Geliebter Unhold. Billy Remie

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Название Geliebter Unhold
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 4
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753189772



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den Blick, sie sahen sich an, als sprächen sie beide eine andere Sprachen.

      Niemand durfte je erfahren, dass seine Magie die Kontrolle hatte übernehmen wollen. Niemals. Es gehörte zu den Grundkursen, die ein Student bereits im ersten Lehrjahr absolvierte. Die Kontrolle über die eigenen Fähigkeiten. Ein Magier beherrschte seine Magie stets, er wurde nicht von ihr beherrscht. Eigentlich eine leichte Übung, vor allem wenn man mit Magie geboren wurde, wenn man innerlich im Reinen war und wenn man seine eigenen Gefühle kannte und einschätzen konnte. Denn Magie war Gefühl, Magie war an die Launen jedes einzelnen gebunden. Deshalb war Kontrolle wichtig, sie war das oberste Gebot. Wie Atmen um zu Leben.

      Und er hatte niemals Probleme damit gehabt, bis zum gestrigen Abend.

      Niemand durfte je davon wissen, sonst würden sie ihm seines neuen Amtes entheben, ihn nicht mehr lehren lassen, aber gerade jetzt brauchten die Magier ihn. Er musste stark sein.

      Ardor stand mit ratloser Miene vor ihm, den Mund halb geöffnet, und wartete auf eine weitere Erklärung.

      Er war sein Leibwächter, dachte Kacey, als er ihn betrachtete. Sein engster Vertrauter, sein Freund, er würde sein Geheimnis immer wahren, seine Treue galt nur ihm. Ihm allein. Er könnte mit ihm diese Bürde tragen.

      Doch würde er es als Nicht-Magier verstehen? Oder würde er wie alle anderen Angst bekommen?

      Niemand außer denen, die dabei gewesen waren, wussten von der fremden Macht, die er zusätzlich in sich trug und bändigen musste. Sollte er Ardor etwa auch davon erzählen?

      »Diese verdammten Politiker«, er zwang sich zu einem Auflachen und machte eine wegwerfende Geste mit der schmalen Hand, an der noch Blut klebte.

      Ardor runzelte die Stirn.

      »Sie haben mich so aufgeregt«, fuhr Kacey fort und lachte unsicher auf. Er musste seine Verlegenheit nicht vortäuschen, es war echt, als er sich peinlich berührt über die Wangen strich. »Es hat mich alles etwas aufgewühlt.«

      Skeptisch schielte der Leibwächter von links nach rechts und betrachtete dann wieder Kaceys Gesicht. Sein Argwohn war ihm nicht übel zu nehmen, immerhin hatte Kacey noch nie die Fassung verloren, für alle anderen war er immer der besonnene, der sanfte Prinz, jung und immer freundlich, ein stiller Teich, ein friedlicher Morgen, eine zärtliche Seele.

      Tatsächlich war er das nur nach außen hin. Wer würde denn auch schon in aller Öffentlichkeit ausrasten? Das überließ er den Barbaren. Er selbst ließ sich erst gehen, wenn er allein hinter verschlossenen Türen war. Und natürlich hatte er auch schon das ein oder andere Mal in sein Kissen gebrüllt oder hineingeboxt, weil ihn die Machenschaften des Kaiserreichs in den Wahnsinn getrieben hatten. Das falsche Spiel in der Politik, die Lügen, das Heucheln, die Intrigen, die Auftragsmorde. Ja, auch er, der sanfte Kacey, hatte eine zornige Seite. Er wusste sie nur stets gut zu verbergen.

      »Ihr habt geblutet.« Ardors dunkle Stimme holte ihn in die Gegenwart zurück.

      Kacey blickte zu ihm auf, verstand zuerst weder seine Worte noch seinen fragenden Blick. Dann, als wollte das Blut selbst auf sich aufmerksam machen, spürte er, wie es auf seinen Wangen spannte wie leichte Verbrennungen.

      »Oh ach das?« Er wandte das Gesicht ab und kratzte unwillkürlich die rostbraunen Überreste von seiner hellen Haut. »Ich … ich habe mich geschnitten und …«

      Ihm fiel spontan keine gute Ausrede ein, die plausible geklungen hätte. Er stand auf und blickte Ardor entschuldigend an. »Es ist nichts Schlimmes, mir geht es gut. Siehst du«, er hob die Hände und Arme und drehte sie, »keine Verletzungen.«

      Die dunklen Augenbrauen des Leibwächters zogen sich leicht zusammen, für einen Moment wirkte er enttäuscht. Er wusste, dass Kacey etwas verbergen wollte.

      Entschuldigend und mit einem deutlichen Flehen, lächelte er Ardor an.

      Die nackten Schultern des Leibwächters sanken herab, unter seinem Brustpanzer dehnten sich seine Rippen aus, als er tief einatmete.

      »Magister?« Moonies helle Stimme erklang zögerlich hinter Ardor aus dem Empfangszimmer.

