Mörderwelt. Wolfgang Quest

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Название Mörderwelt
Автор произведения Wolfgang Quest
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753193342



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      Zu viele Schritte.

      Er wandte mich um. Im gleichen Moment schlug der Blitz ein. Er taumelte nach vorne, als ihn ein zweiter Schlag traf. Er stürzte auf den Couchtisch, der samt Gläser scheppernd unter ihm zusammenbrach. Sein letzter Gedanke: Baranoff braucht neue Cognac-Schwenker. Als er aufwachte, lag er mit dem Rücken auf dem Boden, zwei Schwarze mit der Statur von Preisboxern standen über ihm. Der eine trug eine dunkle Brille mit hellem Horn Rand, der andere geflochtenen Rasta-Zöpfchen und ein gestutztes Kinnbärtchen. Der Brillenmann zog Paulsen am Hemdkragen hoch und schüttelte ihn.

      „Das war erst der Anfang, Motherfucker.“

      „Ich bin nur zu Besuch hier.“

      „Wir auch. Für wen arbeitest du?“

      „Regio TV.“

      Die beiden blickten verständnislos.

      „Ich bin Reporter.“

      Der Brillenmann öffnete seine Pranke und ließ Paulsen fallen. Den Tritt in seine Rippen verstand Paulsen als Aufforderung, es zu beweisen. Er fummelte den Presseausweis aus der Tasche und hielt ihn hoch. Der Brillenmann riss die Plastikkarte an sich, betrachtete sie von allen Seiten, zeigte sie dann seinem Kumpan.

      „Fuck!“

      Der mit dem Ziegenbart knallte Paulsen den Ausweis auf den Bauch. Dann stürmten die beiden hinaus. Paulsen rappelte sich auf und schleppte sich zum Sessel. Mit wummerndem Schädel saß er da, bis Baranoff, die Arme voll Flaschen, fröhlich pfeifend hereinkam.

      „Nachschub gesichert … Was denn hier los?“ Er blickte auf den zusammengeknickten Couchtisch und die zerbrochenen Gläser.

      Paulsen rieb sich die schmerzenden Rippen. „Hab’ gedacht, ich renoviere mal ’n bisschen.“

      „Was ist passiert?“

      „’ne Strafexpedition, die den Falschen getroffen hat.“

      Paulsen berichtete kurz, was geschehen war.

      „Ich vermute mal, die wollten zu Ihnen.“

      Baranoff ließ sich auf die Couch fallen. „Zwei Schwarze?“ Er dachte nach.

      „Verdammt, das waren die Nigerianer.“

      „Welche Nigerianer?“

      „Fayola stammt aus Nigeria.“

      „Und was wollten die beiden von Ihnen?“

      „Keine Ahnung. Muss ’ne Verwechslung sein.“ Er öffnete eine Flasche und nahm einen langen Schluck.

      Paulsen fand, es war an der Zeit, Tacheles zu reden. „Vielleicht eine Verwechslung wie bei den Passfotos?“

      Baranoff setzte die Flasche ab. „Was für Passfotos?“

      „Die Fotos, die Sie dem Meffert unterschieben wollten. Nur Pech, dass ich sie schon gesehen habe, und zwar gestern, bei Ihnen unterm Bett.“

      Baranoff glotzte ihn an, als brauchte er eine Weile, bis die Worte in sein Gehirn gedrungen waren. Dann stieß er hervor: „Du hast in meiner Wohnung geschnüffelt?“

      „Ja, als Sie vollgesoffen am Boden lagen. Ich habe die Fotos zufällig entdeckt.

      Was hatten Sie mit dem Mädchen zu tun? Los, raus damit.“

      „Nichts.“

      Paulsen stand auf. „Na schön. Vielleicht kann die Polizei mit der Information was anfangen.“

      Er ging zur Tür.

      „Warte! Mach keinen Fehler! Setz dich!“

      Paulsen tat es.

