Der Heinrich-Plan. Irene Dorfner

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Название Der Heinrich-Plan
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847647089



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Leo bemerkte, dass der Abgeordnete ihn dabei nicht ansah.

      „Die korrekte Anrede ist Dr. Meyer. Ich habe Urlaub gemacht. Ich habe einen anstrengenden Wahlkampf vor mir und nutze jede Gelegenheit, mich zu entspannen,“ sagte er an Leo gewandt. „Ich war allein. Außer mir war lediglich die Crew an Bord, die aus sieben Personen besteht. Es waren keine Gäste und auch keine Mitglieder der Familie an Bord. Ich bin auch nicht an Land und somit konnte ich mit keinem anderen Menschen in Kontakt treten. Sie fragen sich sicher, warum ich dann auf Sylt vor Anker ging?“

      Tatsächlich wollte Leo gerade das fragen, aber Meyer kam ihm zuvor.

      „Ursprünglich wollte ich an Land, habe es mir aber anders überlegt. Ich fühlte mich nicht wohl und habe mich lieber hingelegt.“

      Der Abgeordnete stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und überreichte Leo einen Zettel.

      „Hier ist die Liste meiner Crew-Mitglieder. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, würde ich mich gerne wieder meiner Arbeit zuwenden. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen konnte und Sie den weiten Weg von Ulm umsonst auf sich genommen haben.“

      Sie verabschiedeten sich und Leo bemerkte, dass er Georg zwar die Hand gab, ihn aber keines Blickes würdigte. Sie verließen das Gebäude und Leo machte sich erst einmal Luft.

      „Dieser arrogante Sack. Eins ist sicher: Dr. Meyer hat Dreck am Stecken! Der wusste genau, was wir von ihm wollten und hat sich seine Aussage schon zurecht gelegt. Die gespielte Überraschung hätte ich ihm fast abgenommen, aber nur fast. Er war mir auch zu gut vorbereitet. Meyer zog die Liste seiner Crew-Mitglieder einfach so aus dem Hut, die lag doch nicht zufällig auf seinem Tisch.“

      „Ganz deiner Meinung. Entweder er weiß was, oder er steckt mittendrin.“

      „Gut. Dann werden wir es diesem schmierigen Typen zeigen, machen wir uns an die Arbeit. Ich glaube, dass ich noch länger deine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen muss, ich bleibe noch.“

      Georg und Leo waren aus dem gleichen Holz geschnitzt und ihr Interesse war geweckt. Beide mussten nun unbedingt herausfinden, was der feine Herr Politiker mit ihrem Fall zu tun hatte. Leo informierte seinen Vorgesetzten Zeitler. Er war nicht gerade begeistert, auf Leo verzichten zu müssen. Zeitler sah eigentlich keinen Sinn darin, den Aufenthalt in Köln zu verlängern, überließ aber Leo die Entscheidung.

      9.

      Die Befragungen der Crew-Mitglieder des Abgeordneten ergab überhaupt nichts, das hatten die beiden erwartet. Die Aussagen glichen sich dermaßen, dass es sehr unwahrscheinlich war, dass sie nicht abgesprochen waren.

      „Wir haben noch eine Chance,“ sagte Leo, während sie in einem Café saßen.

      „Ich denke, ich weiß, was du meinst,“ erwiderte Georg. „Die anderen Boote?“

      „Genau. Meyer hatte behauptet, außer seiner Crew wäre er allein an Bord gewesen. Wenn wir die anderen Bootsbesitzer fragen, ob sie noch weitere Personen gesehen haben? Schließlich ist der Abgeordnete bekannt wie ein bunter Hund. Und wenn ich mir das Foto seiner Yacht anschaue, die ist auch mehr als auffällig.“

      „Das machen wir, das ist unsere einzige Chance.“

      Leos Handy klingelte, es war Anna.

      „Ich habe eben mit Tim Mahler gesprochen, um mit ihm nochmals seine Aussage durchzugehen. Wir hatten doch der Polizei Passau das Foto von Nadine Siebert zukommen lassen mit der Bitte, dass Albert Steinberger den drei Freunden und auch Herrn von Kellberg das Foto zeigt. Das ist jetzt schon vier Tage her. Ich habe nachgehakt und dabei herausgefunden, dass Steinberger den Jungs das Foto noch nicht gezeigt hat. Ich habe Tim Mahler das Foto per E-Mail zugesandt und er sagte, dass ihm das Mädchen bekannt vorkommt. Sie war mit Maximilian am Strand, er ist sich ganz sicher. Außerdem hat er sich daran erinnert, dass er auch einen Mann am Strand gesehen hat. Er kommt morgen her und wir versuchen, ein brauchbares Phantombild des Mannes zu erstellen. Er hat ihn zwar nur von weitem, nur im Dunkeln und nicht von vorn gesehen, aber besser als nichts.“ Leo spürte, dass Anna sehr verärgert war.

