Название | Der Mann im Mond |
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Автор произведения | Вильгельм Гауф |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754183106 |
»Aber noch etwas«, fiel Ida ein, »wissen Sie nicht, wo er so plötzlich mit dem alten Diener hinging?« »Das ist es eben!« sagte jener, »eine ganz eigene Geschichte mit dem Grafen da; kommt auf den Ball, tanzt nicht, geht fort, bleibt über eine Stunde aus, kommt wieder und wo blieb er? wo meinen Sie wohl? Er war im Münster!!«
»Jetzt eben, in dieser Nacht?« fragte Ida erschrocken und an allen Gliedern zitternd. »Heute nacht, auf Ehre! ich weiß es gewiß; aber reinen Mund gehalten, Gold-Idchen, morgen komme ich dem Ding auf die Spur.«
Der Wagen war vorgefahren; der Präsident kam in einer Weinlaune: »Hofrätchen«, rief er, »wenn du nicht anderthalbmal ihr Vater sein könntest, wollte ich dir Ida kuppeln!«
»Hätte ich das doch vor dem Ball gewußt«, jammerte der Hofrat, »aber da gab es allerlei interessante Leute usw.« Errötend sprang Ida in den Wagen, auf den losen Hofrat scheltend, und umsonst gab sich Papa auf dem Heimweg Mühe, zu erfahren, was jener gemeint habe. Trotzköpfchen hätte mögen laut lachen über die Bitten des alten Herrn; es biß die scharfen Perlenzähne in die Purpurlippen, daß auch kein Wörtchen herauskonnte.
Nicht mehr so fröhlich als in frühern Tagen und dennoch glücklicher legte Ida das Lockenköpfchen auf die weichen Kissen. Es war ihr so bange, so warm; mit einem Ruck war der seidene Plumeau am Fußende des Bettes, und auch die dünne Seidenhülle, die jetzt noch übrig war, mußte immer weiter hinabgeschoben werden, daß die wogende, entfesselte Schwanenbrust Luft bekam.
Aber wie, ein Geräusch von der Türe her? die Türe geht auf, im matten Schimmer des Nachtlichtes erkennt sie Martiniz' blendendes Gesicht; sein dunkles, wehmütiges Auge fesselt sie so, daß sie kein Glied zu rühren vermag, sie kann die Decke nicht weiter heraufziehen, sie kann den Marmorbusen nicht vor seinem Feuerblick verhüllen; sie will zürnen über den sonderbaren Besuch, aber die Stimme versagt ihr. Aufgelöst in jungfräuliche Scham und Sehnsucht drückt sie die Augen zu; er naht, weiche Flötentöne erwachen und wogen um ihr Ohr, er kniet nieder an ihrem bräutlichen Lager, »Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme«, flüsterte er in ihr Ohr; er beugt das gramvolle, wehmütige Gesicht über sie hin, heiße Tränen stürzen aus seinem glühenden Auge herab auf ihre Wangen, er wölbt den würzigen Mund – er will sie kü–
Sie erwachte, sie fühlte, daß ihre eigenen heftigströmenden Tränen sie aus dem schönen Traume erweckt hatten.
Die Beichte
Am andern Morgen sehr früh stand der Hofrat schon vor des Präsidenten Haus und zog die Glocke. Er mußte ja sein holdes Idchen fragen, wie es zum erstenmal wieder in Freilingen geschlafen habe? Nebenbei hatte er so viel zu fragen, so viel mitzuteilen, daß er nicht wußte, wo ihm der Kopf stand. Nur soviel war ihm klar, als er den hellpolierten Handgriff der Glocke in der Hand hielt, daß er um keinen Preis von dem interessanten Herrn von gestern zuerst sprechen werde; »Sie soll mir daran«, sagte er, »sie soll mir beichten«; er tat sich auf seinen Witz nicht wenig zugut und lächelte noch still vor sich hin, als er die breite Treppe hinanstieg.
Der Präsident sei schon in die Session gefahren, gaben ihm die Bedienten auf seine Anfrage zur Antwort, aber gnädiges Fräulein nehme ihn vielleicht an, obwohl ihre Toilette noch nicht fertig sei.
Man meldete ihn; er wurde sogleich vorgelassen. In ihrem kleinen, aufs geschmackvollste dekorierten Boudoir saß Ida auf einer Estrade am Fenster, das Lockenköpfchen in die Hand gestützt. War es doch, als sei das Mädchen in dieser Nacht noch tausendmal schöner geworden! der Hofrat bekam ordentlich Ehrfurcht vor ihrer Schönheit; es lag so viel Schmachtendes in ihrem Auge, so viel ernste Sanftmut auf dem lieben Gesichtchen, das ihn begrüßte, daß er gar nicht wußte, woher dies alles das Wunderkind gestohlen hatte.