      „Aber jetzt mal hoppla. Warum hatte sich das Mädchen hier einquartiert?“

      Baranoff zögerte, dann gab er nach. „Sie hat sich hier versteckt. Sie ist auf’n Strich gegangen und wollte aussteigen.“

      „Woher kannten Sie Fayola?“

      „Vom Grünen Weg. Da habe ich sie mal an Bord genommen. Gerade als es losgehen soll, fängt sie an zu heulen. Ich hab’ nachgehakt, und es kam heraus, dass sie nicht freiwillig auf den Strich ging. Sie hat erzählt, sie sei nach Deutschland verschleppt worden und müsste, was weiß ich, wie viel Tausende abarbeiten, allein an Reisekosten. Irgendwann habe sie angefangen, von der Kohle, die sie verdient hat, was abzuzweigen. Damit wollte sie zurück nach Afrika.“

      Er machte eine Pause und blickte Paulsen an, als wolle er sehen, wie seine Worte auf ihn wirkten. Paulsen war sich nicht sicher, ob er ihm glauben sollte.

      „Ich habe angeboten, ihr zu helfen“, fuhr Baranoff fort. „Ich wollte mich um das ganze Drumherum kümmern.“

      „Klingt edel.“

      „Was heißt edel. War ja ein nettes Mädchen. Sie tat mir leid. Da habe ich sie hier untergebracht und angefangen, meine Fühler auszustrecken wegen neuen Papieren und so weiter.“ Er öffnete eine neue Flasche. „Tja, hätte ich mal besser sein gelassen. Dann hätte sich der andere die Finger dran verbrannt.“

      „Welcher andere?“

      „Sie hatte noch einen an der Hand, der ihr helfen wollte. Aber der hat sich auf einmal nicht mehr gemeldet, das hat sie wenigstens erzählt, tja, und da bin ich Idiot eben eingesprungen.“

      Dass er ihr so selbstlos hatte helfen wollen, klang unwahrscheinlich. Paulsen wollte aber nicht ungerecht sein, vielleicht steckte in dem groben Klotz tatsächlich ein weiches Herz.

      „Wenn alles abgelaufen ist, wie Sie mir weismachen wollen“, sagte Paulsen, „dann gehe ich davon aus, dass Sie es waren, der das Polizeisiegel aufgerissen hat.“

      Baranoff schwieg bockig

      „Was haben Sie in ihrem Zimmer gesucht?“

      Baranoff überlegte, dann gab er sich einen Ruck. „Mein Handy. Ich hatte ihr ein altes von mir gegeben, damit wir jederzeit Kontakt halten konnten. Wäre nicht so gut gewesen, wenn man das Handy bei ihr gefunden hätte. Die Bullen hätten mich sofort am Arsch gehabt.“

      „Fayola hat Ihr Handy also eine Zeitlang benutzt. Haben Sie die Telefongespräche überprüft?“

      „Logisch.“

      „Und?“

      „Was und?“ Baranoff bückte sich und begann, die zerbrochenen Reste der Cognacschwenker aufzusammeln.

      „Hat Fayola außer mit Ihnen noch mit anderen telefoniert oder Anrufe erhalten?“

      Baranoff tat beschäftigt und probierte, welche Scherben zueinander passten, als wollte er die Gläser wieder zusammensetzen.

      „Wie? Ach so, nein, ich hab’ den Pin-Code vergessen.“

      „Das heißt, Sie haben die Anruferliste noch gar nicht gecheckt?“

      „Wie denn ohne Pin-Code? Aber ich finde ihn bestimmt noch. Irgendwo hab’ ich ihn notiert.“

      Sie schwiegen eine Weile.

      „Und was wollte Ihrer Meinung nach das Rollkommando aus Nigeria?“

      „Das waren Fayolas Zuhälter, garantiert. Die glauben wahrscheinlich, ich hätte sie abgemurkst.“

      „Oder die wollten Ihnen ’ne Abreibung verpassen, weil Sie ihr geholfen haben unterzutauchen.“

      Baranoff dachte nach. „Aber woher wussten die, dass Fayola sich hier versteckt hat?“

      „Der Mord an dem nigerianischen Mädchen stand überall in den Zeitungen.“

      Baranoffs Mine verdüsterte sich. „Wenn es tatsächlich ihre Zuhälter waren, dann wäre ja auch der Klinkenputzer aus dem Schneider.“

      „Meffert?“

      Baranoff nickte.

      „Noch ist das ja alles nur Spekulation“,