es geschafft!

      Doch Jins Blut… es hatte eine unbegreiflich starke Anziehung.

      »Xaith…« Siderius angespannte Stimme war dicht hinter ihm. »Lass ihn …«

      »Schon gut!«, gab er barsch an beide zurück, drehte den Kopf wie angewidert zur Seite und ließ einen von Jins dünnen Armen los, um blind in Richtung seiner Kehle zu tasten.

      Dessen Puls flatterte nun doch, als Xaiths schwarze Fingerspitzen seinen Hals federleicht streiften. Das machte es beinahe noch schlimmer, würde er jetzt zubeißen, würde dessen Blut warm und schnell in Xaiths Mund fließen, als hätte er eine Axt in ein volles Fass Wein geschlagen.

      Er konzentrierte sich auf seine Magie, drang mit seiner Aura in die oberflächliche Wunde und ließ sie kraft seines Willens zusammenwachsen.

      Dann brach er fast zusammen, weil seine Zurückhaltung mehr Kraft gekostet hatte als der winzige Zauber. Er ließ Jin los und taumelte rückwärts, wanderte kurz durch den Raum und sog modrige Luft in seine Lungen, da er so lange den Atem angehalten hatte.

      Der Geruch des Blutes verflog, zusammen mit dem Durst.

      Diese Gier hatte er schon lange nicht mehr gespürt, aber er hatte sich auch schon einige Wochen nicht mehr genährt.

      Schwer atmend rieb er sich die Brust, dann wandte er den Blick zu den anderen.

      Jin strich gerade mit einem weißen Tuch seine Kehle sauber, seine zimtbraunen Augen lagen besorgt auf Xaith. Besorgt um ihn, nicht um sich.

      Er machte einen Schritt auf ihn zu, ließ das Tuch fallen, als fürchtete er, das Blut daran könnte ihn wieder quälen, und legte Xaith eine Hand auf die Schulter. »Geht es wieder?«

      Xaith sah zu Siderius, der ihn mit verengten Augen genaustens beobachtete, bereit, ihm wenn nötig irgendetwas über den Schädel zu ziehen.

      Er liebte den Jungen, auf ihn war Verlass.

      »Ja.« Xaiths Stimme klang rau, aber menschlich, er spürte wie seine Augen erloschen und sich von feurigem Rot in das übliche Gelbgrün wandelten. Dann richtete er die geschlitzten Pupillen auf Jin.

      »Es tut mir leid«, beteuerte dieser mit reuevoll zusammengezogenen, rötlichen Augenbrauen.

      Ihm tat es leid? Xaith hatte ihn verletzt und ihn dann angesehen wie ein Löwe ein blutiges Stück Fleisch. Was tat ihm leid? Dass er blutete?

      »Du musst zurückgehen«, sagte er barsch und richtete sich derart heftig auf, dass er Jin beinahe von sich stieß. »Was tust du überhaupt hier?«

      Überrumpelt von dem plötzlich groben Ton, brachte Jin kein Wort hervor, sein hübscher Mund stammelte.

      »Du musst gehen!« Xaith stampfte an ihm vorbei.

      Jin sah ihm nach, erlangte seine Fassung zurück und konterte: »Ich habe euch gerettet!«

      »Und wer rettet jetzt dich?« Xaith spähte aus einem Fenster in die Morgendämmerung, der Wald zeigte noch tiefes Zwielicht, wirkte bedrohlich wie der Schlund eines Drachen. »Wo hattest du die Lichtphiole überhaupt her? Du hast uns fast geblendet!« Er sah wieder zurück, wohlwissend, dass er ungerecht war. Doch er wollte gegenüber Jin keine Dankbarkeit zulassen, selbst wenn sie mehr als angebracht war.

      Jins Kopf zuckte zurück, er konnte nicht fassen, wie undankbar Xaith war. »Ich habe sie … gekauft.«

      Xaith hob eine Augenbraue.

      Jin sah auf seine Füße. »Ich… habe sie mir aus Riaths Vorräten… geborgt…«

      Zugegeben, Xaith kämpfte mit einem Schmunzeln. Riss sich aber schnell zusammen und wurde wieder ernst. »Du musst nach Hause reisen, Jin. Das ist kein Ort für dich.«

      Wie hatte er ohne Waffe überhaupt überlebt?

