Eiskalt abserviert. Ariane Nasskalt

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Название Eiskalt abserviert
Автор произведения Ariane Nasskalt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738074338



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ausschließen will ich es nicht. Hier hätten aber mehrere ein Motiv. Am besten, ich fange von vorn an. Der Barhaupt war kein unbeschriebenes Blatt. So richtig gemocht hat den wahrscheinlich keiner. Der hatte früher seine Praxis hier in Blankenburg. Kam übrigens ursprünglich aus Düsseldorf. Man sagte ihm nach, dass er sich auf Kosten seiner Patienten bereichern würde. Hat angeblich nicht immer für den Erhalt der Zähne gesorgt, damit er ein teures Implantat berechnen konnte. Es ging das Gerücht um, dass er auch unnötig Zähne gezogen hat. Nachdem einmal ein Patient – muss so vor vier, fünf Jahren gewesen sein – in seiner Praxis ausgerastet ist, hat er sie nach Quedlinburg verlegt. Wird jedenfalls behauptet, dass ihn das zu dieser Entscheidung gebracht hat. Weil der Patient damals mit seinem Regenschirm hantierte und auch sehr aufgebracht war, hatte uns eine Zahnarzthelferin gerufen. Als wir kamen, war der Leckner immer noch außer sich. Es gelang mir aber relativ schnell, ihn zu beruhigen.“

      „Dieser Leckner ist der von hier?“

      „Ja! Eigentlich ein harmloser Typ, braust eben schnell auf. Aber der hat bestimmt nichts damit zu tun!“

      „Ist an diesen Vorwürfen gegen diesen Barhaupt was dran?

      „Ich denke, ein sozial eingestellter Typ war er nicht. Hat auch ordentlich Geld verdient. Aber in letzter Zeit sahnte er ja in Quedlinburg ab. Der Umzug war ein schlauer Schachzug. Dort sind die so mit den Touris beschäftigt, dass nicht mehr viel Zeit für Tratsch bleibt.“

      „Hat den eigentlich noch nie jemand zur Rechenschaft gezogen?“

      „Keine Ahnung. Aber, wenn das erfolgt wäre, hätte man wahrscheinlich darüber geredet. Aber Sie wissen ja, wie es ist. Ohne Gutachten von anderen Zahnärzten erreicht man da nichts. Und welche Krähe hackt schon der anderen die Augen aus?“

      „Noch mal zu seiner Frau.“

      „Ja seine Frau. In der letzten Zeit tobte zwischen dem Ehepaar ein heftiger Rosenkrieg. Sie gehört zu der Sorte Frauen, die bereitwillig beide Augen zudrücken, wenn ihr Mann fremdgeht. Vorausgesetzt sie behalten den uneingeschränkten Zugang zu seiner Scheckkarte, die sie dann auch kräftig nutzen. Und gerade damit wär es vermutlich nach der Scheidung vorbei gewesen …“

      „Dann gab’s da sicher ne Neue?“

      Engelhardt grinste: „Falsch!“ Nach einer eingelegten Spannungspause ergänzte er: „Es gab einen NEUEN!“

      Besuch bei der Witwe

      Da hatte sich wieder mal ein Architekt verewigt. Dieser sterile Klotz mit der kalten Betonfassade passte überhaupt nicht in diese mit historischen Häusern und Gärten übersäte Stadt. Nein, so ein hypermodernes Haus hatte sie wirklich nicht in Altstadtnähe vermutet. Noch überraschter war Sabine, als die Tür aufging und Frau Barhaupt vor ihnen stand. Aufgrund Engelhardts Personenbeschreibung hatte sie ein nach dem neuesten Schrei gekleidetes Luxusgeschöpf erwartet. Stattdessen blickte ihnen eine gertenschlanke Frau entgegen, die eng anliegende Jeans und einen klassisch geschnittenen beigen Pullover trug. Auch mit ihrer Frisur betrieb sie wenig Aufwand. Ihre naturblonden Haare waren Kinn lang und exakt gerade geschnitten. Na ja Bernd war sicher wieder anderer Meinung, aber auf sie wirkte sie einen Tick zu herb. Merkwürdigerweise schien die Witwe nicht sonderlich überrascht zu sein, dass zwei Polizisten vor ihr standen und darum baten, ins Haus kommen zu dürfen. Bei anderen klingelte es spätestens nach dieser Frage. Aber sie verlor auch jetzt nicht ihre zur Schau getragene Coolness. Wortlos trat sie zur Seite und wies die beiden Polizisten mittels einer Geste in das geräumige Wohnzimmer, wo sie abwartend stehen blieb.

