Название | Einzelbilder werden zum Mosaik |
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Автор произведения | Paul Stefan Wolff |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738071665 |
Wir landen auf dem Flughafen von Luqa auf der Hauptinsel Malta, der Taxifahrer empfängt uns, er öffnet mir die linke Tür und dann fällt mir ein, das Lenkrad sitzt rechts; hier fahren sie links. Auf Malta hat man beim Überqueren einer Straße dieses London-Gefühl, man schaut immer in die falsche Richtung und wird die permanente Angst nicht los, im nächsten Moment überfahren zu werden. Das riesige Häusermeer um Valletta herum haben wir auf Straßen umfahren, die in mir die Zuversicht keimen ließ, hier keinen einzigen tiefergelegten Wagen zu sehen. Kurz vorab, die Typen dazu gibt es dennoch zuhauf.
Auf der Fähre nach Gozo hatte ich dann die Eingebung, wie ich die ausweglose Lage überstehen konnte; ich musste den Schmerz durch einen stechenderen ersetzen: ich musste Nichtraucher werden.
Das erste, was man von Gozo sieht, ist der Hafen von Mgarr, sprich Mdscharr, und mit seinen breiten Schutzmolen derart beschützend, dass man unvermutet den Eindruck hat, nach Hause zu kommen und in eine liebevolle Umarmung hineinzulaufen. Nimmt man dazu den Anblick der oben auf den Berg thronenden, von Hunderten von Glühbirnen erleuchteten Kirche, so hat man keinen Zweifel mehr daran, dass die Katholiken viel von Inszenierung verstehen; der Eindruck ist so machtvoll, dass mir unverzüglich meine Sünden einfallen.
Malta und Gozo sind Felsen und das merkt man zu jeder Zeit. Es gibt kaum Grün, stattdessen die ganze Zeit über Staub und Steine. Wenn man Steine verkaufen könnte, wären die Malteser reich.
Wir kommen im Hotel in Marsalforn, sprich Marsalforn, an und checken ein. Die Malteser sind derart freundlich, dass man vergessen könnte, dass sie innerhalb der letzten 200 Jahre 2 Aufstände zuwege gebracht haben. Merke: freundlich und duldsam sind zwei verschiedene Dinge.
Zweiter Tag. Erbärmlich geschlafen, von Steinen geträumt. Ich war in einem amerikanischen Gefängnis, zwischen Lucky Luke, der beim Rauchen erwischt worden war und den Daltons beim Steineklopfen und wir allesamt versuchten, die zweite Strophe von „Stille Nacht“ zu singen, aber mir geht es wie jedem, ich kenne nur die erste. Als ich aufstehe meint sie, dass ich wohl eher beim Steinesägen war und geht. Katrin ist zum Tauchen hergekommen, ich will mir das Rauchen abgewöhnen.
Ich gehe raus zum Meer, zur Hafenpromenade. Es weht ein starker Wind und nachdem ich mich durchgerungen hatte, jetzt meine letzte Zigarette zu rauchen, brauchte ich vier Minuten, um sie anzuzünden. Ich stehe gut 5 Meter über dem Meer, sehe begehrenden Wellen zu, die immer wieder auflaufen und immer wieder zerbrechen.
Ich schreie die Wellen an: Kommt doch ihr Weicheier und holt mich! Aber sie schaffen es nicht so hoch. Ich stehe lange da, ziehe an der Kippe und sie schmeckt nach Salz. Sie haben mich subtil unterwandert, denke ich zerknirscht, blicke gedankenverloren in die See, sehe gebannt auf eine weitere Welle, die sich aufbaut und mich knapp verfehlt. Ich will gehen, als mir auffällt, dass sie meine Schuhe gekriegt hat.
Man soll Feuer mit Feuer bekämpfen, also hole ich mir ein Bier und setze mich ans Meer. Die weißen Schaumränder im dunklen Wasser erinnern mich an Bikiniränder und ich verspüre riesige Lust auf eine intime Liaison mit dem Meer. Welcher Mann wurde je von einer Frau umspült, überall berührt – das Meer tut es. Tief eintauchen, sich wie im Weltraum in 3D bewegen, eins werden. Einst kamen wir aus dem Meer und das Gehirn hat sich in Schichten entwickelt. Die Dino-Region ist die mit den Aggressionen, sie liegt nah am Ursprung; wo liegt die Delphin-Region? Die Naiv-Spielen-Region, die Unschuldigsein-Region? Man hat herausgefunden, dass Babys im Fruchtwasser lächeln können und es auch tun. Von Wasser umschlossen, Teil eines Großen sein, keine Verantwortung, schweben, vertrauen, da würde ich auch lächeln. Mir wird klar, dass ich da sein will, wo sie ist und bestelle mir noch ein Bier und zünde mir eine Zigarette an. Am Ende sind es vier Bier und ich habe Kette geraucht, die neue Kippe an der alten angezündet – wegen dem Wind. Und das alles vor 14 Uhr.
Ich gehe nach Hause und schlafe bis sie kommt. Danach gehen wir essen, sie erzählte begeistert vom Tauchen. Anschließend ist sie ins Bett, zum Tauchen muss man um sieben aufstehen, also ist sie noch vor neun eingeschlafen.
