Simons Weg. Helmut G Götz

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Название Simons Weg
Автор произведения Helmut G Götz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753188737



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wurden.

      Als sie Simon das erste Mal in ihren Armen halten durfte, war sie hin und hergerissen zwischen dem Wunsch ihn so fest wie nur irgend möglich an sich zu drücken und ihn gleichzeitig so vorsichtig zu halten wie es gerade noch ging. Die Zerbrechlichkeit, die Simon Zeit seines Lebens beibehalten sollte, erlaubten es nicht anders. Mit gerade einmal 2100 Gramm, Armen und Beinen die so zart schienen wie feinstes Porzellan und eine Haut die so durchsichtig war, dass selbst die feinsten Äderchen durchschienen, ließen Claudias mütterlichen Drang ihn fester zu drücken – so schwer es ihr auch fiel – auf ein Späteres verschieben. Ungleich anderen Müttern, wollte sie von den Ärzten - welche alle erdenklichen Untersuchungen an Simon durchführten – garantiert bekommen, dass alles mit ihm stimmte.

      Es fehlte nicht viel und sie hätte darauf bestanden, selbst bei allen dabei zu sein. Der Grund dafür, waren die Äußerungen des Kinderarztes – dessen Namen sie ebenso wenig behalten hatte – der meinte, dass es aufgrund der Probleme, die es bei der Geburt gegeben hatte, sich negativ auf die Entwicklung Simons, auswirken könnten. Äußerungen, die wenig dazu beitrugen, die Befürchtungen, an denen alle frisch gebackenen Mütter leiden, abzuschwächen. Doch, wie sich herausstellte, schienen sich die Befürchtungen des Arztes, wenigstens im Moment, nicht zu bestätigen.

      Als ihr derselbe, völlig unnötigerweise empfahl, dennoch keine der Vorsorgeuntersuchungen zu versäumen, nahm sie sich vor, dessen Namen – sollte er ihr entgegen aller Erwartungen wieder einzufallen - aus ihrem Gedächtnis zu streichen.

      Eine Woche nach der Geburt, verließ sie mit Simon die Klinik.

      Ihre Eltern, die bereits um sieben Uhr morgens in der Tür standen, hatten ihr Wort gehalten, und fuhren sie nach Hause. Schließlich und ohne das Opi einen veritablen Unfall gebaut hatte, erreichten sie schließlich ihr bescheidenes Häuschen. Erholung war in Sicht! Simon, der die ganze Fahrt über quengelig war, schien die Ruhe und den Frieden des Hauses zu fühlen und begann sich fast augenblicklich zu beruhigen. Kaum, dass sie das Haus betreten hatte, machten sich ihre Eltern daran ihr alles abzunehmen, dass in irgendeiner Form, nach Arbeit aussah. So hatte ihre Mutter bereits für eine ganze Woche im Voraus gekocht. Etwas, wofür sie mehr als dankbar war. Zählten ihre eigenen Kochkünste doch nicht gerade zu den Fähigkeiten, die sie und andere zu den ausgeprägtesten hielten. Nachdem ihre Mutter, die Essenspakete, alle säuberlich in Tupperware verpackt, in den Kühlschrank gestellt hatte, machte sie sich umgehend daran, die liegengebliebene Wäsche in die Maschine zu packen und das ebenerdige Haus nochmals mit dem Staubsauger von Staub und ähnlichem zu befreien. Ihr Vater hatte sich des vertrockneten Gartens angenommen und die Laubtonne geleert, in welcher sich kaum so viel Gartenabfall befand, dass es der Rede wert war. Hätte Claudia der Umtriebigkeit ihrer Eltern keinen Einhalt geboten, hätten diese es sich nicht nehmen lassen, ihr beim Umziehen zu helfen.

      Schließlich gelang es ihr unter Aufbringung der letzten Energiereserven, ihre Eltern davon zu überzeugen, dass sie allein klarkommen würde. So sehr sich das schlechte Gewissen auch Zutritt zu ihrem Gehirn verschaffen wollte. Sie wollte nur mehr eines. Ruhe! Nach den Tagen in der Klinik, die vollgepflastert waren mit Untersuchungen, Sorgen und dem ständigen Kommen und Gehen, stand ihr nur mehr der Sinn, mit ihrem Sohn eine Zeit der Ruhe und des Friedens, zu genießen.

      Simon jedoch, hatte anderes vor. Kaum waren ihre Eltern aus dem Haus, meldete er sich zu Wort, und begann aus Leibeskräften zu schreien.

      Nie hätte sie gedacht, dass er in all seiner Gebrechlichkeit, derartige schrille und laute Töne von sich geben könnte. Erst nach mehreren Anläufen und unter Aufbringung sämtlicher Tricks, ließ er sich von ihr die Brust geben. Nachdem sie ihn gestillt und kurz darauf gewickelt hatte, schlief er auch schon wieder ein. Claudia, von den Strapazen der letzten Tage mitgenommen, gönnte sich eine Verschnaufpause. Auf die Couch des Wohnzimmers gelegt, das linke Ohr mit einem Kopfhörer bedacht, döste sie alsbald ein. Doch die Ruhe, die sich so plötzlich eingestellt hatte, währte nicht lange. Nach einer Stunde meldete sich Simon erneut. Auch diesmal mit Gebrüll. Erschrocken fuhr sie hoch, holte ihn aus seinem Bettchen und legte ihn sich auf die Schulter. „Was hast du denn mein Süßer“, fragte sie ihn, hin und her tragend. Dass schien zu wirken. Langsam beruhigte er sich wieder. Nach dem letzten Füttern des Tages und nachdem sie ihn gewaschen und eine neue Windelhose gegeben hatte, legte sie ihn zum Schlafen für die Nacht nieder. Nicht wissend, dass dies eine lange Reihe von ganz besonderen Nächten werden würde.

