Die Kameliendame. Alexandre Dumas

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Название Die Kameliendame
Автор произведения Alexandre Dumas
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754179253



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und den sie gegen ihre Brust drückte, war so geschickt mit Falten umrahmt, daß nichts auszusetzen war, so sehr er auch zu ihrer Zierlichkeit in Kontrast stand. Ihr wundervoller Kopf war eine einzigartige Laune der Natur. Er war winzig klein, und ihre Mutter hatte ihn, wie Musset sagen würde, deshalb so klein werden lassen, damit er im einzelnen vortrefflich sei. Denken Sie sich ein Oval von unbeschreiblicher Anmut, darin zwei schwarze Augen, über denen die Brauen in so reinen Bogen verlaufen, daß sie wie gemalt scheinen. Denken Sie sich weiter lange Wimpern, die beim Senken der Lider Schatten auf die Rosenwangen werfen, eine schlanke Nase, gerade und geistvoll, die ein wenig geschwungenen Nasenflügel verraten Lebenslust und Sinnenfreude. Wenn sie ihren regelmäßigen Mund anmutig öffnet, schimmern ihre milchweißen Zähne. Ihre Haut ist, den Pfirsichen ähnlich, die noch keine Hand berührt hat, wie mit Flaum überzogen und samtweich. Jetzt haben Sie ihren entzückenden Kopf vor sich. Ihre pechschwarzen Haare, die anscheinend natürlich gelockt waren, umrahmten ihr Antlitz und ließen die Ohrläppchen frei, in denen zwei Diamanten blitzten, die jeder vier- bis fünftausend Francs wert waren. Wie ging es zu, daß das leidenschaftliche Leben den charakteristischen Zug in Marguerites Antlitz, den jungfräulichen, fast möchte ich sagen kindlichen Ausdruck nicht zerstörte? Man ist gezwungen, es festzustellen, ohne es begreifen zu können.

       Marguerite besaß ein wundervolles Porträt von sich, von Vidal gemalt, dem einzigen Menschen, dessen Kunst ihr gerecht werden konnte. Ich habe es nach ihrem Tode einige Tage zur Verfügung gehabt. Es ist von so verblüffender Ähnlichkeit, daß es mir dort eine große Hilfe war, wo ich mich auf mein Gedächtnis nicht ganz verlassen konnte. Einige Einzelheiten dieses Kapitels sind mir erst im Laufe der Zeit bekanntgeworden. Ich schreibe sie aber jetzt schon nieder, damit ich sie nicht später einflechten muß, weil nun die Geschichte dieser Frau beginnen wird.

       Marguerite wohnte allen gesellschaftlichen Ereignissen bei und besuchte jeden Abend das Theater oder den Ball. Sooft ein neues Stück gegeben wurde, konnte man sicher sein, sie dort zu finden und ebenso drei Dinge, die sie immer bei sich hatte und die vor ihr auf der Brüstung der Parterreloge lagen: ihr Opernglas, eine Bonbonniere und ein Strauß Kamelien.

       An fünfundzwanzig Tagen im Monat waren die Kamelien weiß und an fünf Tagen rot. Niemand hat den Grund für diesen Farbenwechsel, den ich erwähne, ohne ihn erklären zu können, je erfahren. Die Besucher ihres Lieblingstheaters und alle ihre Freunde haben es aber ebenso wie ich beobachtet. Man hat Marguerite niemals mit anderen Blumen als Kamelien gesehen. Im Laden der Madame Barjon, ihrer Blumenverkäuferin, wurde ihr deshalb der Beiname »die Kameliendame« gegeben, und dieser Beiname war ihr geblieben. Ich und alle anderen eines gewissen Pariser Kreises wußten, daß Marguerite die Geliebte der elegantesten jungen Leute war. Sie selbst erzählte es, auch die jungen Herren rühmten sich dessen - ein Zeichen dafür, daß Liebhaber und Geliebte nichts aneinander auszusetzen hatten.

       In letzter Zeit hieß es, sie würde seit ihrer Reise nach Bagneres, die drei Jahre zurücklag, nur noch mit einem alten, ausländischen Herzog zusammenleben. Er war unermeßlich reich und hatte so weit als möglich versucht, sie von ihrem früheren Leben zu lösen, was sie offenbar gutwillig geschehen ließ. Folgendes hat man mir darüber berichtet: Im Frühling des Jahres 1842 war Marguerite so zart und angegriffen, daß dieÄrzte ihr Bäder verordneten. Also reiste sie nach Bagneres.

       Unter den Kranken dort befand sich auch die Tochter des Herzogs. Sie hatten nicht nur die gleiche Krankheit, sondern sahen sich auch so ähnlich, daß man sie für Schwestern halten konnte. Nur war die junge Herzogin bereits im höchsten Grad schwindsüchtig, und wenige Tage nach Marguerites Ankunft verschied sie.

       Der Herzog war in Bagneres geblieben, weil man gerne dort verweilt, wo ein Teil unseres Herzens begraben liegt. Eines Tages begegnete er an einer Wegbiegung Marguerite. Ihm war es, als sähe er den Schatten seines Kindes. Auf sie zueilend, ergriff er ihre beiden Hände, umarmte sie und erbat von ihr, ohne nach ihrem Namen zu fragen, die Erlaubnis, sie sehen und in ihr das Abbild seines toten Kindes Sehen zu dürfen.