      Beleidigt stemmte der Kaufmannssohn die Hände in die Hüften. »Ich verfolge dich seit Jahren und komme bestens zurecht. Vergiss nicht, wer gerade wem den Arsch gerettet hat!«

      Xaith wandte sich grunzend ab, wanderte durch die Hütte und sah in einer Ecke einen Reisesack liegen, der offensichtlich Jin gehörte, denn er war das einzige Objekt, das noch nicht vermodert, überwuchert oder angefressen war.

      »Danke«, brachte er zynisch hervor, ohne Jin eines Blickes zu würdigen. Siderius sah hingegen sehr aufmerksam zwischen ihnen hin und her, als säße er zum ersten Mal in einem Theaterstück. »Aber nun trennen sich unsere Wege, und zwar ganz schnell.«

      »Was?« Jin wirkte tiefverletzt. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?« Er ging auf Xaith zu, wagte aber nicht noch einmal, ihn zu berühren, da er endlich die Mauer spürte, die nach all den Jahren noch immer unermüdlich zwischen ihnen stand und dort auch immer stehen würde.

      Sie waren keine Freunde. Jin würde ihn nicht für sich gewinnen, würde nicht seine Zustimmung und seinen Segen erhalten, damit er mit Vaaks glücklich werden konnte.

      Das konnten sie gern allein, ohne seine Vergebung. Er wollte das nicht, er war stur und egoistisch und wollte nicht mit ihnen Hochzeit feiern oder ihnen ewige Liebe wünschen. Das hatte er außerdem in dem Moment getan, als er weggelaufen war.

      »Ich habe dich gesucht, Xaith!«, sprach Jin auf ihn ein, wollte ein Gewissen in ihm wachrufen. »Ganz allein. Bin jahrelang wie ein Schatten hinter Riath her, weil ich wusste, dass er nach dir sucht. Ich habe mich über die See, durch Ödnis und Wildnis gekämpft, um dich zu finden und heim zu bringen! Du musst nach Hause kommen, Xaith! Willst du nicht wenigstens … Freust du dich nicht, mich zu sehen?«

      Um ihn heimzubringen. Xaith sah ihn ungerührt an und zuckte mit den Achseln. »Freuen? Warum sollte ich mich freuen, ausgerechnet dich zu sehen?«

      Nein, tatsächlich hatte sein dummes Herz all die Jahre die Hoffnung gehegt, dass er eines Tages in ein Gasthaus trat und dort mir nichts dir nichts Vaaks vor ihm stand. Groß, gebaut wie ein Schrank, mit mittlerweile vielleicht einem bärigen Vollbart und braunen, liebenden Augen, die ihm ewige Treue schworen und ihn anflehten, zu ihm zurückzukommen.

      Träumen darf man ja noch, selbst wenn man es besser wusste.

      Stattdessen stand Jin vor ihm, der letzte Mensch, den er sehen wollte. Er war der Grund, warum Vaaks` Herz niemals gänzlich Xaith gehören konnte. Er war der Grund, nicht nach Hause zu gehen.

      Nun ja, einer der Gründe.

      »Weil… wir uns so lange nicht gesehen haben? Weil ich extra nach dir gesucht habe? Ist dir das egal?«

      Wieder zuckte Xaith mit den Achseln. »Nein, nicht egal, es stört mich.«

      Jin kämpfte mit seinen Gefühlen, worin er nicht sehr gut schien, denn in seinem Gesicht zuckte und zitterte es wie bei einem Kind, dem gerade das Herz gebrochen wurde.

      Sie sahen sich in die Augen, keiner blickte weg. Xaith wollte seine Kälte beweisen, Jin wollte ihn zu einem Gewissen zwingen. Es war ein unerbittlicher Kampf und einer war sturer als der andere.

      Er würde kein Mitleid haben. Nein, ganz bestimmt nicht. Vor allem nicht mit Jin, dessen bloße Existenz ihn vor Neid wahnsinnig machte.

      »Oooooh!«,