Dritter Tag. Wir schlafen in einem Zimmer, zwei Betten. Ich habe wieder schlecht geschlafen. Ich habe geträumt, dass ich ein, bei Asterix und Obelix eingeschleuster Römer bin, der entdeckt und nun dazu verdonnert wurde, von Troubadix die Handharfe zu lernen. Ich bin hoch oben auf dem Baum und bemühe mich, Falballa in der Ferne zu beeindrucken, aber ich bin zu nervös und jedesmal, wenn ich einen falschen Ton hervorbringe, kriege ich einen alten Fisch über den Kopf gezogen, fliege herunter und ein magischer Spiegel mit Cäsar im Bild sagt „homo iactus est“ – der Mensch ist gefallen.
Heute gehe ich wandern, die Steinfelsen rauf. Gozo und Malta sind wie gesagt, Felsen mit Steinen drauf. Und darauf Staub und darauf wiederum ich. Weit oben, jetzt eine Kippe rauchen, das wär’s. Aber ich habe keine mit. Früher gab es auf Malta ausgedehnte Wälder, aber aus Holz macht man Schiffe, also wurden die Wälder abgeholzt. Auf Malta war es der Johanniter- oder auch Malteserorden, in Griechenland die Athener, in Kroatien die Venezianer, in Schottland die Briten. Seefahrernationen, die Wald vorfanden und Steinwüsten hinterließen. Hätten sie doch eine Zigarettenschachtel hinterlassen! Ich fluche und gehe runter. Im Hotel rauche ich eine, sie schmeckt nach Staub.
Ich gehe duschen und denke an die Frau, die mich liebt. Ich frage mich, ob sie auch versucht, Nichtraucher zu werden, oder, in ihrem Fall, Raucher.
Ich beschließe, nach Victoria zu fahren, der Inselhauptstadt. Da in der Gegend befinden sich die neolithischen Wohnhöhlen. Im Klartext, die letzten Spuren des Matriarchats in Europa. Deswegen bin ich hier, das Matriarchat erkunden. Mich fragen, wie wahrscheinlich Doris Köpf als Bundeskanzlerin wäre, mit Gerhard Köpf-Schröder an ihrer Seite. Ich zeige einem Einheimischen die Karte von Victoria und frage ihn, wo genau wir sind. Der Mann lächelt freundlich und sagt „In Victoria.“ Merke: freundlich und kompetent sind zwei verschiedene Dinge. Wenn du als Tourist ausgefallene Wünsche hast, bist du so aufgeschmissen, als müsste man sich vor Gericht verteidigen. Ich kann mich noch lebhaft an London erinnern, wo ich an der Tourist Information versucht habe, das Monty Python-Haus ausfindig zu machen und um seine Unkenntnis zu übertünchen, hat mir der freundliche Herr höflich von den neuen Figuren bei Madame Tussaud’s erzählt.
Ich gebe mich nicht so schnell geschlagen und versuche es alleine, aber als ich einen großen Dobermann sehe, der herrenlos herumstreift, siegt die Angst über den Entdecker und ich kehre wieder um. Im Hotel treffe ich zwei Malteser, die mir erzählen, dass Malta und Gozo verschiede Atmosphären haben. Auf der Hauptinsel Malta herrsche das Geschäft, auf Gozo die Gemütlichkeit. Und dass ich doch zu den Gigantija-Tempeln gehen könne, die kenne jeder. Die wären zwar später erbaut worden, aber immer noch tausend Jahre vor Stonehenge oder gar den Pyramiden. Sie fragen mich, was es mit dem Matriarchat auf sich hat und ich erkläre es ihnen. Man hat herausgefunden, dass die Menschen als Nomaden friedlich waren; Kriege wurden erst erfunden, als die Menschen sesshaft wurden. Da fing dann Ackerbau an und es waren die Frauen, die sich damit auskannten. Und dass Frauen keinen Krieg führen, ist ein Märchen, die Geschichte mit den Amazonen ist als Relikt bis heute übrig geblieben.
Als er mich fragt, wieso ich mich für das Thema interessiere, gehe ich in meinen Mimik-Schrank, setze mein lockerstes Lächeln auf und sage im selbstverständlichsten Ton, den ich habe: Ich bin ein Mann, es ist normal, dass mich Frauen interessieren. Das klingt so entwaffnend naheliegend, dass es den Männern, die sich nicht für das Matriarchat interessieren, impliziert, dass sie sich nicht genug für Frauen interessieren. Und kein Hetero-Mann will sich sagen lassen, dass er sich nicht für Frauen interessiert.
Ich steige ins Jacuzzi, der in Deutschland Whirlpool genannt wird und genieße die Luftbläschen an meiner Haut, die mir ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern. Es dauert keine Minute, schon verschwimmt die Welt um mich herum zu einem bedeutungslosen Nichts. Das ist so ein Moment, da könnte ich sogar die vierteljährlich wiederkehrende wohlmeinende „wann finden Sie endlich eine liebevolle Frau, dass sie heiraten können?“-Frage meiner Hausordnungs-Putzfrau ertragen, ohne das brennende Bedürfnis zu haben, ihr ein „wenn Sie