Geliebtes Carapuhr. Billy Remie

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Название Geliebtes Carapuhr
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Chroniken der Bruderschaft 3
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752909692



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nicht alles versuchen, was möglich ist, um Rick daran zu erinnern, dass in ihm ein Mann schläft, dessen Rückkehr von seinem Gefährten erhofft wird? Willst du mir ins Gesicht sagen, dass du ihn so kampflos fallen lässt?«

      Oh er hatte gekämpft. Zwei Jahre lang. Natürlich konnte Vynsu es nicht verstehen, er kannte nicht die ganze Geschichte hinter Derricks Verwandlung, und Desith wollte nicht daran denken. Er wollte die mitleidigen Blicke nicht, die ihm alle zuwerfen würden. Vynsu hätte es vermutlich auch dann nicht begriffen.

      Desith drehte ihm das Gesicht zu, seine Nasenflügel bebten aufgebracht. »Er ist gegangen, Vyn. Er will nicht hier sein, er will nicht nach Hause, und er wird nicht für mich zurückkommen.«

      Vynsus Schultern sackten erneut herab, ein Zeichen seiner Aufgabe. Er wirkte streng, aber einlenkend. »Fein. Aber du wirst dich ihm stellen, Desith, weil mein Onkel es verlangt.«

      Er wollte gerade zum Protest ansetzen, als Vynsu ihm eine Hand in den Nacken legte und sich zu ihm hinabbeugte.

      »Beweis uns, dass er nicht zurückkommen will, Desith«, flüsterte er eindringlich, seine Augen funkelten, und Desith begann zu verstehen. »Beweis, dass du nichts ausrichten kannst – und der Großkönig wird dich gehen lassen.«

      *~*~*

      Er lag auf einer rollenden Plattform, die aus dicken Baumstämmen und robusten Seilen zusammengebaut worden war. Einfallsreich waren diese Barbaren ja, sie waren auch die Erfinder der Armbrust und sorgten dafür, dass diese Waffe ihrem Volk vorbehalten blieb. Die Baupläne waren jedenfalls strickt geheim und alle Nachbauten waren bisher nicht so effektiv wie das Original.

      Jedenfalls erinnerte die Plattform an ein riesiges Floß, bloß dass es nicht auf Wasser schwamm, sondern auf mehreren knirschenden Rädern stand, die nun mit schweren Steinen befestigt wurden, damit sie nicht unkontrolliert wegrollten.

      Desith hatte sich schon gefragt, wie sie ihn transportiert hatten.

      Das Grollen des Drachen war durch das ganze Lager zu hören, die Pferde wieherten und schabten ängstlich in ihren Gattern, Kriegshunde kläfften und zerrten an ihren Leinen, viele Schaulustige tummelten sich zwischen den Zeltwänden, jeder wollte Derricks neue Form bestaunen, während ein halbes Dutzend Männer damit beschäftigt war, eine Plane über dem Monster zu spannen.

      Desith blieb stehen. »Ich gehe nicht zu ihm, wenn mir das halbe Lager zusieht«, flüsterte er konsequent und setzte alles daran, dass man ihm seine Furcht nicht anhörte.

      »Komm!« Vynsu legte ihm eine Hand ins Kreuz und schob ihn vorwärts durch die Menge. »Das wird nicht nötig sein.«

      Desith schüttelte energisch seine Hand ab und stampfte weiter vor ihm her, dabei war er gar nicht wütend auf Vynsu, er musste nur seiner Nervosität Luft machen.

      Als sie an einer Gruppe gelangweilt wirkender Söldner vorbeikamen – Desith erkannte sie daran, dass sie keine Wappen auf den Harnischen trugen und auch sonst keine Flagge zeigten, die sie mit einem der Fürstentümer Carapuhrs in Verbindung brachte – nickte Vynsu ihnen zu und sagte: »Sorgt dafür, dass die Gaffer verschwinden, Derrick ist kein Stück Rind auf dem Marktplatz!«

      Die vier Gestalten schwärmten aus, aber Desith nahm kaum Notiz von ihnen, denn er näherte sich dem Rücken des Großkönigs, der neben der Hexe Karrah stand und grimmig verfolgte, wie sein Ziehsohn abgedeckt wurde. Der warme Regen prasselte ungehindert weiter, niemand schien sich daran zu stören, dass ihnen Sturzbäche über die Gesichter rannen. In Elkanasai wären zig Diener unterwegs, um dem Adel ein Schirmchen über den Kopf zu halten.

      Auch Desith bemerkte den Regen nicht, sein Haar lag platt und nass auf seinem Kopf, seine zottligen Strähnen tropften ebenso wie seine Nase und seine Lippen. Es war ihm gleich, er fühlte sich wie in einem Traum, bekam einen Tunnelblick, als hätte er zu viel Wein gekippt. Alle Geräusche entfernten sich, vermischten sich mit dem Rauschen des Regens. Die Leute, die sich nur mürrisch in ihre Zelte verweisen lassen wollten, die Rufe der Männer, die die Plane befestigten, Vynsus Murmeln. All das war nicht mehr als Hintergrundgeräusche, während Ricks grollender Atem immer lauter wurde, je näher er ihm kam.

