Gar greuliche Thaten. Erik Schreiber

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Название Gar greuliche Thaten
Автор произведения Erik Schreiber
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753196879



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wollenen Rock geschlagen, worin ein breites Schlachtmesser bei einer Pistole stak. Der Ruf wurde wiederholt, und ein kräftiger Arm hielt mich fest. Der Laut eines Menschen hatte mich in Schrecken gejagt, aber der Anblick eines Bösewichts gab mir Herz. In der Lage, worin ich jetzt war, hatte ich Ursache, vor jedem redlichen Mann, aber keine mehr, vor einem Räuber zu zittern.

      „Wer da?“ sagte diese Erscheinung.

      „Deinesgleichen,“ war meine Antwort, „wenn du der wirklich bist, dem du gleich siehst!“

      „Dahinaus geht der Weg nicht. Was hast du hier zu suchen?“

      „Was hast du hier zu fragen?“ versetzte ich trotzig.

      Der Mann betrachtete mich zweimal vom Fuß bis zum Wirbel. Es schien, als ob er meine Figur gegen die seinige und meine Antwort gegen meine Figur halten wollte – „Du sprichst brutal wie ein Bettler,“ sagte er endlich.

      „Das mag sein. Ich bin’s noch gestern gewesen.

      Der Mann lachte. „Man sollte darauf schwören,“ rief er, „du wolltest auch noch jetzt für nichts Bessers gelten.“

      „Für etwas Schlechteres also“ – Ich wollte weiter.

      „Sachte Freund! Was jagt dich denn so? Was hast du für Zeit zu verlieren?“

      „Ich besann mich einen Augenblick. Ich weiß nicht, wie mir das Wort auf die Zunge kam: „Das Leben ist kurz“, sagte ich langsam, „und die Hölle währt ewig.“

      Er sah mich stier an. „Ich will verdammt sein“, sagte er endlich, „oder du bist irgend an einem Galgen hart vorbeigestreift.“

      „Das mag wohl noch kommen. Also auf Wiedersehen, Kamerad!“

      „Topp, Kamerade!“ – schrie er, indem er eine zinnerne Flasche aus seiner Jagdtasche hervorlangte, einen kräftigen Schluck daraus tat und mir sie reichte. Flucht und Beängstigung hatten meine Kräfte aufgezehrt, und diesen ganzen entsetzlichen Tag war noch nichts über meine Lippen gekommen. Schon fürchtete ich, in dieser Waldgegend zu verschmachten, wo auf drei Meilen in der Runde kein Labsal für mich zu hoffen war. Man urteile, wie froh ich auf diese angebotne Gesundheit Bescheid tat. Neue Kraft floß mit diesem Erquicktrunk in meine Gebeine und frischer Mut in mein Herz, und Hoffnung und Liebe zum Leben. Ich fing an, zu glauben, dass ich doch wohl nicht ganz elend wäre; so viel konnte dieser willkommene Trank. Ja, ich bekenne es, mein Zustand grenzte wieder an einen glücklichen, denn endlich, nach tausend fehlgeschlagenen Hoffnungen, hatte ich eine Kreatur gefunden, die mir ähnlich schien. In dem Zustande, worein ich versunken war, hätte ich mit dem höllischen Geiste Kameradschaft getrunken, um einen Vertrauten zu haben.

      Der Mann hatte sich aufs Gras hingestreckt, ich tat ein gleiches.

      „Dein Trunk hat mir wohlgetan!“ sagte ich. „Wir müssen bekannter werden.“

      „Er schlug Feuer, seine Pfeife zu zünden.

      „Treibst du das Handwerk schon lange?“

      Er sah mich fest an. „Was willst du damit sagen?“

      „War das schon oft blutig?“ Ich zog das Messer aus seinem Gürtel.

      „Wer bist du?“ sagte er schrecklich und legte die Pfeife von sich.

      „Ein Mörder wie du – aber nur erst ein Anfänger.“

      Der Mensch sah mich steif an und nahm seine Pfeife wieder.

      „Du bist nicht hier zu Hause?“ sagte er endlich.

      „Drei Meilen von hier. Der Sonnenwirt in L…, wenn du von mir gehöret hast.“

      „Der Mann sprang auf wie ein Beseßner. „Der Wildschütze Wolf?“ schrie er hastig.

