Название | Kullmann ermittelt in Schriftstellerkreisen |
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Автор произведения | Elke Schwab |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kullmann-Reihe |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750237193 |
»Er bleibt bei seiner anfänglichen Feststellung, dass der Tote dort fünf bis zehn Jahre gelegen hat.«
»Kullmann hat eine Theorie, wen wir dort gefunden haben könnten. Ob er sich darüber freuen wird, dass aus seinem Mord ohne Leiche ein ungelöster Mordfall aus seiner Dienstzeit geworden ist, werden wir noch sehen.«
Erik spottete: »Solltest du wieder ausreiten, binde dich gut am Sattel fest. Nicht dass du mit deiner Nase auf den nächsten ungelösten Fall stößt.«
Ärgerlich warf Anke ihm einen Striegel an den Kopf. Sie verließen den Stall. Inzwischen war es stockdunkel. Die Mondsichel leuchtete, Sterne funkelten im schwarzen Abendhimmel.
»Wer zuletzt bei dir zuhause ankommt, bezahlt die Pizza!«, feixte Erik.
»Das ist unfair und das weißt du. Mit Lisa im Auto werde ich mich hüten, ein Wettrennen zu starten.«
»Also bezahlst du die Pizza!«, schlussfolgerte Erik.
Hintereinander verließen sie den Parkplatz.
Lisa plapperte vom Fonds des Wagens aus unentwegt über ihre Reiterlebnisse auf Rondo. Die Freude war ihr ins Gesicht geschrieben. Ihre blauen Augen leuchteten, ihre Wangen waren gerötet, ihre blonden Haare standen zottelig vom Kopf ab. Lisa war glücklich. Der Anblick wirkte wohltuend auf Anke.
Die Straße den Hügel hinunter gab einen ungestörten Blick über die hell erleuchtete Start – und Landebahn des Saarbrücker Flughafens frei. Ein Flugzeug startete. Ein anderes landete. Reger Betrieb herrschte. Sehnsüchtig schaute Anke dem Flieger nach, der in Richtung Süden davonflog. Jetzt ein paar Wochen am Strand, zusammen mit ihrer lebhaften Tochter – ach, wäre das schön! Doch leider war ein Urlaub nicht drin. Das Pferd hatte ihre Ersparnisse gekostet – Rondo würde ab sofort ihr Urlaub sein, ihr Freizeitausgleich, ihr Hobby und alles in einem.
Vor ihrer Wohnung wartete Erik auf sie. Mit der Lichthupe blinkend hatte er sie auf der Autobahn überholt. Sie betraten das Appartementhaus und steuerten ihre Wohnung im dritten Stock an.
Dort kam es wie erwartet. Lisa wollte nicht schlafen. Es dauerte lange, bis es Anke endlich gelang, sie davon zu überzeugen. Anschließend ließen sie sich erschöpft auf der Couch nieder und bestellten Pizza.
»Du bist mir eine große Hilfe«, murrte Anke.
»Was habe ich falsch gemacht?«
»Anstatt Lisa konsequent ins Bett zu stecken, hast du dich von der Kleinen einwickeln lassen.«
Erik schaute Anke eine Weile an, bis er reagierte: »Sie hat es gut drauf, mich um den kleinen Finger zu wickeln.«
Spürte Anke in Eriks Worten eine Sehnsucht? Sah er sein eigenes Kind in Lisa? Eriks Augen sprachen Bände, wenn er Lisa ansah. Hoffentlich war das nicht Eriks wirklicher Grund, sich so liebevoll um Lisa zu kümmern. Seit Anke wusste, dass er durch einen Autounfall Frau und Kind verloren hatte, sah sie ihren Arbeitskollegen anders. Sie bewunderte ihn dafür, wie gut es ihm gelang, mit seinem harten Schicksal zurechtzukommen.
Der Pizzabote klingelte. Eine bessere Ablenkung von schwermütigen Gedanken konnte es nicht geben. Während sie ihre Pizza aßen, überlegten sie, was sie in dem Zeitraum gemacht hatten, in dem das Opfer im Koppelwald zu Tode gekommen war.
»Ich habe erst im Jahr 1996 meine Laufbahn als Kriminalkommissarin in Kullmanns Abteilung begonnen«, sagte Anke.
