Ich wollte nie Kaiserin werden. Carina Zinkeisen

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Название Ich wollte nie Kaiserin werden
Автор произведения Carina Zinkeisen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754179765



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strapazierten Nerven zu beruhigen. Sophie findet das fürchterlich. Ich sei eine zweite George Sand und würde mich ungebührlich wie ein junges Mädchen aufführen.

      Ich bin jung!

      Ich stehe nachts auf, rauche und schreibe in mein Tagebuch oder an den Kaiser. Er muss bald zurückkommen oder mich nachkommen lassen, aber das will er nicht. In das Hauptquartiersleben passen keine Frauen und er kann seinen Soldaten ja kein schlechtes Beispiel geben.

       06. Juni 1859

      Am 4. Juni haben unsere Truppen gegen die Franzosen und Piemontesen verloren. 10.000 Tote alleine bei den unseren. Die Lombardei ging verloren. Was für ein furchtbares Gemetzel. Sophie hat mich aufgefordert, die Verwundeten in Schloss Laxenburg zu versorgen.

      Alles geht in diesem gottverdammten Krieg schief. Dem Kaiser, jung und militärisch unerfahren, passieren Fehler über Fehler. Erzherzog Albrecht und Sophie taugen als Berater nicht wirklich. Rieten sie ihm doch dazu, Max als Gouverneur zu entlassen und durch einen Grafen zu ersetzen, der nur dämlich und unfähig war und die Truppen zurückzog, statt anzugreifen, als noch genügend Zeit war, weil die Franzosen noch nicht da waren.

      Franz will sich natürlich vor Ort aufhalten und Druck auf Preußen ausüben, damit diese uns endlich helfen und Truppen senden. Er könnte ja auch mit Napoleon verhandeln. Bei ihm sein darf ich freilich immer noch nicht, da der Kaiser seinen Truppen ein gutes Beispiel geben muss. Also bleiben nur Telegramme.

       18. Juni 1859

      Das Versorgen der verwundeten Soldaten ist nicht so schlimm, wie ich dachte. Es ist schon seltsam, um meine Kinder durfte ich mich nie kümmern, um fremde Menschen schon. Ich zeige Sophie, dass ich es kann. Helfen und Trösten. Diese armen Menschen brauchen so viel Trost. Viele sind sehr schwer verwundet, haben starke Schmerzen und sterben hier im Lazarett, manche in meinen Armen. Oft rede ich ihnen gut zu, dass sie in die rettende Amputation einzuwilligen. Viele sterben dennoch und ich tröste weinende Mütter und Väter, Töchter und Söhne, Ehefrauen, die Witwen werden, Kinder, die keinen Vater mehr haben, Eltern, die ihren Sohn verlieren.

      Manchmal kann ich ihre Schreie nicht mehr hören, nicht mehr zusehen, wie ein Bein amputiert wird, dann reite ich einfach weg. Nur Holmes begleitet mich, er reitet so gut, dass ich von ihm noch etwas lernen kann. Sophie findet das natürlich anstößig, ich alleine in der Begleitung eines Mannes

       09. Juli 1859

       Natürlich hat Sophie alles dem Franzl gepetzt. Dass ich wie eine Wahnsinnige reite, die ganze Nacht wach bin und rauche, fast gar nichts esse, den Teegesellschaften und Diners, die Sophie gibt, fernbleibe. Unmöglich! Muss sich mein armer Franzl nun auch noch um mich sorgen? Er hat doch genügend eigene Sorgen. Erst Magenta und dann Solferino. Die entscheidende Schlacht fand am 24. Juni 1859 bei Solferino statt, wo unsere Truppen erneut eine schmerzhafte Niederlage erlitten. Österreich muss die Lombardei abtreten, auch die Nebenlinien der Habsburger in der Toskana, Modena und Parma verlieren ihre Besitzungen. Damit ist der Weg frei für die Errichtung des Königreichs Italien unter dem Haus Savoyen. Die Verluste von Solferino waren wie auch die von Magenta entsetzlich. Rund 6.000 Toten und 30.000 Verwundete auf beiden Seiten. Die blutigste Schlacht seit Waterloo 1815.

      Franz tut mir so leid, er ist jung und militärisch unerfahren. Ich vermisse ihn, aber er wird nicht derselbe sein wie vor dem Krieg.

