DER WIDERSACHER. Eberhard Weidner

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Название DER WIDERSACHER
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия Anja Spangenberg
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750214880



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      »Auch hinter diesen Fällen steckte in Wahrheit der Widersacher. Er bediente sich dabei der Hilfe des Mannes, der sich selbst Regenmann nannte.«

      Plattner nickte mit gerunzelter Stirn, als er nun die Zusammenhänge erkannte. Über den Regenmann, der nur bei Regenwetter zugeschlagen und mehrere Menschen ermordet hatte, wusste er Bescheid. Allerdings hatte er bislang natürlich nicht die wahren Hintergründe der letzten Morde dieses Mannes gekannt.

      »Am Ende tötete der Widersacher nicht nur den Regenmann, als er ihn nicht mehr benötigte«, sagte Anja, »sondern auch Kriminaloberkommissar Anton Krieger, der mir zum Haus des Regenmanns gefolgt war.«

      »Und er ermordete darüber hinaus eine Malerin und ihren Vater in Fürstenfeldbruck«, ergänzte Englmair.

      »Aus welchem Grund?«, fragte Plattner.

      »Durch ein Notizbuch meines Vaters, das meine Mutter im Auto gefunden und dann wieder vergessen hatte, stieß ich auf ein Grundstück in der Nähe von Fürstenfeldbruck, das mein Vater unmittelbar vor seinem Tod überprüft hatte. Vermutlich hatte der Widersacher das Grundstück damals gemietet und die Leichen der drei Mädchen dort vergraben. Allerdings wurden die Leichname später wieder entfernt und an einen bislang unbekannten Ort gebracht. Als ich den damaligen Eigentümer befragte, der an beginnendem Alzheimer litt und in einem Seniorenheim lebte, wurde er ermordet, während ich ihn kurz allein ließ, um Wasser zu holen. Kurze Zeit später wurde auch seine Tochter in meiner Gegenwart getötet. Allerdings gab sie mir vorher eine Fotografie, auf der vermutlich das Auto des damaligen Grundstücksmieters und ein Teil des Kennzeichens zu sehen sind.«

      »Und?«, fragte Plattner. »Hat sich mithilfe dieses Fotos eine neue Spur ergeben?«

      Anja und Englmair schüttelten gleichzeitig den Kopf.

      »Und dabei haben wir alles versucht, um den damaligen Halter des Fahrzeugs zu ermitteln«, sagte Englmair zerknirscht. »Aber es ist einfach schon zu lange her. Außerdem kennen wir nur einen Teil des Kennzeichens, was die Sache zusätzlich verkompliziert.«

      »Also seid ihr noch immer keinen Schritt weitergekommen?«

      Auch das mussten die Kollegen zähneknirschend bejahen.

      »Habt ihr dann wenigstens einen vagen Verdacht, wer es sein könnte?«

      Englmair sah Anja fragend an. Von dem Verdacht, den sie insgeheim hegte, hatte sie nicht einmal ihrem Vorgesetzten, sondern nur ihm erzählt.

      Anja seufzte, bevor sie sagte: »Ich habe tatsächlich jemanden in Verdacht. Ich ließ diese Person sogar von einem Bekannten meines Vaters, einem ehemaligen Kollegen, zeitweise überwachen. Allerdings hat diese Überwachung nichts ergeben, das meinen Verdacht erhärtet hätte, sodass ich den Namen des Mannes momentan lieber für mich behalten möchte. Schließlich kann ich mich auch täuschen, und diese Person hat nichts mit der Angelegenheit zu tun und ist unschuldig. Deshalb möchte ich sie nicht grundlos verdächtigen.«

      Bei dem Verdächtigen handelte es sich um ihren Onkel Christian Kramer. Er war unmittelbar nach der Beerdigung seines Bruders nach Südafrika ausgewandert und unmittelbar vor dem erneuten Auftauchen des Widersachers wieder nach Deutschland zurückgekehrt, was ihn in Anjas Augen verdächtig genug machte. Außerdem konnte sie sich gut vorstellen, dass ihr Vater damals beschlossen hatte, jemanden wie seinen Bruder erst zur Rede zu stellen, als er ihn in Verdacht hatte, bevor er anderen davon erzählte.

      Plattner nickte nachdenklich. Er schien den Grund für ihr Schweigen über die Identität ihres Verdächtigen nachvollziehen zu können, denn er bohrte nicht nach. Nach ein paar Augenblicken kehrte das obligatorische Grinsen auf sein Gesicht zurück. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Mannomann! Was für eine abgefahrene Scheiße.«

      Anja und Englmair mussten daraufhin ebenfalls grinsen.

      »Das kannst du laut sagen, Partner«, meinte Englmair.