      „Frau Barhaupt, wir sollten uns erst mal setzen“,

      begann Engelhardt und steuerte auch schon auf die schwarze Ledercouch zu. Ohne eine Einladung der Besitzerin abzuwarten, ließ er sich auf dem Sitzmöbel nieder. Obwohl Sabine insgeheim das forsche Auftreten ihres Kollegen, der zugleich ihr Chef war, bemängelte, setzte sie sich unaufgefordert neben ihn. Erst nachdem die Witwe in den gitterdurchzogenen Klubsessel gesunken war, rückte der Kriminaler mit der Schreckensbotschaft heraus:

      „Frau Barhaupt, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann heute Morgen tot aufgefunden wurde. Im Wald direkt unterm Regenstein. Wie es aussieht, ist er von da oben abgestürzt.“

      „Hatte schon damit gerechnet, dass ihm etwas zugestoßen ist“, antwortete sie besorgniserregend gefasst. „Vor über einer Stunde hat man mich aus der Praxis angerufen. Weil mein Mann nicht zu der auf acht Uhr angesetzten OP erschienen war – er ist sonst immer pünktlich – wollten sie von mir wissen, wo er steckt. Ich war ihre letzte Adresse, sie hatten schon alles abtelefoniert. Seine Sprechstundenhilfe hat mir gesagt, dass sie vermutet, dass er seit dem gestrigen Nachmittag nicht mehr zu Hause war. Ich meine, das was er jetzt sein zu Hause nennt. Im Briefkasten steckte angeblich immer noch die Post vom Vortag und die Zeitung hatte er auch noch nicht geholt.“

      „Dann wohnte er also nicht mehr hier im Haus?“, wurde sie von Engelhardt unterbrochen.

      Die Witwe ließ sich mit ihrer Antwort Zeit. Mit ihren langgliedrigen Fingern griff sie nach der HB-Schachtel, die auf dem Glastisch lag, zog eine Zigarette heraus und stand, während sie diese ansteckte, auf. Nach dem ersten Zug ging sie zu dem großen Panoramafenster und blies hinausschauend nochmals ein Rauchwölkchen in die Luft. Erst dann blickte sie blasiert auf den Fragesteller.

      „Herr Engelhardt, ich habe keine Lust auf diese Schmierenbefragung! Unnötige Fragen werde ich nicht beantworten! Sie wissen doch schon längst über alles Bescheid. In der Stadt pfeifen es doch die Spatzen von den Dächern, dass ich meinen Mann hinausgeworfen habe.“

      Der Polizist ließ sich nicht beirren: „Sie haben Ihren Mann aus seinem Haus hinausgeworfen?“, setzte er routinemäßig seine Befragung fort, wobei er diesmal „seinem“ übermäßig betonte. Doch wenn er gehofft hatte, dadurch die Besitzverhältnisse klären zu können, hatte er sich getäuscht.

      „Sie erwarten doch nicht im Ernst, dass ich bereit bin, mit einer Tunte zusammenzuleben?“, entrüstete sich Frau Barhaupt temperamentvoll. Und ihren Blick nun auf Sabine richtend zischte sie nicht minder erregt: „Ja, mein Mann war eine Tunte! Eine miserable, hinterhältige Tunte!“

      „Jetzt wechseln wir wieder auf die sachliche Ebene“, beschwichtigte Sabine, wurde aber sofort von Engelhardt unterbrochen:

      „Frau Barhaupt, vielleicht wollen Sie sich erst mal ein bisschen sammeln, bevor Sie weitere Fragen beantworten?“

      Die Angesprochene zog ihre Augenbrauen hoch und runzelte die Stirn, stimmte dann aber kopfnickend zu. Mit spitzen Fingern drückte sie die nur halb zu Ende gerauchte Zigarette im Aschenbecher aus.

      „Ich brauch jetzt erst mal einen Drink!“

      Sabine überraschte es nicht, dass sie ihnen nichts anbot. Es war zwar allgemein bekannt, dass sie im Dienst nichts annehmen durften. Aber gewöhnlich fragte man doch nach. Vor allem, wenn es sich um einen Drink handelte. Aber diese Frau war eine typische Egomanin und hatte nur sich selbst im Kopf. Wieso behandelte die sie so von oben herab? An der Haustür war sie von ihr taxiert worden. So richtig von oben nach unten. Es war zwar keine Seltenheit, dass sich Frauen untereinander musterten. Aber wenn sie in Uniform war, taten das eigentlich nur Männer. Auf was bildete die sich so viel ein? Sie war die Frau eines Zahnarztes. Na und … Damit wäre sowieso bald Schluss gewesen.

      Ach kuck, hinter dieser hässlichen Stahlblechtür verbarg sich eine Bar. Mit eingebautem Kühlschrank. Die Barhaupt liebte offenbar Hartes, befüllte den gut eingeschenkten Whisky jetzt auch noch randvoll mit Eiswürfeln. Mit dem Glas in der Hand ließ sie sich wieder in ihren Sessel fallen.

      „Erwarten Sie von mir keine Tränen. Ich habe meinem Mann immer den Rücken frei gehalten und seinetwegen auf viel verzichtet. Und zum Dank hat er sich mit diesem Typ eingelassen.“

      Sabine ließ sich vom nachfolgenden Anklagemonolog nicht beeindrucken. Wie theatralisch die Witwe das Gesagte unterstrich. Sie fraß nen Besen, wenn das alles stimmte und diese