Название | DER WIDERSACHER |
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Автор произведения | Eberhard Weidner |
Жанр | Языкознание |
Серия | Anja Spangenberg |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750214880 |
In diesem Moment gingen die Deckenlampen in der Tiefgarage aus. Doch aus dem Fahrstuhl, dessen Tür der Mann blockiert haben musste, sodass sie noch immer offenstand, fiel weiterhin Licht auf die beiden Menschen.
Doris stöhnte vor Schmerzen und sog durch die Nase Luft ein, denn mehr war ihr nicht möglich. Sie versuchte, den Kopf herumzuwerfen, um die Hand auf ihrem Mund loszuwerden, doch der Mann ließ sie nicht los. Erneut wollte sie sich aufbäumen und ihn abwerfen, aber auch das ließ er nicht zu.
Er verstärkte den Druck auf das Messer, dessen Klinge langsam, aber unerbittlich tiefer in ihren Körper eindrang.
Der Schmerz durchfuhr ihren Körper wie ein Blitzstrahl. Es fühlte sich an, als würde sie von einem weißglühenden Eisendorn durchbohrt werden. Doris atmete keuchend und stoßweise durch die Nase.
Der Mann beugte sich noch weiter herunter, bis sein Totenschädelgesicht, auf dem ein erwartungsvolles Lächeln lag, unmittelbar über dem ihren schwebte. Dann nahm er rasch die Hand vor ihrem Gesicht, hielt ihr stattdessen mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu, öffnete den Mund ganz weit und presste schließlich seine Lippen auf ihre.
Doris hielt unwillkürlich die Luft an.
Das schien ihm nicht zu gefallen, denn augenblicklich schob er die Messerklinge ein gutes Stück weiter in sie hinein.
Vor Schmerz stieß sie die angehaltene Luft aus, die er daraufhin gierig in sich einsog.
Er nahm seinen Mund von ihrem und sagte: »Atme!«
Doris blieb nichts anderes übrig, als nach Luft zu schnappen. Kaum hatte sie das getan, presste er seinen Mund wieder auf ihren und schob das Messer erneut tiefer in ihren Körper, sodass sie gezwungen war, auszuatmen.
Der Schmerz in ihrer Brust wurde immer stärker, je tiefer sich die Klinge hineinbohrte, sodass sie sich nur noch darauf konzentrieren konnte und kaum etwas anderes wahrnahm. Deshalb bekam sie nicht mit, wie oft ihr Angreifer seine Aktion wiederholte und die Luft inhalierte, die sie ausatmete.
»Gleich ist es vorbei«, sagte er, wie ihr schien, nach einer Ewigkeit flüsternd.
Doris hätte daraufhin Todesangst empfinden müssen, doch über diesen Punkt war sie längst hinaus. Alles, was sie fühlte, war grenzenlose Erleichterung, dass die Qualen endlich ein Ende haben würden.
Schließlich explodierte der Schmerz in ihrer Brust, als er das Messer bis zum Heft hineindrückte und ihr Herz durchbohrte, und überrollte ihren Verstand wie eine lodernde Feuersbrunst.
Gierig inhalierte er ihren letzten Atemzug, bis ihre Atmung schließlich versiegte, hob den Kopf und blickte in ihre brechenden Augen.
»Ich danke dir.«
Sein Flüstern war das Letzte, was sie in dieser Welt wahrnahm. Es begleitete sie, tausendfach widerhallend, als ihr Bewusstsein in den Abgrund jenseits des Todes stürzte.
Sobald die Frau tot war, richtete sich der skelettartige Mann auf und kam auf die Beine. Er trat einen Schritt zurück und sah sich um. Während er die letzten Atemzüge seines Opfers inhaliert, sie gleichzeitig getötet und dadurch gewissermaßen ihr Leben eingeatmet hatte, war es ihm nicht möglich gewesen, auf seine Umgebung zu achten. In diesen ekstatischen Momenten war daher die Gefahr am größten, dass jemand zufällig des Weges kam und ihn auf frischer Tat überraschte. Doch er und der Leichnam der Psychiaterin waren noch immer allein in der dunklen Tiefgarage.
Erneut warf er einen Blick auf sein Opfer, das im Licht, das aus dem Fahrstuhl nach draußen fiel, so aussah, als schliefe es nur. Er war der Frau zutiefst dankbar, dass sie ihm ihre letzten Atemzüge geschenkt und sein Leben für ihn gegeben hatte, auch wenn sie es natürlich nicht freiwillig getan hatte. Doch er spürte bereits, wie es wirkte, denn er fühlte sich kraftvoller und energiegeladener als zuvor. Und der Geruch der Verwesung, der ihn seit seinem Tod umgab und in der Regel sein ständiger Begleiter war, war nicht mehr wahrnehmbar. Allerdings würde die Wirkung nicht allzu lange anhalten und den Zerfall seines toten Körpers letztendlich nur hinauszögern.