Er sagte ihr auch, wie schön er sie finde, sie aber lachte ihm geradezu ins Gesicht; sie finde, daß sie weit bleicher aussehe als sonst, der Ball könne einesteils daran schuld sein, sagte sie, dazu komme, daß sie heute nacht so dumm geträumt habe und alle Augenblicke aufgewacht sei. Sie wollte bei dieser Behauptung recht ernst aussehen, aber das kleine Schelmchen flog ihr doch beinahe unmerklich um den Mund, als wüßte es, was dem hübschen Engelskind geträumt habe.
Der Hofrat sprach vom gestrigen Ball, von Herren und Damen, von allen möglichen Schönen, aber er hätte sich lieber die Zunge abgebissen, ehe er von Martiniz zuerst angefangen hätte, obgleich er wohl sah, daß Ida darauf warte.
Er sah sich daher, als alle Tänze und Touren bekrittelt waren und das Gespräch zu stocken drohte, im Zimmer umher; »Nein«, sagte er, »wie wunderschön Ihnen Papa das Boudoir da dekorieren ließ, die bronzierte Lampe am gewölbten Plafond, die freundliche Tapete! wie werden sich Ihre Besucher erfreuen, wenn man sich nicht mehr um den Rang auf dem Sofa streiten darf, denn jener von hellbraunem Kasimir, der sich an drei Wänden hinzieht, den eleganten Teetisch von Zederholz in der Mitte kann ja eine ganze Legion von Dämchen in sich aufnehmen. Der französische Kamin mit dem deckenhohen Spiegel scheint aber nicht sehr warm geben zu wollen, doch Hoffart muß schon auch ein wenig Schmerz leiden. Die geschmackvolle Etagère dort haben Sie gewiß selbst erst aus der Residenz geschickt, denn hier wüßte ich niemand, der solche Arbeit lieferte!«
Das ging ja dem alten Herrn aus dem Mund wie Wasser, schade nur, daß er den tauben Wänden predigte, denn Ida schaute stillverklärt durch die Scheiben und hatte weder Augen noch Ohren für ihren alten Freund; dieser sah sich um, sah das Hinstarren des Mädchens, folgte ihrem Auge und – drüben in der ersten Etage des ehrsamen Gasthofes Zum goldenen Mond hatten sich die rot und weißen Gardinen aufgetan und im geöffneten Fenster stand – nein, er machte es gerade zu, als der Hofrat hinsah und ließ die Gardine wieder herab; das selige Kind drehte jetzt das Köpfchen und ihr Blick begegnete dem lauernden Auge des Hofrats. Die Flammenröte schlug ihr ins Gesicht, als sie sich so verraten sah, aber dennoch sagte Trotzköpfchen kein Wort, sondern arbeitete eifrig an einer Zentifolie; nun, dachte der Alte, wenn du es durchaus nicht anders haben willst, auf den Zahn muß ich dir einmal fühlen, also sei's:
»Sie haben brave Nachbarschaft, Ida«, sagte er, »da können Sie Ihre astronomischen Beobachtungen nach den Glutsternen des Herrn von Martiniz recht kommode anstellen; ich habe zu Haus einen guten Dolland, er steht zu Diensten, wenn Sie etwa –«
»Wie Sie nur so bös sein können, Berner!« klagte das verschämte Mädchen, »wahrhaftig, ich habe bis auf diesen Augenblick gar nicht gewußt, daß er nur im Mond logiert; und daß ich gestern diesen Mann schon wegen seines Äußeren gehaltvoller gefunden habe, als unsere jungen Herren hier, um die ich nun einmal kein Flöckchen Seide gebe, ist das denn ein so schweres Verbrechen, daß man es noch am andern Tag büßen muß? ist es denn so arg, wenn man Mitleiden hat mit einem Menschen, der so unglücklich scheint?«
»Nun, da bringen Sie mich just auf den rechten Punkt«, sagte der Hofrat, »daß der junge Herr im Mond drüben gestern nacht in der Münsterkirche war, habe ich Ihnen gesagt; aber was er dort tat? das wissen Sie nicht und was bekomme ich, wenn ich es sage?«
»Nun, was wird er viel dort getan haben?« antwortete Ida, vergeblich bemüht, ihre Neugierde zu bekämpfen; »er hat sich wahrscheinlich die Kirche zeigen lassen, wie die Fremden auf der Durchreise immer tun.«
»Durchreise? als ob ich nicht wüßte, daß Herr von Martiniz die drei Zimmer Ihnen gegenüber auf vier Wochen gemietet hat –«