      „Das gibt es doch nicht. Was ist denn mit Steinberger los? Dafür muss es eine simple Erklärung geben. Vielleicht ist das Foto nicht angekommen.“

      „Doch, ist es. Das habe ich auch vermutet und habe mit der zuständigen Mitarbeiterin in Passau gesprochen. Sie kann sich genau daran erinnern, dass das Foto vor vier Tagen eingegangen ist. Und sie hat es persönlich an Albert Steinberger übergeben.“

      Leo war stinksauer. Was war da los?

      „Hat Tim gesagt, wie der Mann ungefähr ausgesehen hat?“

      „Er hat ihn, wie gesagt, nicht genau gesehen. Er hat ihn mir nur ganz grob beschrieben: Etwas älter, so circa 50 Jahre, normale Statur, normal groß – so seine bisherige Schilderung. Sehr viel mehr wird wohl nicht dabei rauskommen, aber wir versuchen es trotzdem.“

      Zumindest konnte es der Beschreibung nach nicht der Abgeordnete Meyer sein. Oder doch? Schließlich hatte Tim den Mann nicht genau erkennen können.

      „Warten wir ab, vielleicht haben wir Glück und er erinnert sich noch an ein wichtiges Detail. Ich wollte dich eben anrufen, Anna, ich habe auch etwas für dich. Der Kölner Kollege Obermaier und ich haben heute den Abgeordneten Meyer befragt und wir haben das Gefühl, dass er uns etwas verheimlicht. Er hat behauptet, er wäre nur mit seinen sieben Crew-Mitgliedern an Bord gewesen. Jetzt wollen wir die anderen Bootsinhaber nochmals befragen, ob Meyer wirklich allein war, oder ob jemand noch andere Personen auf dem Boot gesehen hat. Ich habe mich entschieden, noch ein paar Tage hier zu bleiben, mit Zeitler habe ich das schon abgesprochen. Schick bitte die Aussage per Fax an das Büro von Georg Obermaier nach Köln…“

      Georg unterbrach Leo.

      „Das mit dem Fax in mein Büro ist viel zu umständlich. Sag ihr, sie soll die Unterlagen an meine E-Mail-Adresse schicken.“ Er nannte ihm die Adresse, die er an Anna weitergab.

      „Schick die Unterlagen per E-Mail an Obermaiers Adresse. Gibt es sonst noch was Neues?“

      „Nein, sonst nichts. Ich habe Julius Bernrieder, Benjamin Aschenbrenner und die Eheleute von Kellberg nicht erreicht und somit keine E-Mail-Adressen, um ihnen das Foto zu übermitteln. Ich habe heute per Post ein Foto von Nadine Siebert mit einem Kurzbrief weggeschickt, auf Steinberger verlasse ich mich nicht mehr.“

      „Ich habe Frau von Kellberg das Foto bereits gezeigt und es ihr überlassen, aber doppelt genäht hält besser. Das hast du gut gemacht. Und jetzt ärgere dich nicht mehr, es gibt bestimmt eine simple Erklärung für Steinbergers Nachlässigkeit. Und es tut mir leid, dass ich dich mit dem ganzen Schriftkram alleine lasse.“

      „Für Steinbergers Nachlässigkeit gibt es keine Entschuldigung. Und mach dir wegen mir keine Sorgen, ich komme schon zurecht.“ Leo wusste, dass er sich auf Anna verlassen konnte und war stolz darauf, solch eine Kollegin zu haben. Das war nicht selbstverständlich.

      Kurze Zeit später waren die Unterlagen übermittelt. Nachdem die beiden die Aussagen gelesen hatten und darin keinen Hinweis auf das Boot des Abgeordneten fanden, machte Georg eine Liste mit Namen, Adressen und Telefonnummern der Bootsinhaber. Die beiden telefonierten bis spät in die Nacht mit den betreffenden Personen. Sie hatten kein Glück: Niemand hatte irgendwelche Besucher auf Meyers Boot gesehen.

      Leo hatte inzwischen bereits mehrfach versucht, Albert Steinberger in Passau zu erreichen, jedoch ohne Erfolg. Leo war stinksauer. Vielleicht wären sie jetzt schon einige Schritte weiter, wenn Steinberger das Foto von Nadine Siebert eher gezeigt hätte. Bevor er zu Bett ging, versuchte er abermals, Steinberger zu erreichen. Nichts. Der würde morgen was von ihm zu hören bekommen.

      10.

      „Tim Mahler ist tot“. Leo war sofort hellwach, als er gegen 7.00 Uhr noch schlaftrunken an sein Handy ging und Anna ihm diese schreckliche Nachricht mitteilte.

      „Was?