Genuss mit Freunden. Andreas Berg

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Название Genuss mit Freunden
Автор произведения Andreas Berg
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754166314



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enthusiastisch leuchteten Davids Augen.

      »Ah, interessant! Und was würdest du dort gerne machen?«

      »Mit dem Wohnmobil durch die Wildnis reisen. Wandern. Fischen. Schwimmen. Die Sonne genießen. Keine Menschen. Ruhe.«

      »Cool. Nimmst du mich mit?«

      »Hah? Wie kommst du drauf?«

      »So ein Gefühl. Es könnte eine spannende Reise werden.«

      »Bist du schwul oder was?«

      »Bi.«

      »Hm. Und wie stellst du dir das dann vor? Mit einer Tussi zur Dritt durch Kanada?« Fragte David sarkastisch zurück.

      »Haha … Neee …«, lachte der Große, »mit dir reicht es mir erst mal.«

      »Vergiss es! Ich schlafe nicht mit einem Unbekannten wochenlang in einem Wohnmobil.«

      »Hast du Angst?« fragte der Große.

      »Du könntest ein Verbrecher sein.«

      »Du hast recht. Ich war mal im Gefängnis. Als ich zwanzig war. Es ist aber schon so lange her. Ich fand zum Glück wieder zum rechten Weg zurück. Ich beschütze dich vor den Grizzlies. Versprochen.«

      Davids Augen konnten sich zwischen »Was zum Teufel!« und »Schmunzeln« nicht entscheiden. Sie blieben weit offen. In Erwartung.

      »Ich bin Greg. Sechsundvierzig. Ledig. Förster aus Nevada. Ich liebe die Natur. Da bin ich zu Hause. Ich reise gerne. Von Bulgarien hörte ich zufällig im Radio. Die magischen bulgarischen Stimmen, the Mystery of the Bulgarian Voices, verzauberten mich. Ich wusste sofort, ich muss hierherkommen. Ihr habt auch eine ganz besondere Natur. Seit einer Woche bin ich hier unterwegs und ich liebe diese Berge. Es wäre schön, wenn ich dich kennen lernen darf.«

      David hatte sich wieder gefasst und sagte nur: »Na, schön.«

      »Na, schön, ja oder was?« Lachte Greg.

      »Mal, sehen. Die Nacht ist jung« erwiderte David.

      »Ha, ha, so gefällst du mir. Weißt du, das Leben ist zu kurz, um jemand zu sein, der man nicht ist. Ich wusste sofort, dass du auf Frauen nicht stehst. Diese Maske kannst du bei mir ablegen.«

      David sagte nichts. Er schaute nur in die Ferne. Irgendwie abwesend.

      Eine gefühlte Ewigkeit passierte nichts. Im Hintergrund lief wieder Salsa. Es ging um das Herz »Tuyo es mi Corazon …«.

      Das versetzte David einen tiefen Stich in seiner Brust. Er seufzte nur: »Ich muss auf’s Klo.«

      Einige Minuten später ging Greg ihm hinterher.

      David stand allein vor dem Spiegel. Das grelle, neonfarbene Licht machte seine Augenringe noch deutlicher. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. Greg ließ die Holztür zurückschwingen. Er lief bedacht auf David zu, blieb dann aber kurz hinter ihm stehen. Eine Handbreit entfernt von Davids Rücken pochte sein Herz. Die Nähe war intensiv spürbar. Es erinnerte ihn an seinen Lieblingskraftplatz. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Dann umarmte er David ganz achtsam. Von hinten fühlte er sich noch zerbrechlicher an. So standen sie da. Eine gefühlte Ewigkeit. Nur das grelle Licht blinkte. Es tanzte die Melodie der Stille. David traute sich nicht, sich zu bewegen. Es fühlte sich so gut an. Er fand Männer anziehender, das stimmt. Doch erlaubte er sich das nicht. Noch nicht. Jetzt fühlte er sich zu Hause. Ihm liefen die Tränen herunter. Still. Frei.

      Er fühlte sich tief verbunden. Sein Herz hüpfte freudig. Wie noch nie.

      In Bulgarien durfte er sein anders sein nicht ausleben. Die Schwuchteln mussten sich immer verstecken. Sie konnten ihre Gefühle nicht frei ausleben.

      Er öffnete seine Augen. Wie konnte so ein großer Mann so sanft sein.

      Leise sagte er nur: »Okay.«

      »Okay?« Lächelte Greg.

      »Ja, wir machen das« grinste David zurück. Er wischte sich die Tränen von den Wangen.

      Sie gingen zurück zur Bar. Bis Mitternacht war der Plan geschmiedet.

