Blaues Feuer. Thomas Hoffmann

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Название Blaues Feuer
Автор произведения Thomas Hoffmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748598398



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Blick zu.

       Du weißt es doch selber besser!

      Hans Lederers Miene blieb hart. „Kein Wort mehr, Norbert!“

      Grete kam zu Leika, um sich von ihr Rat zu holen wegen Wanda. Der Säugling wollte nicht wachsen. Wanda schrie nahezu ununterbrochen mit hochrotem Gesicht. Aber auch Leika wusste Grete und ihrem Kind nicht zu helfen.

      Es war Gerlinde Hüttner, die als erste raunte, Gretes Säugling sei ein Götterkind. Bald wurde es in der gesamten Siedlung hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Oliver ging herum wie gelähmt. Grete klammerte ihr Töchterchen schluchzend an sich. Sie kam nicht mehr aus der Hütte, versteckte sich und ihr Kind vor allen außer Oliver.

      Den einen Nachmittag, als er von den Feldnersohns kam, traf Norbert Leika allein in der Wohnküche an. Er verstaute Bogen und Köcher bei seinen Sachen unter der Schlafstätte und setzte sich mit knurrendem Magen zu ihr an die Herdstelle.

      „Leika, was ist ein Götterkind?“

      Sie blickte kurz auf, dann machte sie eine zornige Handbewegung und widmete sich wieder dem Putzen des Gemüses für den Abendimbiss. Es waren nur wenige verschrumpelte Möhren, die in der Schüssel schwammen.

      „Aberglaube!“

      „Alle reden darüber, Leika. Was soll das sein, ein Götterkind?“

      „Hör nicht hin. Sie hören auch wieder auf, davon zu reden.“

      Mehr war aus ihr nicht herauszubekommen.

      Maja klärte ihn auf. Er hatte sie am Abend von der Feldarbeit abgeholt und die beiden gingen gemeinsam zum Dorf zurück.

      „Alle reden davon, Gretes Kind sei ein Götterkind, aber niemand will etwas darüber sagen, was das bedeuten soll.“

      Maja blieb stehen und sah Norbert scheu an aus ihren braunen Augen, die er so liebte.

      „Weißt du‘s denn nicht?“ flüsterte sie.

      „Woher soll ich es denn wissen, wenn es mir keiner erklärt?“

      Sie rieb sich Erde von den Händen.

      Stockend meinte sie: „Die... die Götterkinder sind nicht wie die anderen Kinder, die geboren werden. Mutter hat es mir erklärt. Sie werden geboren, weil...“

      Maja blickte zu Boden, während sie hauchte: „Weil sie zu den Göttern zurückwollen, von denen sie gesandt sind. Sie wollen nicht bei uns auf der Erde leben, wie andere Kinder. Deshalb sind sie so anders und wachsen nicht richtig.“

      Norbert begriff nicht. „Wie – wollen nicht bei uns auf der Erde leben?“

      Er wunderte sich, warum Maja Tränen in den Augen hatte.

      „Bert... Weißt du denn nicht, was mit ihnen geschieht?“

      Es traf ihn wie ein Schlag. „Was?“

      „Sie müssen geopfert werden – den Göttern.“ Sie hauchte es kaum hörbar.

      Es dauerte eine Weile, bis Norbert seine Sprache wiederfand. Er griff Maja an den Schultern.

      „Aber du glaubst das nicht, oder? Du würdest so was nie mitmachen, nicht wahr?“

      Mit bebenden Lippen wandte sie sich zur Seite.

      „Wenn die Götter es doch fordern – Wenn es doch ihr Wille ist...“

      Norbert konnte nicht mehr an sich halten.

      „Das ist nicht der Wille der Götter!“ schrie er Maja an. „Götter, die so was wollen, gibt es nicht! Nur die Dämonen fressen Menschen! Und die helfen uns nicht, niemals!“

      Maja hielt sich mit beiden Händen den Mund. Entsetzt starrte sie ihren Freund an. Ein stummes Schluchzen schüttelte sie.

      Atemlos redete Norbert auf sie ein: „Wenn die das machen, gehen wir weg, Maja! In Altenweil gibt es einen Gelehrten, der würde mich in die Lehre nehmen. Wir...“

      Mit einem Aufschrei fiel sie ihm ins Wort: „Bert! Rede nicht so! Wir sind Siedler! Wir dürfen nicht gehen. Der Fluch!“

      „Ich hab keinen Schwur getan! Und außerdem würd‘ ich ja später wiederkommen. Und dann töte ich die schwarze Dämonendame!“

      Sie weinte an ihn geklammert. Wieder und wieder schüttelte sie den Kopf.