      Habe ich ihn doch beschworen, mich mitzunehmen in das Hauptquartier. Doch da hätten Frauen keinen Platz und er müsste seinen Truppen ein gutes Vorbild sein.

       14. Juli 1859

      „Bald kommt der Papa heim“, sage ich zu Gisela, die mich mit großen Augen ansieht. „Dann ist alles gut. Komm wir gehen spazieren.“ Ich ziehe ungeduldig an Giselas Hand. Gestern hat der Kaiser mit Napoleon, dem Erzschuft, einen Waffenstilltand geschlossen.

      Sie schüttelt trotzig den Kopf. „Omama, will Omama!“

      Ich atme tief durch und mir ist danach, eine Zigarette zu rauchen. Ich lasse Giselas Hand los und nicke der Kinderfrau zu. „Geben Sie das Kind der Erzherzogin. Ich gehe an die frische Luft.“

      Ich fühle mich rastlos und gedemütigt. Diese böse alte Frau. Franzl wird ob der vielen Toten und Verletzten keine Hilfe sein, sondern meine Stärke brauchen.

      Ich werde dem nicht gewachsen sein.

       15. Juli 1859

      „Du siehst müde und blass aus, Franz“, sage ich leise. „Lass mich dir helfen.“

      Er lacht bitter auf. „Das kannst du nicht, Elisabeth, du kannst dir nicht einmal selber helfen. Du musst mehr essen. Hör auf mit dieser dämlichen Eier - und Früchte Diät. Ich will nicht, dass du noch dünner wirst. Schlafe in der Nacht, denn die ist zum Schlafen da und nicht zum Lesen. Und reite nicht so heftig aus, schon gar nicht alleine mit Holmes, das kann ich dir nicht erlauben!“

      „Ich will es aber“, schreit es in mir. „50 Zentimeter Taille. Meine Schönheit ist mein größter Triumph! Und ich will mit Holmes ausreiten, er ist der beste Reiter, besser als Grünne!“

      Ich wache auf.

       20. Juli 1859

      Franz steht am Fenster.

      Er ist furchtbar blass, ein Schatten seiner selbst, nichts erinnert mehr an den verliebten Franzl von Bad Ischl. Dieser Franzl ist irgendwo zwischen Magenta und Solferino gestorben und an seine Stelle ist ein besiegter General getreten. Seine Züge sind hart und verbittert geworden, sein Gesichtsausdruck mürrisch, tiefe Falten lassen ihn viel älter als seine 29 Jahre wirken.

      Grimmig und verdrossen guckt er mich jetzt an.

      „Du meinst, Maximilian hätte es anders gemacht? Ist es das, was du sagen willst, Elisabeth?“ Wie im Traum nennt er mich nicht Sisi, sondern Elisabeth. Wie im Traum klingt er gereizt.

      „Du musst das Volk verstehen“, sage ich leise und trete neben ihn. „Es hat für den Krieg bitter geblutet und verlangt Rechenschaft. Die Menschen machen dich für die Niederlage verantwortlich, das würden sie bei Maxi auch so machen.“

      „Ach ja und was würde Maxi anders machen?“ Franz Josephs Stimme klingt schneidend kalt.

      Sich nicht in Laxenburg verkriechen und keinen Schritt vor die Tür gehen, denke ich bitter.

      „Franz, sei mir nicht böse, du bist ein sehr konservativer Mensch und die Welt ändert sich. Mit der verklärten Allmacht des Kaisers ist es nun wohl endgültig vorbei, genau wie der Absolutismus. Und es reicht, so leid es mir tut, nicht aus, andere für deine Fehler bluten zu lassen. Das Volk besänftigst du damit nicht, wenn Kempen gehen muss. Das ist nur ein Anfang, du bist halt in militärischen Dingen unerfahren, das wäre anderen auch passiert.“

      Franz hatte den Mund geöffnet, um zu protestieren und schloss ihn schnell wieder.

      Ich atmete tief durch, ehe ich von neuem zu sprechen ansetzte. „Ich bin nicht mehr das naive Landmädel von damals, schon lange nicht mehr. Ich interessiere mich sehr für Politik. Vieles liegt im Argen und wir müssen handeln, sofort handeln. Wir müssen dem Staat eine Verfassung geben. Wir müssen zu Reformen bereit sein. Die Ansichten deiner Mutter sind überholt und haben uns das ganze Schlamassel eingebrockt.“

      Franz zieht seine Stirn kraus.

      „Meine