Название | Renaissance 2.0 |
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Автор произведения | Christian Jesch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754127636 |
Das Narbengesicht rannte quer über die Rasenanlage, während er im Blumenbeet eine Spur der Verwüstung zurückließ. Auf der anderen Seite der Parkanlage angekommen, suchte er nach dem Jungen, der in der Menge verschwunden war.
Neniu hatte sich zwischen eine Baumgruppe gestellt und beobachtet den Mann von dort aus. Allem Anschein nach hatte er ihn aus den Augen verloren. Der Hüne stand am Straßenrand. Er blickte den Gehweg rauf und runter. Die Waffe hielt er immer noch in der Hand. Offensichtlich war es ihm egal, dass jeder sie sehen konnte. Neniu vermutete, es würde sich bei der Person erneut um einen Proteqtor handeln, der auf ihn angesetzt war. Der Junge überlegte, was er als Nächstes machen sollte. Wenn er sich erneut unter die Passanten mischte, konnte er auf der anderen Seite vom Park die Straße überqueren, die der Mann lahm gelegt hatte. Allerdings musste er zusehen, dass er in der Menge wirklich unsichtbar wurde. Sonst könnte das Narbengesicht seinen Plan vereiteln und wiederholt Jagd auf ihn machen. Er ließ es darauf ankommen. Einen besseren Plan hatte der Teenie im Augenblick nicht zur Hand.
Der riesige Kerl schaute gerade zur andren Seite, als Neniu sich in die Passantenmenge gleiten ließ. Aus irgendeinem Grund entschloss der Riese sich jedoch, dieselbe Richtung einzuschlagen. Es war einfach dieses Gefühl das Richtige zu tun. Mit roher Gewalt kämpfte er sich durch die Menge nach Vorne, was ihm eine Menge an Beschwerden einbrachte. Mit der Waffe in der Hand stieß er immer wieder Männer und Frauen zur Seite, um schneller voran zu kommen. Eine Frau kreischte auf, als sie bemerkte, dass der Grobian eine Vollautomatik hielt. Sofort brach Panik aus. Die Menschen stürmten auseinander, was dem Mann einen besseren Blick nach Vorne ermöglichte. Die Menge löste sich soweit auf, dass sie den Blick auf Neniu freigab.
Neniu hörte von weiter hinten einen hohen Schrei. "Der Mann hat eine Waffe!", rief sie laut. Plötzlich kam Bewegung in die Reihen. Er spürte förmlich, wie die Passanten sich hinter ihm, wie ein sich öffnender Reißverschluss, teilten. Ihm wurde deutlich, es konnten nur noch Sekunden sein, bis er für den Proteqtor sichtbar wurde. Zusammen mit einigen andren Passanten stürmte er nach links, auf die Straße. Erneut quietschten Bremsen, erklangen die Hupen und wurden Flüche ausgestoßen. Doch all das wurde sehr schnell im Keim erstickt, als der Mann wie wild in Nenius Richtung feuerte. Dass er einige Menschen aus der Menge verletzte, schien ihm dabei vollkommen egal zu sein. Der Junge warf sich zwischen die stehenden Fahrzeuge und versuchte in geduckter Haltung seinen Aufenthaltsort zu verlagern. Bei einem der Wagen öffnete er die hintere Tür, kroch über die Rücksitze zur anderen Seite, um das Fahrzeug dort wieder zu verlassen. Der Fahrer bekam von all dem nichts mit, da er zu beschäftigt war, den Irren mit der Schusswaffe im Auge zu behalten. Auf der vom Park gegenüberliegenden Straßenseite angekommen, schlich sich Neniu in die nächstbeste Abzweigung, die sich ihm bot. Im Schatten einer der Häuser dort angekommen, stand der Junge auf und rannte, so schnell er konnte.
Beinahe hätte der Hüne den Jungen übersehen, der dort aufgesprungen war. Sein Fehler war es gewesen, sich noch einmal nach seinem Angreifer umzusehen. Dadurch erkannte der Mann, dass es seine Zielperson war, die sich dort aus dem Staub machen wollte. Wie bereits beim ersten Mal sprang der Mann auf Motorhauben, Dächer und Kofferräume, um so die Blockade, die er verursacht hatte, zu überwinden.
"Stehen bleiben!", schrie der Hüne den Jungen an. Offensichtlich hatte er jedoch keine positive Reaktion erwartet, denn er eröffnete sofort das Feuer. Nach weiteren drei Kugeln, die allesamt ihr Ziel verfehlten, musste das Narbengesicht sein Magazin wechseln. Diese Sekunden der Unachtsamkeit nutzte sein Opfer einmal mehr die Richtung zu wechseln und in einer Nebenstraße zu verschwinden.