      Norberts Herz raste, aber er konnte nicht anders, er schleuderte es ihr noch einmal entgegen: „Wenn die das tun, gehe ich!“

      Lange hielten die beiden sich umschlungen.

      Endlich flüsterte sie ihm ins Ohr: „Bleib heute Abend da, Bert, mein liebster Bert! Wir wollen zusammen auf meinem Lager schlafen. Wenn wir uns nur lieb haben, können wir das alles überstehen!“

      Norbert nickte. Aber in seinem Innern schwärte eine Wut, die er lange nicht mehr gespürt, die er längst vergessen geglaubt hatte.

      ***

      Das Gerede über Wanda hörte nicht auf. Als der Zeitpunkt des Frühlingsopfers näher rückte, wurde es nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand gesagt. Die Männer bestätigten es einander offen, wenn die Vorbereitungen des Frühlingsopfers zur Sprache kamen.

      „Sie ist ein Götterkind!“

      Oliver und Grete verbargen sich in ihrer Hütte. Auch zur Feldarbeit ließ Oliver sich nicht mehr blicken. Aber es fragte auch niemand nach ihm oder Grete.

      Bei den Feldnersohns versuchte Norbert ein paar Mal, das Thema anzusprechen, das ihm so ungeheuerlich vorkam. Aber jedes Mal verbot Björn ihm, darüber zu reden. Eine bedrückende Stille herrschte an diesen Abenden in Björn Feldnersohns Wohnküche, in der sonst auch in dieser Notzeit noch so häufig geplaudert und gesungen wurde.

      „Es ist ein schlimmes Jahr,“ sagte Majas Großmutter dann mit ihrer brüchigen, drohend klingenden Stimme. „Wir müssen den Fluch lösen, mit dem die Götter uns belegt haben für unsere Sünden.“

      Maja nahm Norbert bei diesen Worten fest an der Hand und sah ihn flehend an. Aber er spürte nur die Wut, die hinter seinen Augen brannte.

      ***

      Es war drei Tage vor dem Frühlingsopfer, die Blumenkränze waren geflochten und von den wenigen Feldfrüchten, die die Hofgemeinschaft hatte, waren die besten beiseitegelegt. Norbert war zum Abendimbiss am Hof seines Vaters.

      Mit nur ganz leicht zitternder Stimme erklärte Norberts Mutter: „Zum Frühlingsopfer geben wir die Wanda den Göttern zurück. Wir bringen sie der schwarzen Dame. Dann wird der Segen wiederkommen.“

      Norbert hatte geahnt, dass es kommen würde. Insgeheim hatte er darauf gewartet. Obwohl sein Herz zu rasen begann, stand er auf. Alle starrten ihn an. Hans Lederer richtete sich ebenfalls auf, aber als Norbert ihm mit bleichem Gesicht in die Augen sah, schwieg er, anstatt zu tadeln. Norbert ging geradewegs auf den Vater zu. Seine Fäuste ballten sich von ganz allein.

      Er wusste nicht, ob seine Stimme vor Angst oder vor Wut zitterte, als er hervorstieß: „Sag ihnen, dass es nicht geschehen wird!“

      Leika versuchte, ihn festzuhalten, aber er wich ihr aus, ging bebend vor Wut und Angst auf den Vater zu.

      „Sag ihnen, dass es nie, niemals geschehen wird! Wir geben die Wanda nicht der schwarzen Dame zu fressen!“

      Er hörte die Mutter schreien, auch Lene schrie. Hans Lederer stand mühsam auf, als hätte er eine schwere Last zu tragen. Der Vater war über einen Kopf größer als sein fünfzehnjähriger Sohn.

      „Norbert, setz dich hin. Iss dein Essen und halt den Mund.“ Es hörte sich müde an.

      „Nein!“ schrie Norbert mit geballten Fäusten. „Nein, das lasse ich nicht zu! Sag ihnen, dass es Lüge ist! Die schwarze Dame ist ein...“

      Mitten in das Durcheinander am Tisch brüllte der Vater: „Halt dein