      Sie buchten zuerst die Flugtickets nach Vancouver. Drei Nächte in der Stadt. Danach buchten sie ein Wohnmobil. Der erste Campingplatz auf den Vancouver Islands stand bereits fest. Der Rest ließen sie offen. Sie wollten vor Ort entscheiden. Frei sein war ihnen wichtig. Der Rückflug von David sollte dann dreieinhalb Wochen später sein.

      Er war Lehrer und hatte gerade Urlaub. Einen Monat lang wollte er an seinem Schreibprojekt arbeiten. So passte alles zeitlich zusammen. Schon übermorgen sollte es losgehen.

      Beide tranken noch zwei Gin Honigs und plauderten über ihr Leben. Freudig aufgeregt. Gegen zwei Uhr fragte Greg:

      »Kommst du mit zu mir?«

      David antwortete frech: »Ich dachte, du würdest nie fragen.«

      Am nächsten Morgen verabredeten sie sich für neun Uhr am Abend. Wieder in der gleichen Bar. Bis acht Uhr war alles gepackt. David war so aufgeregt. Er rief nur kurz seine Mutter an: »Ich bin für einen Monat weg. Muss in die Natur. Ich brauche Ruhe, um mein Buch zu schreiben.« Dann war das Ganze erledigt. Er hatte seine Ruhe. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er richtig atmen. Frei atmen. Als hätten seine Lungen bis dahin nur dreißig Prozent ihrer Kapazität genutzt.

      Der Abend mit Greg ging so schnell vorbei. Sie hatten sich viel zu erzählen. David vertraute Greg an, an was seine Tattoos ihn erinnerten. Wie aufregend er sie fand. Greg lachte herzlich zurück. Seine Augen strahlten eine unbekannte Wärme aus. Später in seinen Armen wurde David wieder überwältigt. Seine Tränen liefen einfach ohne sein Zutun. Gestaute Gefühle befreiten sich. Danach fühlte er sich so leicht. Von innen gereinigt.

      Greg erzählte ihm, dass er früher auch Frauen hatte. Mit einer war er sogar verheiratet gewesen. Seine Tochter Elisa lebt mit ihrer Mutter in Arizona. Sie besucht ihn in den Ferien in seinem Wald und sie haben mega viel Spaß. Von ihm hat sie die Verbindung zum Wald geerbt. Die weichen blonden Haare hatte sie von ihrer Mutter. Greg und Rachel blieben trotz der Trennung Freunde. Er lebte einsam und brauchte nicht viel um sich herum. Monate lang konnte er nur mit der Natur glücklich sein. Der Wald war seine Heimat.

      David fühlte sein Herz ganz nah. So schliefen sie ein.

      Am nächsten Mittag ging der Flieger erst nach London, dann nach Vancouver. Am Heathrow setzten sie sich in ein Café. Da hielten sie Händchen zum ersten Mal. Am Anfang fühlte sich David unbehaglich. Was ist, wenn sie jemand sieht. Er erschrak immer wieder. Mit der Zeit merkte er das nette Lächeln der Fremden um sie herum und das beruhigte ihn. Er wurde gelassener. Im nächsten Flieger konnten sie sogar kuscheln. Sie hatten eine Reihe von vier Plätze in der Mitte nur für sich allein. David schlief in Gregs Schoss ein. Später schauten sie den gleichen Film. Ganz nah bei einander.

      In Vancouver trafen sie auf den goldenen Herbst. Die Sonne wälzte sich freudig im Laub aus Gelb, Rot und Orange. Der blaue Himmel hieß sie willkommen. Ihr Hotel war klein, aber schnuckelig. Das rote Gebäude lag neben einem Park und war innen stilvoll und gemütlich eingerichtet. Im riesigen Bett versunken schliefen sie sofort ein.

      Mitten in der Nacht wachten sie wieder auf. Sie aßen und tranken alles, was der kleine Kühlschrank hergab. Sogar die Tube Honig war sehr begehrt. Innerlich wie äußerlich. Sie liebten sich begierig. Mal zart. Mal wild. Klebten aneinander. Bis zum Morgengrauen.

      Gegen acht Uhr, kaum hatten sie fertig geduscht, klopfte eine zierliche Frau mit graubläulichen kurzen Haaren an der Tür. Sie brachte das Frühstück ins Zimmer und fragte niedlich, ob die zwei Täubchen noch etwas bräuchten. Von Gregs Lachen danach bebte das ganze Holzhaus.

      Die Tage in Vancouver waren traumhaft. Als sie die Zivilisation hinter sich ließen, begann der richtige Urlaub.

      Tagelang alberten sie wie zwei Kinder herum. Sie unternahmen ausgiebige Wanderungen. David erzählte lustige Geschichten. Das herzliche Lachen von Greg warnte die Grizzlies.

      David