Leben, mit meiner "Freundin" der Depression. Stephan Falkenstein

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Название Leben, mit meiner "Freundin" der Depression
Автор произведения Stephan Falkenstein
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783753187792



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dass mir nichts gesagt wird, was mich in eine solche Situation, in so eine Zwickmühle bringen würde. Ich hatte noch mehr Angst vor meinem Vater, als vorher schon.

      Diese Situation wurde nie aufgelöst. Ich hatte gehofft, dass sie meinem Vater die Wahrheit sagen würde, dass sie das verlangt hat, weil sie Streit hatten, weil mein Vater betrunken war. Aber das hatte sie sich nicht getraut.

      Weder mir, noch meinem Bruder wurde oft gesagt, dass wir lieb gehabt werden. Aus Respekt vor meinem Vater wurde mit den Jahren Angst. Angst etwas falsch zu machen, Angst etwas zu vergessen, ja, sogar Angst ihm zu begegnen. Ich bin ihm als Kind und später auch als Jugendlicher soweit wie möglich aus dem Weg gegangen. Ich setzte alles daran, die Schule fertig zu machen und mir einen Ausbildungsplatz zu suchen, für den ich Zuhause ausziehen müsste.

      Die Erziehungsmethode meiner Eltern bzw. meines Vaters bestand also aus Leistungsdruck. Mach was wir sagen, dann bekommst du Liebe oder besser gesagt, keine Prügel. So lernte ich immer das zu machen was meine Eltern sagten, ohne darüber nachzudenken, ohne zu lernen mir eine eigene Meinung zu bilden. Ich machte alles damit meine Eltern immer zufrieden mit mir waren. Das zieht sich bis in die heutige Zeit durch. Ja, sogar beruflich war es, mit meinem heutigen Wissen, lange Zeit präsent. Ich machte, was mir andere sagten. Wobei das nicht immer ein Nachteil war. Dazu aber später mehr.

      Für Dinge, für die ich als Kind eine um die Ohren bekommen habe, hagelt es heute verbale "Schläge". Selbst das konnte mein Vater schon gut als ich noch Zuhause gewohnt habe.

      "Du hast auch nur Kacke im Hirn", oder dass ich hirnlos sei, sind nur zwei der Sätze, die ich damals schon regelmäßig zu hören bekam. An sich nicht so sehr schlimm, aber mit dem Ton, der energischen Stimme und der Wut, mit der Regelmäßigkeit, mit denen mir diese Sätze immer wieder an den Kopf geworfen wurden, haben sie ihre Spuren hinterlassen. Und zwar, wie ich heute noch meinem Vater gegenüber trete, ihn behandle oder ich mich ihm gegenüber verhalte.

      Mein Vater sieht nur das, was ich nicht geschafft habe und hat mir bis vor zwei Jahren alles vorgehalten, was in seinen Augen alles bei mir daneben ging oder wenn ich seiner Ansicht nach erfolglos war.

      Von "Klein Manhattan" an den Stadtrand

      Wie ihr bereits wisst, begann meine Kindheit in der Südstadt, in "Klein Manhattan". Dort stehen in etwa fünf Wohnblöcke mit 17 Hauseingängen und zwei Hochhäuser.

      Ein paar Eingänge weiter gab es einen Spielplatz und eine größere Wiese. Dort gingen wir nur hin, wenn dieser nicht gerade wieder von größeren Kindern oder Jugendlichen besetzt wurde. Das war irgendwie ein unbeschriebenes Gesetz, sonst gab es was auf die Mütze.

      Die wenigen Erinnerungen die ich an diese Zeit habe sind eher unspektakulär. Als ich die ersten Male alleine raus durfte, ohne nur den Hausmüll runter zu bringen, waren diese schon negativ behaftet. Ich kannte noch keine anderen Kinder und musste erstmal alleine das Territorium erforschen. Dabei stieß ich anfangs nur all zu oft auf größere Kinder, die ständig in Gruppen unterwegs waren. Ich wurde geschubst, angespuckt oder wurde in den Bauch geboxt. Natürlich habe ich das meiner Mutter gesagt oder meinem Vater. Aber es hieß immer, dass ich mich nicht prügeln oder andere schlagen soll. Das war mir ja irgendwie einleuchtend, denn ich wusste ja, nicht nur durch die anderen Kinder, sondern durch die Erziehungsmethoden meines Vaters, wie sehr das weh tun konnte. Also ließ ich mich, wenn ich es nicht durch Verstecken oder Flucht vermeiden konnte, von den größeren verprügeln und ging dann nach Hause. So war ich in der "Klein Manhattan" Zeit ständig in der Opferrolle. Zumindest bis ich etwas größer wurde und gleichgesinnte kennen gelernt hatte. Ab da ging es dann und wir wurden nur noch selten beim Spielen von den größeren geärgert.

      In "Klein Manhattan" war auch die schlimmere Zeit, als später nach dem Umzug, was meinen Vater betrifft. Dort habe ich mehr Schläge und Prügel von ihm bezogen als nach dem Umzug.

