Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen. Tobias Fischer

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Название Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen
Автор произведения Tobias Fischer
Жанр Языкознание
Серия Veyron Swift
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738058499



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gibt es eine kleine Lichtung mit zwei sonderbar verwachsenen Bäumen«, sagte sie. »Das ist der Durchgang.«

      Sie hatte dies kaum ausgesprochen, als der Land Rover auf einmal mit einem lauten Knall explodierte. Nicht von einer Bombe gesprengt, sondern von einer unsichtbaren Kraft. Es gab kein Feuer, keinen Rauch, nur eine Druckwelle, die sie alle von den Füßen fegte. Zerfetzte Trümmer regneten vom Himmel, eine Staubwolke bauschte sich auf. Hoch über ihnen grollte das Unwetter wie mit bösartiger Begeisterung. Immer mehr Wolken zogen sich zusammen, ließen es immer dunkler werden. Plötzlich kam Wind auf, stark und eiskalt. Jane rappelte sich mühevoll auf, schüttelte den Kopf. Sie war ganz benommen, ihre Ohren klingelten. Das Wrack des Fahrzeugs war noch immer hinter Staub verborgen, doch dafür nahm etwas anderes ihren Blick gefangen.

      Auf der anderen Seite des Feldwegs stand jetzt eine Gestalt, hochgewachsen, mit breiten Schultern. Ihr schwarzer Mantel flatterte im Sturm, trotzdem war die Kapuze tief über das Gesicht gezogen. Jane rieb sich die Arme. Der Fremde schien eine Eiseskälte zu verbreiten. Nach einem Moment, als wollte er allen die Gelegenheit geben, seiner gewahr zu werden, schlug der Schwarze die Kapuze zurück. Janes Herz pochte sofort schneller. Fast erwartete sie, in das vertrocknete Moorleichengesicht des Schattenkönigs zu blicken, jenes Dämons, der vor knapp einem Jahr beinahe ihr Leben gefordert hatte. Doch diese Fratze war sogar noch abscheulicher. Früher wohl menschlich, war dieses Gesicht verzerrt, besaß fledermaushafte Züge und auch Elemente eines Wolfs. Die Kreatur stieß ein schauderhaftes Brüllen aus, spreizte lange, messerscharfe Klauen.

      Im gleichen Moment ging auch mit Miss Davis eine Veränderung vor. Als wäre der aufkommende Sturm mit Säure durchsetzt, löste sich ihr attraktives Aussehen auf. Ihre gesunde Gesichtsfarbe wechselte zu leichenhafter Blässe, ihr helles Haar wurde pechschwarz, und Jeans und Tanktop verschwanden, ersetzt durch ein gewaltiges, schwarzes Kleid, mit einer gigantischen Schleppe, die sich im Wind bauschte. Die Seelenkönigin streckte ihren rechten, gepanzerten Arm vor und legte die metallenen Fingerkrallen zusammen. Sie vereinigten sich zu einer messerscharfen Klinge, die in die Länge wuchs, bis sich ihr eiserner Handschuh in ein regelrechtes Schwert verwandelt hatte.

      »Wer ist das?«, fragte Jane panisch. Die Angst ließ ihr Herz rasen, es schien aus ihrer Brust springen und fliehen zu wollen. Sie mussten hier weg, auf der Stelle!

      »Der Bestiengeneral, einer der Sieben Schatten des Dunklen Meisters. Ich kenne Beschreibungen von ihm«, sagte Veyron, der ganz dicht hinter ihr stand.

      Dann, nach dem nächsten Donnerschlag, stürzten die beiden Dämonen aufeinander los. Die Seelenkönigin schnappte ihre gewaltige Schleppe und riss sie in die Luft, wo sie sich in Paar gewaltiger Fledermausflügel verwandelte. Die Dämonin sauste in den dunklen Himmel, verfolgt von ihrem Widersacher, der mit seinem Mantel einen ähnlichen Trick beherrschte.

      Ein wildes Knurren ließ Jane herumfahren. Aus den Trümmern des gesprengten Land Rovers kamen nun die Hunde des vermeintlichen Schäfers heraus. Jetzt, wo sie aus ihren Käfigen befreit waren, wirkten sie noch kränker als zuvor. Ihre langen, krummen Schnauzen waren besetzt mit messerscharfen Dolchzähnen, die schwarzen Leiber mit Geschwüren übersät. Doch am schlimmsten fand Jane die glutroten Augen – und sie starrten alle in ihre Richtung. »Was sind das für Monster?«, fragte sie keuchend.

      »Schattenwölfe aus Darchorad, die Diener des Bestiengenerals. Er war der Heerführer der Monsterarmee des Dunklen Meisters«, wusste Veyron. Er packte Jane an der Schulter und stieß sie vorwärts. »Laufen Sie, Jane! Laufen Sie um Ihr Leben!«, rief er.