      Anja nickte. »Und die Sache ist noch nicht zu Ende, denn es sieht danach aus, als hätte der Widersacher erneut einen willigen Psychopathen gefunden, der für ihn die Drecksarbeit erledigt, damit er weiter sein hinterhältiges Spielchen mit mir treiben kann. Ich hatte gehofft, er gönnt mir diesmal eine längere Pause, sodass wir eine Chance bekommen, ihm endlich auf die Schliche zu kommen. Aber er ist uns wie immer mal wieder einen Schritt voraus und treibt uns vor sich her.« Sie seufzte laut und sah sich um. »Gibt es sonst noch etwas, das ich über den Mord an der Psychiaterin wissen sollte?«

      »Da ist tatsächlich noch etwas«, sagte Englmair.

      Anja wandte den Kopf und sah ihn fragend an. »Was denn noch?« Insgeheim hatte sie allerdings bereits geahnt, dass das noch nicht alles gewesen war und Englmair noch eine Überraschung für sie parat hatte.

      »Sieh dir einfach das nächste Tatortfoto an.«

      Sie tat, was er ihr geraten hatte. Die Aufnahme zeigte die Rückseite der Visitenkarte. Darauf war ein roter Fingerabdruck zu sehen, vermutlich aus Blut. Ein derart deutlicher und vollständiger Abdruck war vermutlich der Traum jedes Kriminaltechnikers. »Wessen Abdruck ist das?«, fragte Anja, hob wieder den Kopf und sah Englmair an.

      »Das wissen wir nicht«, sagte er. »Wenn es dein Fingerabdruck wäre, hätten wir dich bereits festnehmen und in einem Verhörzimmer befragen müssen, aber er stammt definitiv nicht von dir, denn das haben wir bereits überprüft. Im Übrigen auch nicht von unserem Mordopfer, was natürlich unser zweiter Gedanke war. Und es gibt auch keine Übereinstimmung mit den gespeicherten Fingerabdrücken im AFIS.« Dabei handelt es sich um das automatisierte Fingerabdruck-Identifizierungs-System beim Bundeskriminalamt, das es der Polizei ermöglicht, unbekannte Fingerabdruckspuren mit bekannten Fingerabdrücken zu vergleichen. Im AFIS sind die Fingerabdrücke von mehr als fünf Millionen Personen und die Handflächenabdrücke von über zwei Millionen Personen gespeichert.

      »Vielleicht ist es ja der Fingerabdruck des Mörders oder Ihres mysteriösen Widersachers«, schlug Plattner vor.

      Doch Anja schüttelte entschieden den Kopf. »Das halte ich für unwahrscheinlich. Der Mörder meines Vaters würde sich vermutlich eher die Hand abhacken, als an einem Tatort einen Fingerabdruck zu hinterlassen. Und wieso sollte der Täter so etwas tun? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«

      »Von wem ist er dann?«

      Anja überlegte. »Wie ich schon sagte, liebt es der Widersacher, seine perfiden Spielchen mit uns zu treiben. Deshalb gehe ich davon aus, dass es sich auch hier wieder um eine seiner niederträchtigen Gemeinheiten handelt. Ihr solltet daher alles daransetzen, so schnell wie möglich herauszufinden, wessen Fingerabdruck das ist.« Sie sah erneut auf die oberste Fotografie des Stapels in ihren Händen. »Besteht der Abdruck tatsächlich aus Blut, oder ist das nur rote Farbe?«

      »Blut«, antwortete Englmair und fuhr, da er ihren Gedankengang und ihre nächste Frage bereits erahnte, fort: »Es handelte sich eindeutig um menschliches Blut der Gruppe A Rhesus positiv, also um die in Deutschland häufigste Blutgruppe. Das Ergebnis der DNA-Analyse steht allerdings noch aus.«

      Anja ließ sich diese Information durch den Kopf gehen.

      »Was denkst du jetzt?«, fragte Englmair.

      »Er spielt wieder mit uns«, sagte Anja nachdenklich. »Außerdem ist das hier sicherlich noch nicht alles, was Jack für uns auf Lager hat. Es ist nur die Spitze des Eisbergs, die er uns sehen lässt. Ich könnte mir daher vorstellen, dass sowohl der Fingerabdruck als auch das Blut vom nächsten Opfer stammen.«

      »Das denke ich nicht«, widersprach Englmair.

      Anja sah ihn überrascht an. »Wie kannst du dir da so sicher sein?«

      Englmair seufzte. Bevor er ihr eine Antwort gab, streckte er die Hand aus, nahm ihr den Stapel mit den Tatortfotos ab und steckte sie wieder ein. »Das wollten wir dir ohnehin als Nächstes zeigen«, sagte er dann. »Komm mit!« Damit wandte er sich ohne ein weiteres Wort um und marschierte in Richtung Tiefgaragenausfahrt.

      Anja sah Plattner fragend an. Doch der zuckte nur mit den Schultern und grinste, bevor er seinem Partner folgte. Anja blieb