Paradies am Teich. Jörn Holtz

Читать онлайн.
Название Paradies am Teich
Автор произведения Jörn Holtz
Жанр Языкознание
Серия Metamour
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754179802



Скачать книгу

über kritisch beobachtet hatte. „Und, wie ist Gisela das Tofu suteiki gelungen?“

      „Also,“, streckte er seinen Rücken durch und legte das Besteck zu Seite, ehe sein Blick zwischen Anne und Lotta hin und her wanderte, „zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich angenehm überrascht bin. Der Geschmack ist echt lecker, nur,“, stockte er, wobei er seinen Kopf abwägend hin und her wiegte, „ist die Konsistenz, sagen wir mal so, schon etwas anders. Doch die Pilze hier, also die sind große Klasse. Nur fehlen mir ehrlich gesagt ein paar Pommes, dann wäre dies Gericht nahezu perfekt!“

      „Am besten mit Ketchup, oder?“, wanderte Lottas Finger wieder vor seinen Augen hin und her. „Ach Ole, die Pilze sind doch ganz wunderbare Kohlehydratspender. Da braucht man doch keine vor Fett triefenden und krebserregenden Pommes, sowie Zucker mit Tomatensoße.“

      „Ja, ist ja schon okay, Botschaft angekommen!“, lächelte er sie vordergründig an. „Ich soll dich übrigens von Sophia grüßen. Sie freut sich schon auf Dienstagabend und da frage ich mich doch: Was genau findet am Dienstagabend statt?“, sah er sie neugierig an.

      „Oh wie schön, du hast Sophia getroffen“, strahlte Lotta ihn an, bevor sich ihre Stirn nachdenklich in Falten legte. „Ach ja, am Dienstag ist ja schon Vollmond. Oh Belisama, wie konnte ich nur deinen Ehrentag vergessen!“

      Apologie

      Trotz der nur knapp 4 KM Wegstrecke war er etwas dehydriert und hatte einen staubigen Geschmack im Mund, als Martin in seine neue Stammkneipe direkt unten an der Hafenpromenade der Playa de la Calera einkehrte.

      „¡Holà Martin!“, begrüßte ihn die Barkeeperin freundlich, während sie sich ihre langen Dreadlocks aus dem Gesicht schüttelte.

      „¡Holà Roswita“, grüßte er erschöpft zurück und setzte sich wenig elegant auf einen der Barhocker direkt am Tresen. „Ein Bier bitte!“, sagte er lächelnd, wobei er erleichtert ausatmete.

      „Gerne und so wie du ausschaust, möchtest du bestimmt ein großes?“, hielt sie demonstrativ einen halben Liter Humpen hoch in die Luft.

      „Ja gerne, denn ich denke, den habe ich mir heute nun wirklich verdient!“, nahm er seine modische Hornbrille ab und befreite diese kurz mit Hilfe seines T-Shirts vom Staub der Straße.

      „Und wieso hast du es dir verdient?“, fragte sie professionell höflich, während sie den Zapfhahn betätigte.

      „Hm?“, sah er überrascht hoch, als er seine Brille wieder aufsetzte. Dabei dachte er kurz über ihre Frage nach, wobei er bemerkte, dass dies bis jetzt doch kein so toller Tag gewesen war. Denn, nachdem das Trio gestern Abend endlich gegangen war, hatte er sich ausführlich darüber geärgert, dass er aufgrund der fortgeschrittenen Stunde nicht mehr schwimmen konnte. So war er erst eine gefühlte Ewigkeit später in einen nur leichten Schlaf gefallen, aus dem er jedoch immer wieder hochschreckte. Denn seine Träume wurden beherrscht von Anne, die darin immer wieder lächelnd und so wie Gott sie geschaffen hatte, auf ihn zugelaufen kam. Doch jedes Mal, wenn er ihren perfekten Körper gerade in seine Arme schließen wollte, stoppte sie direkt vor ihm ab, sah ihn entsetzt an und übergab sich zu seinen Füßen. Weswegen er heute Morgen oder eher am frühen Nachmittag eine Ewigkeit gebraucht hatte, um aufzustehen und sich anzuziehen.

      „Na ja, aber immerhin bin ich heute erneut nicht von euren alten Kackfelsen gesprungen“, sah er verlegen zu Roswita hoch, wobei er versuchte die Flüssigkeit in seinen Tränenkanälen zurückzudrängen, die immer dann nach außen drängte, wenn er sich seines wenig perfekten Körpers bewusstwurde. „Das ist doch schon mal was, oder?“, fügte er etwas später leise hinzu.

      „Ja okay, das ist doch schon mal was! Hast du denn dieses Mal wenigstens oben draufgestanden?“, lächelte sie ihn milde an, während sie das frisch gezapfte Bier vor ihm auf den Tresen abstellte.