      „Der nämliche.“

      „Willkommen, Kamerad! Willkommen!“ rief er und schüttelte mir kräftig die Hände. „Das ist brav, dass ich dich endlich habe, Sonnenwirt. Jahr und Tag schon sinn’ ich darauf, dich zu kriegen. Ich kenne dich recht gut. Ich weiß um alles. Ich habe lange auf dich gerechnet.“

      „Auf mich gerechnet? Wozu denn?“

      „Die ganze Gegend ist voll von dir. Du hast Feinde, ein Amtmann hat dich gedrückt, Wolf. Man hat dich zu Grund gerichtet, himmelschreiend ist man mit dir umgegangen.“

      Der Mann wurde hitzig – „Weil du ein paar Schweine geschossen hast, die der Fürst auf unsern Äckern und Feldern füttert, haben sie dich Jahre lang im Zuchthaus und auf der Festung herumgezogen, haben sie dich um Haus und Wirtschaft bestohlen, haben sie dich zum Bettler gemacht. Ist es dahin gekommen, Bruder, dass der Mensch nicht mehr gelten soll als ein Hase? Sind wir nicht besser als das Vieh auf dem Felde? – Und ein Kerl wie du konnte das dulden?“

      „Konnt’ ich’s ändern?“

      „Das werden wir ja wohl sehen. Aber sage mir doch, woher kömmst du denn jetzt, und was führst du im Schilde?“

      Ich erzählte ihm meine ganze Geschichte. Der Mann, ohne abzuwarten, bis ich zu Ende war, sprang mit froher Ungeduld auf, und mich zog er nach. „Komm, Bruder Sonnenwirt“, sagte er, „jetzt bist du reif, jetzt hab’ ich dich, wo ich dich brauchte. Ich werde Ehre mit dir einlegen. Folge mir.“

      „Wo willst du mich hinführen?“

      „Frage nicht lange. Folge!“ – Er schleppte mich mit Gewalt fort.

      Wir waren eine kleine Viertelmeile gegangen. Der Wald wurde immer abschüssiger, unwegsamer und wilder, keiner von uns sprach ein Wort, bis mich endlich die Pfeife meines Führers aus meinen Betrachtungen aufschreckte. Ich schlug die Augen auf, wir standen am schroffen Absturz eines Felsen, der sich in eine tiefe Kluft hinunterbückte. Eine zwote Pfeife antwortete aus dem innersten Bauche des Felsen, und eine Leiter kam, wie von sich selbst, langsam aus der Tiefe gestiegen. Mein Führer kletterte zuerst hinunter, mich hieß er warten, bis er wiederkäme. „Erst muß ich den Hund an Ketten legen lassen“, setzte er hinzu, „du bist hier fremd, die Bestie würde dich zerreißen.“ Damit ging er.

      Jetzt stand ich allein vor dem Abgrund, und ich wußte recht gut, dass ich allein war. Die Unvorsichtigkeit meines Führers entging meiner Aufmerksamkeit nicht. Es hätte mich nur einen beherzten Entschluß gekostet, die Leiter heraufzuziehen, so war ich frei, und meine Flucht war gesichert. Ich gestehe, dass ich das einsah. Ich sah in den Schlund hinab, der mich jetzt aufnehmen sollte; es erinnerte mich dunkel an den Abgrund der Hölle, woraus keine Erlösung mehr ist. Mir fing an, vor der Laufbahn zu schaudern, die ich nunmehr betreten wollte; nur eine schnelle Flucht konnte mich retten. Ich beschließe diese Flucht – schon strecke ich den Arm nach der Leiter aus – aber auf einmal donnert’s in meinen Ohren, es umhallt mich wie Hohngelächter der Hölle: „Was hat ein Mörder zu wagen?“ – und mein Arm fällt gelähmt zurück. Meine Rechnung war völlig, die Zeit der Reue war dahin, mein begangener Mord lag hinter mir aufgetürmt wie ein Fels und sperrte meine Rückkehr auf ewig. Zugleich erschien auch mein Führer wieder und kündigte mir an, dass ich kommen solle. Jetzt war ohnehin keine Wahl mehr. Ich kletterte hinunter.

      Wir waren wenige Schritte unter der Felsmauer weggegangen, so erweiterte sich der Grund, und einige Hütten wurden sichtbar. Mitten zwischen diesen öffnete sich ein runder Rasenplatz, auf welchem sich eine Anzahl von achtzehn bis zwanzig Menschen um ein Kohlfeuer gelagert hatte. „Hier, Kameraden“, sagte mein Führer und stellte mich mitten in den Kreis; „unser Sonnenwirt! heißt ihn willkommen!“

      „Sonnenwirt!“ schrie alles zugleich, und alles fuhr auf und drängte sich um mich her, Männer und Weiber. Soll ich’s gestehn? Die Freude war ungeheuchelt und herzlich, Vertrauen, Achtung sogar erschien auf jedem Gesichte, dieser drückte mir die Hand, jener schüttelte mich vertraulich am Kleide, der ganze Auftritt war wie das Wiedersehen eines alten Bekannten, der einem wert ist. Meine Ankunft hatte den Schmaus unterbrochen, der eben anfangen sollte. Man setzte ihn sogleich fort und nötigte mich, den Willkomm zu trinken. Wildpret aller Art war die Mahlzeit, und die Weinflasche wanderte unermüdet von Nachbar zu Nachbar. Wohlleben und Einigkeit schien die ganze Bande