      Kacey schloss die Augen, seufzte erschöpft, denn er wollte nicht schon wieder das Chaos erklären. Er war müde, er war verwirrt und verängstigt, und er wollte einfach nur alle Spuren verwischen. Vergessen. Sich in den Alltag stürzen.

      Plötzlich drehte Ardor sich um und ging mit großen Schritten zur Tür, schirmte das Zimmer mit seiner großen Gestalt ab.

      Kacey blickte verwundert auf.

      »Der Prinz macht sich etwas frisch, er war sehr erschöpft und litt unter schlimmen Kopfschmerzen. Sorg dafür, dass ein Tablett mit Essen gebracht wird und ein Becher mit frischem Tierblut.«

      »Wie Ihr wünscht, Herr!« Die Studentin eilte davon, ihre Stimme hatte ob der Aufgabe erleichtert geklungen.

      Ardor schloss die Tür und drehte sich dann zu Kacey um.

      Es bedurfte keiner Worte, sie sahen sich an. Ardor nickte ihm zu. Und Kacey lächelte ihn aus tiefster Dankbarkeit gerührt an.

      *~*~*

      Ardor half ihm, das Chaos zu beseitigen, ohne ein Wort, ohne weiter Fragen zu stellen. Sie mussten nicht darüber sprechen, Blicke sagten alles. Kaceys Leibwächter war ihm ob seines Schweigens nicht böse, er verlangte keine Erklärungen. Er vertraute ihm.

      Es war ein schönes Gefühl, einen Freund zu haben, einen Komplizen, der nicht einmal verlangte, zu wissen, was vor sich ging, sondern schlicht ohne Gegenleistung für ihn da war.

      Ardor erinnerte ihn seit diesem Tag ein wenig an Doragon, der Kacey vor Jahren aus der Sklaverei befreit und hierher zu seiner Familie gebracht hatte. Doragon, dem er alles verdankte und den er als Beschützer ebenso vermisste wie als Freund. Manchmal sehnte er sich sehr danach, sich einfach wieder wie ein Junge auf die Stärke und Klugheit seines Retters zu verlassen, auch wenn seine kleine, kindische Schwärmerei für diesen längst tiefer, unschuldiger Zuneigung gewichen war. Aber Kacey war gewiss nicht schwach oder unfähig, sich selbst zu schützen, auch wenn es verlockend klang, Sorgen auf andere abzuwälzen und sich auf den Schutz starker Arme zu verlassen, war er mittlerweile auch ein klein wenig zu eitel, um nicht für sich selbst zu sorgen.

      Selbst wenn es schön wäre, sich wenigstens hin und wieder auf einem anderen ausruhen zu können, um selbst zu verschnaufen.

      Eine Partnerschaft, das wünschte er sich, einen Gefährten, und gewiss nicht einen Gatten, der alles für ihn entschied und ihn bevormundete wie ein Kind, oder wie ein Hausfrauchen. Weshalb er die Kuppler aus der Stadt vehement abwehrte, denn trotz Magier-Konflikt standen die Freier Schlange und wollten den Bastard des Kaisers zu ihrem Eigen machen, um sich in die kaiserliche Familie einzuschleichen.

      Der Tag war bereits angebrochen und Kacey kam viel zu spät zu seiner ersten Vorlesung. Der Saal war voller als die Monate zuvor, was ihn sofort lächeln ließ. Aber nicht nur Studenten des dritten Semesters saßen in den Reihen, es hatten sich auch einige ältere Magier dazugesellt und ihm zugesehen. Viele von ihnen waren keine Lehrer, sondern Heiler, Vagabunden, einfache Bauern aus Elkanasai, oder Söldner. In Ungnade gefallene Magier, die sich nicht an die Regeln gehalten hatten oder nicht bereit gewesen waren, ihre Fähigkeiten dem Allgemeinwohl zu opfern. Denn noch immer arbeiteten die Magier der Akademie selbstlos und baten allerhöchstens um Spenden. Kranke und Bauern durften an ihre Pforten klopfen und um Hilfe bitten, wenn sie bereit waren, Schülern die Möglichkeit zu geben, ihre Magie an ihnen zu üben. Einnahmen machten sie nur durch den Verkauf von Büchern und Forschungen.

      Kaum stand Kacey am Podium und begann über die Grenzen zwischen dunkler und helfender Magie zu sprechen, rückte die qualvolle Nacht in den Hintergrund und er konnte seine Furcht und Verwirrung erfolgreich aus seinen Gedanken verdrängen.

      Bis zum Nachmittag war er mit Kursen beschäftigt, dann drang Ardor ihn zu einem üppigen Mahl in den Garten der Akademie. Es gab Rebhuhn und gedünstetes Gemüse, Honigwein aus dem Palast und Törtchen. Kacey speiste an seinem Lieblingsplatz, unter einer Linde aus Nohva an einem Tisch mit feiner Mosaikplatte mit Blick