»2002 warst du im Mutterschutz«, erinnerte sich Erik. »Zum Jahresende hatten wir den Stalking-Fall.«
»Stimmt! Im gleichen Jahr ist Kullmann in Pension gegangen – ich glaube, es war kurz vor Sommeranfang. Also müsste der Tote schon im Frühjahr dort abgelegt worden sein, während wir mit dem Polizistenmörder beschäftigt waren.«
»Dann wüssten wir beide davon.«
»Ich lag kurze Zeit im Krankenhaus«, gab Anke zu bedenken.
»In der Zeit ist nichts passiert.«
Schweigend aßen sie den Rest der großen Pizza auf, schoben die Verpackung beiseite und lehnten sich auf dem Sofa zurück.
»Wir sollten morgen mit Theo Barthels über die Gürtelschnalle sprechen«, unterbrach Erik die Stille.
»Glaubst du, er kann heute noch feststellen, wem sie gehört hat?«
»Ich hoffe es. Was mich stutzig macht, ist die Vermutung von Dr. Kehl, dass das Opfer keine Kleider mehr trug.«
»Das ist schrecklich.« Anke nickte. »Aber warum macht dich das stutzig?«
»Wenn er keine Kleider mehr trug, dann bestimmt auch keinen Gürtel mit Schnalle.«
Anke verzog ihr Gesicht zu einer ironischen Grimasse: »Du hast mich auf des Rätsels Lösung gebracht.«
Erik schaute Anke erwartungsvoll an.
»Es ist der Mann, der nichts anhat als den Gurt auf dem Schild an der Straße von zu Hause in die Stadt, wo ich so oft lang fahr.«
Erik ergriff ein Kissen und warf es mit Schwung in Ankes Richtung.
»Und ich dachte, es käme ein geistreicher Beitrag von dir.«
»Deine Beiträge sind auch nicht besser«, hielt Anke dagegen.
»Das Lied handelt übrigens von einer Frau – nicht von einem Mann.«
»Dann passt es aber nicht auf unseren Toten. Der ist nämlich eindeutig ein Mann.«
»Jetzt sind wir so weit, wie wir waren: Wir können nur hoffen, dass Theo Barthels diese Gürtelschnalle jemandem zuordnen kann.« »Vielleicht hat der Mörder sie getragen. Er wird nicht ebenfalls nackt im Wald herumgelaufen sein«, sinnierte Anke.
»Stimmt! Es könnte ein Kampf zwischen Täter und Opfer stattgefunden haben. Dabei hat der Täter die Gürtelschnalle verloren, ohne es zu merken.«
Anke hatte sich das Kissen geschnappt und versuchte jetzt, Eriks Kopf zu treffen. »Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Dass Mörder ihre Visitenkarte am Tatort zurücklassen, kommt nämlich äußerst selten vor.«
Erik fing das Kissen und schleuderte es zurück.
»Außerdem gab es noch einen Schlüssel am Fundort. Vielleicht sollte das eine Einladung des Täters sein, ihn zu verhaften«, trieb er den Spott weiter.
»Stimmt! Jetzt ziehen wir von Haus zu Haus und probieren den Schlüssel aus.«
»Goethe war gut!«, feixte Erik.
»Jetzt fällt mir wieder ein, dass im Jahr 2002 ein großes Unheil aus Köln zu uns gekommen ist«, neckte Anke ihren Kollegen und warf ihm das Kissen zurück. Diesmal traf sie.
Erik nahm es aus seinem Gesicht und legte es hinter seinen Kopf.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, murmelte er, wobei er sein Grinsen unterdrückte.
Teil IV
Frühling 2001
Stockfinstere Nacht. Von Panik erfasst rannte sie um ihr Leben, sah nicht, wo sie hintrat, lief immer nur weiter in der Hoffnung, ihrem Verfolger zu entkommen. Unter ihren Füßen spürte sie, dass der Boden weicher wurde. Sie hatte den Weg verlassen, ohne es zu bemerken. Wieder nahm sie in den Augenwinkeln den Lichtkegel einer Taschenlampe wahr. Er holte sie ein. Plötzlich glaubte sie, jemand riss ihr den Boden unter den Füßen weg. Mit einem heftigen Aufprall landete sie im Sand, der ihr in den Mund drang. Sie wollte schreien, bekam keinen Ton heraus – wollte sich aufrappeln, wurde jedoch von einem schweren Gewicht heruntergedrückt.
»Du entkommst mir nicht«, hörte sie eine bedrohliche Stimme. »Keine Frau entkommt mir. Ich bin euch allen überlegen!«
Während er sprach, gelang es ihr, sich aus seinem Griff zu befreien. Hastig sprang sie auf und rannte weiter. Aber die Dunkelheit