Neniu rannte einige hundert Meter weiter, bevor er sich in einer zurückgesetzten Hausnische versteckte, hinter der sich ein Lüftungsschacht befand, um dann endlich tief durchzuatmen. Mit den Händen auf den Oberschenkeln und den Oberkörper leicht nach Vorne gebeugt, versuchte er wieder Luft zu bekommen. Fieberhaft überlegte der Junge, wie er seinen Verfolger endlich loswerden konnte. Der Kerl war völlig verrückt. So wie es aussah, hatte er nicht die direkte Order, Neniu lebend abzuliefern. Er schaute vorsichtig aus seinem Versteck die Straße nach links herunter, von wo der Kerl auftauchen musste. Und da war er auch schon. Mit absoluter Sicherheit bog er zwischen den Häusern nach rechts in den Weg ein, den auch Neniu genommen hatte. Mit einem, wie es schien, zufriedenen Lächeln, blieb der Mann dann allerdings stehen. Er wartete. Der Teenie fragte sich, worauf das Narbengesicht wartete. Neniu folgte dem Blick des Mannes und schaute nach rechts. Jetzt verstand er. Dies war eine Sackgasse. Am Ende des breiten Weges stand ein verglastes Gebäude mit nur einem einzigen, kleinen Eingang. Es war ziemlich schattig hier, zwischen den hohen Häusern. Aber nicht dunkel genug, um einfach heimlich zu verschwinden. Er musste an diesem Monster vorbeikommen. Irgendwie. Der Junge entwickelte einen vollkommen irrwitzigen Plan, bei dem er genau wusste, er würde nicht funktionieren.
Gemütlich, als wäre er ein ganz normaler Passant, schlenderte er auf das Gebäude im hinteren Bereich des Weges zu. Vor der verglasten Fassade blieb er andächtig stehen und schaute in das Innere. Dabei betrachtete er die Spiegelung und wie sich der Mann ihm langsam näherte. Als er auf etwa fünfzig Meter heran war, drehte sich Neniu unerwartet um, rannte in geduckter Haltung auf den Riesen zu, schrie dabei, so laut er konnte, sodass die Umstehenden sich die Ohren zuhielten, und rammte den Kerl unterhalb seines Schwerpunktes. Das Narbengesicht rollte über seine rechte Schulter. Der Junge griff nach dessen Beine, umfasste sie und machte sich wieder gerade. Dann warf er ihn mit dem Schwung seiner Arme hinter sich. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, lief der Junge bis zur Straße, wo er sich ein letztes Mal umdrehte. Verwundert betrachtete er sich, was er dort angestellt hatte. Die meisten Menschen knieten rechts und links des Weges, mit ihren Händen an den Ohren, während der Hüne wie ein gefällter Baum auf dem Boden lag. War das wirklich er gewesen, fragte sich Neniu. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass dieser waghalsige Plan funktioniert hatte. Er konnte es solange nicht glauben, bis der Proteqtor sich langsam fluchend erhob, während er sich nach dem Teenie umschaute.
Der Mann hatte nun wirklich mit allem gerechnet. Nur nicht damit. Diese hohe, kreischende Stimme, die er produziert hatte. Seine Ohren schmerzten noch immer von diesem Ton. Und dann noch diese Technik. Aber was war das? Er betrachtete die rote Flüssigkeit auf seinem Finger. Das war Blut. Er musste verdammt hart auf dem Asphalt aufgeschlagen sein, dachte der Mann. Die Schmerzen in seinem Rücken bestätigten diesen Verdacht. Trotzdem war es verwunderlich, dass Blut aus seinen Ohren lief. Der Riese versuchte sich umzudrehen, um nach dem Jungen zu sehen. Der stand am Ende des Weges. Scheinbar ebenso erstaunt wie das Narbengesicht. Trotz vieler Körperteile, die sich dagegen wehren wollten, stand er langsam wieder auf. Erst jetzt fiel ihm die plötzliche Stille auf. Verunsichert blickte er die anderen Menschen an. Auch sie bluteten teilweise aus den Ohren und oder Nasen. Während der grobe Kerl auf den Jungen zu stapfte, fragte er sich immer wieder, was da gerade passiert war. Warum er nichts mehr hören konnte. Und vor allem, was so besonders an dem Kind war. Nach und nach wurden seine Gedanken erneut klarer. Er hatte die halbe Strecke zu Neniu zurückgelegt, als dieser seine Fassung wiedergefunden hatte und losrannte.
Neniu wollte sein Glück nicht zu sehr strapazieren. Als der riesige Kerl die Hälfte der zwischen ihnen liegenden Strecke zurückgelegt hatte, wurde dem Teenie deutlich, dass es Zeit war, abzuhauen. Er lief die Straße herunter und entfernte sich immer weiter vom Park, wo er eigentlich auf Tandra hätte warten sollen. Doch was sollte er anderes machen. Er konnte nur versuchen, dem Mann zu entkommen. An eine Rückkehr zum vereinbarten Treffpunkt war jetzt nicht mehr zu denken. So wie es aussah, musste Neniu abermals alleine klar kommen. Möglicherweise konnte er zu einem späteren Zeitpunkt versuchen, Kontakt mit dem Wohnheim aufzunehmen. Aber auch das war kein sicherer Ort mehr für sie.
Ein Einschlag nicht weit von ihm brachte ihn in die Realität zurück. Erneut feuerte der Irre wie wild hinter dem Jungen her. Lange würde er das Davonlaufen nicht mehr durchhalten. Er war einfach nicht darin trainiert. Neniu musste sich etwas anderes überlegen, so schnell wie möglich Distanz zwischen sich und den Verrückten zu bringen.
In knapp zweihundert Meter Entfernung beobachtete der Teenie, wie jemand von seinem Motorrad abstieg, den Helm absetzte und gemächlich auf