      Nächte, in denen Simon bewies, dass er, Zerbrechlichkeit hin und her, über ein scheinbar endloses Energiereservoir verfügte. Und ein solches musste er haben, denn sein Schreien schien mit jedem Mal an Intensität zuzunehmen. Nach gut drei Wochen, Claudia hatte in keiner Nacht kaum mehr als vier Stunden geschlafen, vereinbarte sie zwischen den üblichen Kontroll-Terminen, einen Extratermin bei ihrem Kinderarzt.

      Claudia kam mit Simon in die Praxis und fand den Wartesaal leer vor. Die Sprechstundenhilfe sah von ihrer Arbeit auf und begrüßte sie mit einem Lächeln. „Guten Morgen Frau Stahlheimer“, sagte sie und hielt ihr die Hand zur Begrüßung hin. „Und da ist ja der liebe Simon wieder!“ Claudia, die das Gefühl hatte, dass ihre Augenlider sich in Kinn Höhe befanden, brachte ein Lächeln zusammen, dass als solches, wie sie hoffte, zu erkennen wäre. „Ich sage Herrn Doktor Breitner gleich Bescheid das sie da sind! Es dauert sicher nur einen Moment“, wonach sie hinter ihren Schreibtisch zurückging.

      Keine zwei Minuten später befand sich Claudia mit Simon am Arm im Ordinationszimmer des Kinderarztes. „Guten Morgen Frau Stahlheimer“, begrüßte er sie. „Und da haben wir ihn ja“, meinte er lächelnd, während er sich zu Simon hinunter beugte. Dr. Breitner nahm mit seiner Hand ein wenig die Decke zurück, die Claudia um Simon gelegt hatte, um einen besseren Blick auf ihn zu haben. „Na junger Mann“, sagte er. „Dir scheint es aber gut zu gehen.

      „Und wer fragt mich wie es mir geht“, gestattete sich Claudia zu denken, die sich, kaum dass sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, sich für den Anflug an Selbstmitleid, zu schämen begann.

      „Legen sie ihn doch bitte hier oben hin“, bat er Claudia und wies auf eine gepolsterte Liege.

      Sie folgte seiner Bitte. Dr. Breitner trat einen Schritt an die Liege heran, schlug die Decke zur Seite und knöpfte Simons Strampler auf.

      Er nahm sein Stethoskop zur Hand, hauchte es mit seinem Atem etwas an und legte es auf Simons Brust. Nach ein paar Sekunden ließ er ein ominöses „Hmm“ hören.

      „Der Herzschlag des kleinen Mannes scheint in Ordnung zu sein“, sagte er nur ohne den Blick von Simon zu nehmen. „Können sie ihn bitte einmal kurz hochnehmen, damit ich seine Lungen abhören kann“, forderte er Claudia auf. Dr. Breitner zog Simons Strampler am Rücken nach oben und hörte seine Lungen ab. Auch in Ordnung.“ Worauf er sein Stethoskop wieder, in typischer Arztmanier über die Schultern schwang. „Sie haben gesagt, dass er alle zwei, drei Stunden wach wird und zu schreien beginnt“, fragte er Claudia über den Rand seiner Bille hinweg. „Ja. Und zwar so heftig, dass es kaum auszuhalten ist.“ Ich weiß schon nicht mehr, was ich machen soll.“ Dr. Breitner schien zu überlegen. „Legen sie ihn doch bitte noch einmal hin“, forderte er Claudia auf, die tat, worum er sie bat. Der zog daraufhin eine kleine Stabtaschenlampe aus seiner Brusttasche und begann in die Augen Simons zu leuchten.

      Claudia kam es vor, als würde dieser Schritt, viel zu langer dauern. Schließlich schob der Arzt jeweils einen Finger zwischen die zarten Finger Simons. Etwas, dass Simon, nicht zum Anlass nehmen wollte, um danach zu greifen. Als Claudia ihre Ungeduld, nicht mehr zu zügeln wusste, fragte sie den Arzt: „Ist etwas mit seinen Augen, oder seinen Armen?“

      Dr. Breitner steckte die kleine Lampe wieder zurück in seine Brusttasche und sagte: „Mit dem Herzen und den Lungen scheint wie gesagt, alles in Ordnung zu sein.“ „Hat es Komplikationen während der Geburt gegeben“, wollte er von ihr wissen. Irgendetwas in seinen Augen drückte Besorgnis aus. Angesichts der Tatsache, dass sie in den vergangenen zwei Wochen, kaum ein Auge zugetan hatte, konnte sie aber nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sie richtig lag. „Na ja“ setzte Claudia an. „Wie sie wissen, sind eine Zeit lang keine Wehen mehr gekommen und zwischendurch wollte der Entbindungsarzt schon einen Kaiserschnitt vornehmen, weil es ihm zu