      „Hm, mehr oder weniger!“, grämte er sich weiterhin, ehe er einen großen Schluck nahm, ohne ihr den Spruch übel zu nehmen. „Du weißt ja, das ist gar nicht so einfach für mich!“

      „Ach Seemann, hör endlich auf zu jammern! Das hätte doch auch viel schlimmer kommen können.“

      „Ja, aber wie denn?“, sah er sie ungläubig an, wobei er den mittlerweile fast leeren Humpen wenig gefühlvoll auf den Tresen abstellte. „Immerhin habe ich doch, wie du weißt, alles verloren! Also von daher…“

      „Wirklich alles?“, fiel sie ihm unsanft ins Wort, während sie ihn streng ansah. „Na, nun hör aber mal auf! Immerhin bist du doch gerade eben aufrecht durch meine Tür gekommen, oder?“, ergriff sie das Bierglas und füllte es erneut auf. „Und dieses hier geht aufs Haus!“, stellte sie das Glas ebenfalls schwungvoll auf den Tresen zurück, so dass die Schaumkrone am Rand des Glases herunterlief.

      Beltane

      Beltane ist ein Fest des Feuers, der Blumen und der Liebe und es trennt seit jeher das Sommerhalbjahr vom Winterhalbjahr. Ab Beltane beginnt endlich die helle Jahreshälfte. Vor Urzeiten feierten die Menschen diesen Tag, weil sie und das Vieh endlich ihre düstere und oftmals stickige Behausung verlassen konnten und sich das Leben endlich wieder in Freien abspielte.

      Auf La Gomera diesen alten heidnischen Feiertag zu feiern, ist eigentlich ein Widerspruch in sich, herrschte doch auf dieser gesegneten Insel das ganze Jahr über frühlingshafte Temperaturen. Dennoch feierten die Senoras del la Luna llena, wie sich Lotta und einige ihrer Freundinnen selbst nannten, diesen besonderen Tag, den 5. Vollmond nach dem Julfest, jedes Jahr.

      Ole war sichtlich enttäuscht, als Lotta ihm eröffnet hatte, dass die Männer ihres Clans an diesem besonderen Abend traditionell erst die Häuser und Stallungen mit frischem Grün schmückten, bevor sie bis tief in die Nacht Doppelkopf spielten, um sich über den frauenfreien Abend, sowie über den größten Teil der Nacht, hinwegzuhelfen. Was die Frauen des Clans währenddessen trieben, darüber schwieg sie sich jedoch beharrlich aus. So stellte dieser alte Festtag eine doppelte Bestrafung für ihn dar. Zum einen mochte er dieses Kartenspiel nicht mehr, seitdem er es jahrelang während seiner Bundeswehrzeit jeden Tag in der Mittagspause gespielt hatte. Zum anderen war es das erste Mal, dass Lotta etwas nicht erzählen wollte, was, im Zusammenhang mit diesem speziellen Datum, seine Fantasie ordentlich anregte. Denn dieses Datum brachte er dank Goethes Faust bis jetzt nur mit der Walpurgisnacht in Verbindung. Zwar wusste er über diesen höchsten Feiertag der Hexen nicht viel. Dennoch sendete ihm sein Kopfkino immer wieder Bilder von spärlich oder gar völlig unbekleideten Frauen, die mit einem Besen in der Hand in ekstatischen Bewegungen um ein Feuer tanzten.

      Als er Lotta in einen unbedachten Moment davon erzählte, lachte sie zuerst herzhaft, bevor sie ihn amüsiert auf die Wange küsste und ihm ins Ohr flüsterte: „Oh mein fantasievoller Geliebter, warte nur ab bis zum Samhain, dann stehst du und deine Manneskraft ganz in Mittelpunkt. Jedoch die Nacht zu Beltane als Fest der Reinigung und der Fruchtbarkeit feiern wir Frauen unter uns!“. Damit war das Thema für sie erledigt und so wie sie ihn dabei anschaute, wagte er es nicht weiter nachzuhaken.

      Und auch Leonora war bei diesem Thema sehr geheimnisvoll, als er sie darauf ansprach. Sie erzählte ihm lediglich, dass sie an diesem Abend, wie jedes Jahr zu Betane, ihr traditionelles Himmelskleid tragen, sich einen Blumenkranz aufs Haupthaar setzen und dann bis zum Sonnenaufgang ordentlich feiern würde.

      Auch wenn Ole nicht wusste, was ein Himmelskleid war, gab er sich mit dieser Auskunft dennoch zufrieden und fragte nicht weiter nach. Erst als er erfuhr, dass Anne eine Einladung von den Vollmond-Frauen erhalten und angenommen hatte, war seine Neugier erneut geweckt.

      Doch bevor er diese befriedigen konnte, erschien Peter, einer der Stones und fragte ihn, ob er nicht Lust hätte mit ihm den Mai-Baum vom letzten Jahr aufzuarbeiten, und einen Kranz zu binden. So schob er die Gedanken an die geheimnisvolle Feier zur Seite und verabschiedete sich von seinen Frauen, bevor er Peter zu der Tischlerwerkstatt folgte, die sich etwas abseits an einem Stallgebäude anschloss. Darum bekam er auch das nächste, ebenso spannende Ereignis nicht mit.