      Das brauchte er ihr nicht zweimal zu sagen. Schneller als jemals zuvor in ihrem Leben nahm sie die Beine in die Hand. Veyron überholte sie von rechts und steuerte genau auf das Schafsgatter zu. Ohne darüber nachzudenken, folgte Jane ihm. Das Hecheln und Knurren der Bestien kam rasend schnell näher. Schon stieg Veyron über das Gatter, und mit ausgebreiteten Armen, wie ein Verrückter brüllend, stürmte er auf die Schafe zu. Jane schwang sich über den Zaun und wagte einen hastigen Blick über die Schulter. Die Schattenwölfe stürmten heran, geiferten mordgierig. Veyrons Schreie versetzten die Schafe in heillose Panik. Wild rannte die Herde hierhin und dorthin, bis ein vollkommenes Durcheinander entstand. Jane versuchte, zu Veyron aufzuschließen, und musste aufpassen, nicht über das eine oder andere Schaf zu stolpern. Die Tiere blökten wie verrückt, wichen Jane springend aus, prallten zusammen und purzelten über den Boden. Nun setzten die Schattenwölfe über das Gatter, warfen ihre monströsen Schädel von einer Seite zur anderen. Die panischen Schafe stachelten ihre Mordgier nur noch mehr an. Veyron und Jane weitgehend vergessend hasteten sie hinter den Schafen her, versuchten sie zu schnappen und zu reißen.

      Jane empfand tiefes Mitleid mit den wolligen Tieren, als sie auf der anderen Seite wieder über das Gatter ins Freie kletterte. Bedauerlicherweise gab es keinen anderen Weg, die Bestien abzuhängen und das eigene Leben zu retten, als die Schafe zu opfern. Wenn sie doch nur eine Pistole mitgenommen hätte …

      Ein wildes, unmenschliches Brüllen schallte durch die Luft, und ein schwarzer Schatten fegte über das Schafsgatter hinweg. Jane erkannte den Bestiengeneral, der einer gigantischen Fledermaus gleich durch den Himmel segelte und seinen Wölfen Befehle gab. Im Nu stellten die abscheulichen Kreaturen den Angriff auf die Schafe ein und hetzten wieder hinter Veyron und Jane her.

      »Scheiße«, fluchte Jane und beeilte sich, Veyron einzuholen, der bereits den Rand des nahen Waldes erreicht hatte.

      Der erste der Schattenwölfe sprang schon über das Gatter, die Zähne gefletscht. Er bellte heiser. Endlich erreichte auch Jane den Wald, wo Veyron ungeduldig auf sie wartete. Gemeinsam hasteten sie jetzt durch das Gebüsch, sprangen über Wurzeln und Farne, Äste peitschten ihnen ins Gesicht, Sträucher und Zweige rissen an ihrer Kleidung. Hinter ihnen stürmten unter Gebell und Geheul die Schattenwölfe in das Dickicht.

      »Da lang, ich habe den Ausweg gefunden«, rief Veyron, schnappte Jane am Handgelenk und zog sie in eine bestimmte Richtung.

      Ohne genau hinzusehen, folgte sie Veyron. Sie benötigte ihre ganze Konzentration, um nicht an Wurzeln hängen zu bleiben. Das Unwetter hoch über ihnen ließ es in dem Wald beinahe so finster sein wie in der Nacht.

      Plötzlich türmte sich vor ihnen eine Felswand auf, so hoch, dass an ein schnelles Erklettern nicht zu denken war. Erst jetzt schaute sich Jane an, wo sie überhaupt waren, nur um festzustellen, dass sie die ganze Zeit einer Schlucht gefolgt waren.

      »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, rief sie aufgeregt. »Veyron, das ist eine verdammte Sackgasse!«

      »Exakt«, sagte Veyron nur. Er hatte den Rucksack abgenommen und kramte darin herum. Schließlich brachte er einen seltsamen Gürtel und eine Pistole zum Vorschein. Ohne Jane etwas zu erklären, schnallte er den Gürtel um und nahm die Pistole in beide Hände. In der Nähe erklang schon das Knurren eines Schattenwolfes. Vor ihnen leuchteten rote Augen in der Dunkelheit.

      »Schießen Sie!«, herrschte sie Veyron an, der mit einer unbegreiflichen Seelenruhe einfach nur dastand. Gelassen schulterte er seinen Rucksack, dann erst zielte in die Luft und feuerte. Der Schuss ließ die Schattenwölfe zögern. Schritt für Schritt trabten sie jetzt heran. Sie hatten ihre Beute ja in der Falle, ein Entkommen war unmöglich.

      »Was tun Sie da? Schießen Sie nicht in die Luft, schießen Sie auf diese Mistviecher!«, heulte Jane verzweifelt.

      Veyron packte sie an der Hüfte und presste sie grob an sich. »Festhalten«, sagte er.

      Dann erklang ein leises Sirren, und eine unsichtbare Kraft zog sie beide in die Luft. Jane ertastete mehr, als sie es sah, ein Stahlkabel, das mit Veyrons Gürtel verbunden war, und dann begriff sie: Er hatte einen Greifhaken in die Baumkronen geschossen, der mit einer kleinen Seilwinde auf der Rückseite des Gürtels verbunden war.

      »Ich wollte diese Ausrüstung schon lange erproben«, meinte er, und sie konnte sein selbstgefälliges Grinsen beinahe hören.

      Sie war allerdings zu verängstigt und panisch, um darüber zu staunen. Die Reise durch die Luft ging viel zu langsam vonstatten, und die Schattenwölfe stürmten nun bellend heran. Sie sprangen hoch, versuchten, ihre flüchtende Beute zu fassen. Veyron und Jane mussten um sich treten, um die Bestien auf Abstand zu halten. Als sie merkten,