      Er wirkte viel größer außerhalb des dichten Dschungels, beinahe übermächtig. Fettgefressen und monströs. Desith spürte ein Zittern durch seinen Leib rollen wie eine kalte Flutwelle. Er wusste nicht, wie er diesem gigantischen Vieh entkommen war. Es schien so unwirklich, dass er erst in jenem Moment dort im Regen begriff, wie knapp er dem Tod entronnen war.

      Dem Tod durch Rick. Dem einzigen sterblichen Wesen, dem er je so sehr vertraut hatte…

      Der Drache lag flach auf der Plattform und war mit dicken Eisenringen versehen. Der Großkönig musste sie eigens für diesen Zweck anfertigt haben, allerdings war er auch der Drachenflüsterer – der Drachenkönig, um genau zu sein – er besaß solcherlei Dinge vermutlich bereits seit Jahrzehnten, immerhin züchtete er diese Biester.

      Ein Grund mehr, nicht nach Carapuhr zu gehen, von Drachen hatte Desith eigentlich genug.

      Alle vier Vorderbeine des Drachen waren an die Plattform gekettet, seine Flügel waren mit dicken Eisenketten an seinem Körper fixiert worden, er konnte sie nicht ausbreiten, selbst seinen langen Schwanz hatte man eingeknickt und festgekettet. Sein Hals und Kopf lagen in einer Linie flach auf der Plattform, ein Eisenring befand sich hinter seinem Kopf, ein weiterer lag um seine Schnauze und hielt sie am Boden. Er war vollkommen bewegungsunfähig, der Regen prasselte auf ihn nieder und perlte über seine Augen, die langsam und trostlos blinzelten.

      Aber obwohl er sich nicht rühren konnte, sank Desith mit jedem weiteren Schritt das Herz in die Hose, seine Knie wurden weich. Er wollte fortrennen, aber er konnte nicht.

      Sie kamen neben Karrah und dem Großkönig zum Stehen. Vynsus Mutter lächelte ihnen flüchtig zu, während der Großkönig sie keines Blickes würdigte. Er war älter geworden, sein blondes Haar besaß einen gräulichen Schimmer, sein Bart wirkte ausgebleicht und stumpf, das Blau seiner einstig strahlenden Augen war verblasst, als läge ein grauer Schleier über ihnen, Falten hatten sich um seine Augen herum gebildet, er wirkte noch härter als Desith ihn in Erinnerung gehabt hatte.

      »Das hat aber gedauert«, murrte König Melecay.

      Desith holte bereits Luft, da kam ihm Vynsu aber zuvor: »Vergebung, Onkel, Desith ist noch etwas schwach auf den Beinen.«

      Das war nicht die Wahrheit und es wiederstrebte ihm, dass Vynsu ihn hinstellte, als sei er ein schwächlicher Kranker. Dass dieser ihn schützte, war ihm nicht recht, er hätte lieber geantwortet, dass er sich weigern wollte und auch jetzt noch dagegen war.

      »Nun gut. Geh«, sagte der Großkönig mit harter Miene, offenbar war er alles andere als erfreut, seinen Ziehsohn in Ketten zu sehen, aber freigeben wollte er ihn auch nicht. Vermutlich wusste er, was Desith bereits die ganze Zeit gesagt hatte. Derrick wollte nicht freiwillig nach Hause kommen, und wenn man ihn darum bat, wurde er ziemlich ungemütlich. »Sorg dafür, dass er zu uns zurückkommt.«

      Der Befehl ging an Desith, das bemerkte er, als Vynsu ihm einen leichten Stoß mit den Ellenbogen in die Seite verpasste. Er zuckte leicht zusammen, riss sich dann aber am Riemen.

      Er schluckte seine Nervosität herunter. »Nicht unter so vieler Augen.«

      Der Großkönig drehte ihm das Gesicht zu. Noch nie hatte Desith einem so kalten, so durchdringenden Blick standhalten müssen. Er sah König Melecay nicht in die Augen, er starrte den Drachen an – oder besser gesagt, die Räder des riesigen Karrens – und rührte sich nicht. Niemand konnte ihn zwingen. Sei stark, Desith!

      Doch der Großkönig verstand sich blendend darauf, einen Mann nieder zu starren, Desith spürte bereits, wie seine stolze Haltung immer weicher wurde, wie sein Widerwille einzuknicken drohte, aber er gab nicht nach, biss die Zähne zusammen und blieb an Ort und Stelle stehen.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit wandte König Melecay den tödlichen Blick endlich von ihm ab und erwiderte: »Wir warten hier. Wenn die Plane steht, habt ihr Privatsphäre.«

      Offenbar hatte Desith irgendetwas richtig gemacht, aber die Erleichterung