Jäh besann er sich darauf, wo er war und dass noch immer die akute Gefahr bestand, dass jemand kam und ihn am Tatort ertappte. Deshalb riss er schließlich den Blick von seinem Opfer los.
Er sah den Schweizer Dolch in seiner Hand an, an dem noch immer das Blut der Frau klebte. Rasch bückte er sich und wischte die Klinge aus Torsionsdamast an ihrem Blazer sauber. Anschließend steckte er den Dolch zurück in die Scheide, die er verborgen unter seiner Jacke trug, und holte stattdessen einen transparenten Tiefkühlbeutel heraus. Dieser enthielt einen einzigen Gegenstand, den er behutsam entnahm und unmittelbar neben der Stichwunde, die inzwischen zu bluten aufgehört hatte, auf dem Leichnam deponierte. Anschließend wandte er sich ab und trat in den Aufzug. Er beseitigte die Türblockade und drückte den Knopf fürs Erdgeschoss. Ihm war noch ein allerletzter kurzer Blick auf sein jüngstes Opfer vergönnt, bevor sich die Tür schloss und der Fahrstuhl mit einem leichten Ruck in Bewegung setzte.
Kapitel 2
Ralf Kohler wischte den Spiegel ab, der nach dem Duschen beschlagen war, und betrachtete dann sein darin leicht verschwommen sichtbares Ebenbild. Mit dem, was er sah, war er höchst zufrieden, sodass er nicht anders konnte, als breit zu grinsen. An den strahlend weißen Zähnen in seinem Gesicht mit den männlich markanten Zügen, die das Bild der Perfektion ergänzten, das er abgab, hatte sein Zahnarzt ein kleines Vermögen verdient. Kein Wunder, dass der Mann jetzt einen Porsche fuhr. Aber nach Kohlers Meinung hatte er sich das Geld redlich verdient, denn er hatte wahrhaftig hervorragende Arbeit geleistet.
Kohler hob die Arme und spannte die Muskeln an. Er wandte den Kopf zuerst nach rechts und dann nach links und betrachtete selbstgefällig seine ausgeprägten Bizepse, für deren Aufbau er nicht nur lange schweißtreibende Stunden in der Muckibude verbracht, sondern auch haufenweise Proteine und Anabolika geschluckt hatte. Doch auch das hatte sich, wie er fand, ausgezahlt.
Er entspannte seine Muskeln wieder und ließ die Arme sinken. Anschließend kehrte sein Blick zu seinem Spiegelbild zurück. Mit argwöhnischer Miene und zusammengekniffenen Augen, denn er war etwas kurzsichtig, suchte er seinen nur mit einem um die Hüften geschlungenen Badetuch bekleideten Körper nach einem Makel ab. Er konnte jedoch keinen finden. Mit einer Körpergröße von zwei Metern und zwei Zentimetern – auf die beiden Zentimeter legte er großen Wert, denn sie hoben ihn von all den gewöhnlichen Zweimetermännern ab – und dem muskulösen Körper eines durchtrainierten Bodybuilders sah er nicht nur äußerst eindrucksvoll, sondern geradezu ehrfurchtgebietend aus. So mancher hatte ihn schon mit dem jungen Arnold Schwarzenegger verglichen, auch wenn Kohler der Meinung war, dass ihm der Vergleich nicht wirklich schmeichelte, weil er viel besser aussah als Arnie zu seinen besten Zeiten.
Begegnete Kohler anderen Männern, erfüllte es ihn jedes Mal mit Genugtuung und Stolz, wenn sie nach einem ängstlichen Blick auf seine Körpergröße und enorme Muskelmasse sofort respektvoll zur Seite traten, um ihm Platz zu machen. Er liebte es, von anderen geachtet und gleichzeitig gefürchtet zu werden. Aus diesem Grund war es nur naheliegend gewesen, dass er sich nach dem Abschluss der Mittelschule bei einem Münchner Wach- und Sicherheitsdienst als Personenschützer beworben hatte. Und obwohl er keine militärische oder polizeiliche Ausbildung genossen hatte und keine einzige Form der waffenlosen Selbstverteidigung beherrschte, war er sofort eingestellt worden, denn in der Regel genügte schon sein bloßer Anblick, um andere Menschen einzuschüchtern und nicht auf dumme Gedanken kommen zu lassen.
Kohler war hauptsächlich im Personenschutz, bei Bedarf aber auch immer mal wieder als Chauffeur sowie im Objekt- und Veranstaltungsschutz tätig. Von seinen Bekannten wurde er wegen seines Jobs als Schutzengel der Reichen und Berühmten Angel genannt. Allerdings erst, als er eines Abends selbst den Namen ins Spiel gebracht hatte.
Nachdem er keinen