       Marguerite, die mit ihrer Kammerfrau alleine in Bagneres weilte und im übrigen nicht zu befürchten brauchte, sich zu kompromittieren, gewährte dem Herzog seine Bitte. Es waren jedoch in Bagneres Menschen, die sie kannten und die sich beeilten, den Herzog über Fräulein Gautier aufzuklären. Das war eine bittere Enttäuschung für den alten Mann, denn in diesem Punkte war sie seiner Tochter nicht ähnlich. Aber die Warnungen kamen zu spät, die junge Frau war seinem Herzen schon zu teuer geworden, ja sie war der einzige Vorwand, die einzige Erklärung dafür, daß er noch lebte.

       Er machte ihr keinen Vorwurf, er hatte nicht das Recht dazu. Aber er bat sie, wenn sie sich dessen fähig fühlte, ihr Leben zu ändern. Für dieses Opfer bot er ihr jede Entschädigung an, die sie sich nur wünschen konnte. Sie versprach ihm, seinen Wunsch zu erfüllen.

       Es muß gesagt werden, daß Marguerite, an und für sich schwärmerisch und leidenschaftlich veranlagt, damals sehr krank war. Ihr bisher zügelloses Leben erschien ihr als die Ursache ihrer Krankheit. Nun hoffte sie abergläubisch, Gott würde ihr Schönheit und Gesundheit erhalten als Ausgleich für Reue und Umkehr.

       Tatsächlich hatten die Bäder, die Spaziergänge, natürliche Müdigkeit und gesunder Schlaf sie einigermaßen wiederhergestellt, als der Sommer zur Neige ging. Der Herzog begleitete Marguerite nach Paris, wo er sie wie in Bagneres täglich sah.

       Die wahre Ursache und den wahren Grund dieser Beziehung hat man niemals erfahren. Sie bedeutete für Paris eine Sensation, denn der Herzog, bekannt wegen seines großen Vermögens, machte jetzt durch seine Verschwendung von sich reden.

       Man sagte, die Verbindung der beiden beruhe auf der Sucht des Herzogs nach Ausschweifung, wie man sie häufig bei reichen, alten Männern findet. Man vermutete alles, nur nicht die Wahrheit.

       Er aber hegte nur reine Vatergefühle für Marguerite, und jede andere Empfindung wäre ihm wie Blutschande vorgekommen. Niemals hat er ihr auch nur ein Wort gesagt, das seine Tochter nicht hätte hören können. Es liegt uns aber fern, unsere Heldin anders zu zeigen, als sie war. Wir berichten also, daß es ihr, solange sie in Bagneres war, nicht schwerfiel, das dem Herzog gegebene Versprechen zu halten. Aber wieder in Paris, glaubte dieses an Zerstreuung, an Bälle und ausschweifende Feste gewöhnte Mädchen vor Langeweile sterben zu müssen. Ihr eintöniger Tageslauf wurde nur durch die regelmäßigen Besuche des Herzogs unterbrochen. Die Erinnerung an ihr früheres Leben ließ ihr keine Ruhe und entrang ihr heiße, sehnsuchtsvolle Seufzer. Wir müssen hinzufügen, daß Marguerite von dieser Reise schöner denn je zurückgekehrt war. Sie war zwanzig Jahre alt, und die schlummernde, aber nicht besiegte Krankheit erweckte in ihr den größten Lebenshunger, der fast immer die Begleiterscheinung eines Lungenleidens ist. Die Freunde des Herzogs lagen unablässig auf der Lauer, um ihm einen Fehltritt der jungen Frau, mit der er sich, wie sie sagten, kompromittierte, zu hinterbringen. Er war tief betrübt, als sie ihm eines Tages eilfertig berichteten, sie würde immer dann, wenn sie sein Kommen nicht befürchten mußte, Besucher empfangen, die manchmal bis zum nächsten Morgen bei ihr blieben. Zur Rede gestellt, gestand Marguerite dem Herzog alles. Selbstlos legte sie ihm nahe, sich nicht mehr um sie zu kümmern, denn sie fühle sich nicht fähig, das gegebene Versprechen zu halten, und wollte nicht langer die Wohltaten eines Mannes annehmen, den sie täuschte. Der Herzog blieb sieben Tage aus. Das war die äußerste Zeitspanne, die er, ohne sie zu sehen, ertragen konnte. Am achten Tage kam er wieder zu Marguerite und flehte sie an, ihn weiterhin zu empfangen. Er versprach ihr, sie dürfe so bleiben, wie sie sei, und schwor, er werde ihr bis ins Grab hinein niemals einen Vorwurf machen. So lagen die Dinge drei Monate nach Marguerites Rückkehr, also im November oder Dezember 1842.

       III

      Am Sechzehnten, um ein Uhr, begab ich mich in die Rue d'Antin.

       Schon am Eingangsportal hörte man die lauten Stimmen der Taxatoren. Die Wohnung war voll Neugieriger. Alle stadtbekannten Erscheinungen der Lebewelt waren anwesend. Sie wurden verstohlen von einigen vornehmen Damen gemustert. Noch einmal hatten sie die Auktion zum Vorwand genommen, um, ohne sich etwas zu vergeben, die seltene Gelegenheit wahrzunehmen, jene Frauen, die sie vielleicht insgeheim um ihre leichtfertigen Freuden beneideten, aus der Nähe zu sehen.

       Die Herzogin von F... berührte mit ihrem Ellenbogen