      Mein Vater neigte immer dann zu Gewalt, wenn er betrunken war. Das war meistens freitags, wenn er nachts vom Skat kam und sonntags nach seinem Frühschoppen. Wie oft kam er zu spät oder gar nicht zum Sonntagsessen nach Hause. Und jedes Mal gab es Stress und endete damit, dass Geschirr flog oder Töpfe. Einmal hatte er das komplette Küchenregal mit einer einzigen Handbewegung abgeräumt. Meine Mutter weinte, wir Kinder weinten weil Mutti geweint hatte und Vater rum brüllte. Ich war jedes mal froh darüber, wenn er uns Kinder in Ruhe ließ und wir ohne Schläge davon kamen. Wie oft habe ich mich mit meinem Bruder still und leise in unser Zimmer zurück gezogen und gelauscht, bis unser Vater endlich ruhiger wurde und sich zum schlafen ins Wohnzimmer auf das Sofa legte.

      Dort wohnten wir, bis ich knapp neun Jahre alt war. Ich konnte die letzte Zeit dort kaum abwarten bis zum Umzug und war glücklich, dort weg zu kommen.

      Wir zogen an den westlichen Stadtrand in die vorletzte Straße, bevor der Ort zu Ende war. Hier waren die Häuser viel kleiner, die Straßen schmaler und alles kam mir viel ruhiger vor. Die einzige größere Straße war die Hauptstraße aus dem Ort raus. Die durften wir in den ersten Jahren auch nicht alleine überqueren.

      Sehr schnell haben wir hier Anschluss gefunden und andere Kinder kennen gelernt. Ohne Angst haben zu müssen oder auf der Flucht zu sein. Manchmal waren wir 14 Kinder oder mehr, ohne die Kinder aus den kinderreichen Familien in der letzten Straße im Ort.

      Wenn ich von der weiteren Erziehung meines Vaters und den Problemen auf der neuen Schule absehe, waren hier meine glücklichen Jahre meiner Kindheit. Wir waren Sommer wie Winter so oft es ging draußen. Dort konnten wir spielen und einfach frei sein. Auch wenn meine Eltern nicht alles wussten, was wir so gemacht haben, wobei ich nichts anderes machte, was andere Kinder in meinem Alter nicht auch taten, nur mit dem Unterschied, dass meine Eltern vieles anders sahen und mir nicht die Freiheit gaben, mein „Kind sein“ auszuleben. Viel zu früh musste ich vernünftiger und anständiger sein als gleichaltrige. Was nicht nur von meinem Verhalten, sondern auch von meiner Wortwahl und meinem Ausdruck her anderen Kindern und Erwachsenen schnell auffiel. Kraftausdrücke und Schimpfwörter hatte ich nicht in den Mund zu nehmen. Ich hatte ständig freundlich, höflich und zuvorkommend zu sein.

      Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie ein stilles Kind, welches immer artig auf seinem Klassenstuhl sitzt und nicht mit den anderen Kindern tobt, zankt, spielt oder Blödsinn macht, auf andere Kinder wirkt. Da war ich von Anfang an der "Andere", der Außenseiter, der Langweilige und für einige Jungs genau der Richtige, den man ärgern und aufziehen konnte.

      Nachdem ich mich vor einigen Jahren mal zufällig mit einem Kinderpsychologen unterhalten habe, weiß ich heute, dass es für Kinder und deren Entwicklung wichtig ist, auch mal altersgerechte Schimpfwörter oder Kraftausdrücke zu verwenden. Vor allem ohne das es dafür gleich einen Arschvoll bekommt. Dass sich ein Kind anderen gegenüber auch mal behauptet und das Rangeleien einfach dazu gehören.

      Selbst mit 16 Jahren war ich nicht zu alt, um nicht welche um die Ohren zu bekommen, wenn mein Vater dies für nötig hielt. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, als er mir sagte, dass ich nur nicht glauben solle, nur weil ich jetzt einen Personalausweis habe, dass ich machen könne was ich wollte und nicht mehr zu hören hätte. Auch mit 16 wäre ich ihm nicht zu alt, um mir eine zu verpassen.

      Das hört sich für euch jetzt wahrscheinlich an, als wäre ich einer dieser schwer erziehbaren Jugendlichen gewesen, der provokativ seine Eltern tyrannisieren würde, große Schnauze ihnen gegenüber gehabt hätte und draußen auf der Straße einen auf Macho machte und richtig die Sau raus gelassen hätte. Nein, davon war ich so weit entfernt, wie ein Goldfisch vom Fahrrad fahren. Ich hatte mich meinen Eltern unterzuordnen und wie ich dieses Zuhause getan hatte, so machte ich das auch in der Schule und wenn ich mich mit Freunden traf. Der nette, brave, zuvorkommende Junge der Nachbarn. So hatten mich die Leute damals beschrieben, die meine Eltern und mich kannten.

      Aus heutiger Sicht konnten sich meine Eltern damals nicht wirklich über mich oder meine Erziehbarkeit beschweren. Sie hatten mich sehr früh gebrochen, so weit, dass ich zahm war wie ein Lamm. Nur selten hatte ich mal neue Grenzen austesten wollen, was aber schon im Keim erstickt wurde und ich diese Versuche schnell wieder sein