Weihnachtsmärchen. Charles Dickens

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Название Weihnachtsmärchen
Автор произведения Charles Dickens
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754179857



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sank seine Kraft wieder. Der Geist verweilte hier

      nicht, sondern befahl Scrooge, sich an seinem Gewand zu halten.

      Sie schwebten über die Öde, aber wohin? Doch nicht aufs

      Meer? Aufs Meer! Zu seinem Schrecken sah Scrooge eine

      Reihe graus ig steiler Klippen und hinter sich das Land

      verschwinden, und sein Ohr wurde betäubt von dem Donner der

      Wogen, wie sie unten in den grausenden Höhlen, die s ie genagt

      hatten, heulten und brüllten und wüteten und mit wildem Grimm

      die Erde zu unterwühlen trachteten.

      Auf einer öden, halb im Wasser versunkenen Klippe, gewiß eine

      Meile vom Land entfernt stand ein einsamer Leuchtturm. Das

      ganze trostlose Jahr hindurch umschäumten und umtol ten ihn die

      Wogen. Große Haufen von Seekraut umgaben seinen Fuß, und

      Sturmvögel - man konnte glauben, daß sie vom Winde geboren

      waren wie das Seekraut von den Wellen - Sturmvögel hoben

      und senkten sich um seine Spitze, wie die wogenden Wellen

      unten.

      Aber selbst hier hatten die zwei Turmwächter ein Feuer

      Aber selbst hier hatten die zwei Turmwächter ein Feuer

      angezündet, das durch das Guckloch in der dicken, steinernen

      Mauer einen hellglänzenden Streifen auf die nächtliche See warf.

      Die harten Hände sich über den Tisch hinreichend, an dem sie

      saßen, wünschten sie einander fröhliche Weihnachten und stießen

      mit den Grogbechern darauf an. Und einer der beiden, der

      Ältere noch dazu, mit einem Gesicht von Sturm und Wetter

      gebräunt und gefurcht, wie die Galionsfigur eines alten Schiffes,

      stimmte ein mächtiges Lied an, das wie ein Sturmwind erdröhnte.

      Immer noch schwebte der Geist über die dunkelwogende See

      dahin, immer weiter und weiter, bis sie, wie der Geist zu Scrooge

      sagte, fern jeder Küste, sich auf einem Schiff niederließen. Sie

      standen neben dem Steuermann an dem Rad, dem Ausguck

      vorn, neben den Offizieren, die gerade Wache hatten. Wie

      dunkle, gespenstige Gestalten standen diese auf ihrem Posten,

      aber jeder von ihnen summte ein Weihnachtslied, oder hatte

      einen Weihnachtsgedanken, oder sprach leise zu seinem

      Kameraden von einem früheren Weihnachtsabend und

      heimatlichen Hoffnungen, die s ich daran knüpften. Und jeder

      einzelne an Bord, wachend oder schlafend, gut oder schlecht,

      hatte an diesem Tag ein herzlicheres Wort für seine Kameraden

      gehabt als an jedem andern Tag des Jahres und ihn wenigstens

      einigermaßen gefeiert; und hatte an die gedacht, die sich jetzt in

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      Ferne seiner erinnerten, und hatte gewußt, daß sie jetzt seiner

      freundlich gedächten.

      freundlich gedächten.

      Eine große Überraschung war es für Scrooge -während er dem

      Stöhnen des Windes lauschte und darüber nachdachte, wie es

      doch schauerlich sei, durch die öde Nacht über einen

      unbekannten Abgrund dahinzugleiten, der Geheimnisse barg, so

      tief wie der Tod - eine große Überraschung war es für Scrooge

      sage ich, plötzlich ein herzliches Lachen zu vernehmen. Noch

      größer war Scrooges Überraschung, als er darin das Lachen

      seines eigenen Neffen erkannte und sich in einem hellen,

      behaglich warmen Zimmer wiederfand, während der Geist an

      seiner Seite stand und mit beifälligem, mildem Lächeln auf diesen

      Neffen herabblickte.

      »Haha!« lachte Scrooges Neffe. »Hahaha!«

      Wenn jemand durch einen sehr unwahrscheinlichen Zufall einen

      Menschen weiß, der glücklicher lachen kann als Scrooges Neffe,

      so kann ich nur sagen, ich möchte ihn auch kennenlernen. Stellt

      mich ihm vor, und ich werde mit ihm Freundschaft pflegen.

      Es ist doch eine gerechte und schöne Anordnung, daß, wie

      Krankheit und Kummer, auch in der ganzen weiten Welt nichts

      so unwiderstehlich ansteckend ist wie Lachen und Fröhlichkeit.

      Als Scrooges Neffe lachte und sich den Bauch hielt und mit dem

      Kopf wackelte und die allermerkwürdigsten Gesichter schnitt,

      lachte Scrooges Nichte so herzlich wie er. Und die versammelten

      Freunde, nicht faul, fielen in den Lachchor ein.

      Freunde, nicht faul, fielen in den Lachchor ein.

      »Haha! Haha! Haha!«

      »Er sagte, Weihnachten sei dummes Zeug, so wahr ich lebe«, rief

      Scrooges Neffe. »Und er glaubt es auch.«

      »Die Schande ist um so größer für ihn, Fred«, sagte Scrooges

      Nichte entrüstet.

      Gott segne die Frauen! Sie tun nie etwas halb. Sie sind immer in

      vollem Ernst.

      Sie war hübsch, sehr hübsch. Sie hatte ein liebliches,

      schelmisches Gesicht, einen frischen vollen Mund, der zum

      Küssen gemacht schien - wie er es ohne Zweifel auch war; al e

      Arten lieber kleiner Grübchen um das Kinn, die

      ineinanderflossen, wenn sie lachte, und das sonnenhel ste Paar

      Augen, das je erblickt werden konnte. Ja, sie war reizend,

      liebenswürdig, bezaubernd.

      »Er ist ein komischer alter Herr«, sagte Scrooges Neffe, »das ist

      wahr, und nicht so angenehm, wie er sein könnte. Doch seine

      Fehler bestrafen nur ihn selbst, und ich habe keinen Grund,

      etwas gegen ihn zu sagen.«

      »Er muß doch sehr reich sein, Fred«, meinte Scrooges Nichte.

      »Wenigstens sagst du es immer.«

      »Und wenn schon, Liebste!« sprach Scrooges Neffe.

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      »Sein Reichtum nützt ihm nichts. Er tut nichts Gutes damit. Er

      macht sich selbst nicht einmal das Leben damit angenehm. Er hat

      nicht einmal das Vergnügen zu denken - hahaha -, daß er uns am

      Ende damit eine Freude machen wird.«

      »Ich habe keine Geduld mit ihm«, bemerkte Scrooges Nichte.

      Die Schwester von Scrooges Nichte und al e die andern Damen

      waren