INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Eins. Eberhard Weidner

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Название INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Eins
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия Inquisitor Michael Institoris 1
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847661382



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Mann vor sich sah, der viel zu jung war, um tatsächlich sein Vater sein zu können. Handelte es sich nur um einen geschmacklosen Scherz?

      »Ich kann die Verwirrung in deinen Augen sehen, Sohn«, sagte der Mann mit einer Stimme, die nicht zu seiner schmächtigen Statur passen wollte. Sie war tief, etwas heiser, aber dennoch volltönend, als stammte sie ursprünglich aus einem bedeutend voluminöseren Körper.

      »Wer sind Sie?«

      »Kannst du dir das nicht denken?«

      Der Inquisitor schüttelte wortlos den Kopf.

      »Nein? Nun gut, ich bin dein Vater!«

      Michael bemerkte eine Nische in der Seitenwand des Raumes, die einst eventuell für einen Einbauschrank gedacht gewesen, nun aber leer war. Der Vorhang, der sonst davor hing, war zurückgezogen worden und bewegte sich noch immer leicht. Dort musste der kleine Mann sich verborgen gehalten und abgewartet haben, bis Michael auf den Leichnam gestoßen war.

      »Sie lügen!« Erst jetzt richtete der Inquisitor die Mündung der Waffe auf die schmale Brust des Mannes. »Sie sind nicht mein Vater, dazu sind Sie viel zu jung. Was wollen Sie also wirklich von mir? Und ich rate Ihnen, mir die Wahrheit zu sagen. Ich gehöre zur Inquisition, wir lassen uns nicht gern hinters Licht führen.«

      Der Fremde zeigte sich von Michaels Worten nicht im Mindesten beeindruckt, sondern lachte laut und hämisch. Es war ein düsteres, unangenehmes Lachen, das bei Michael, der nicht so schnell zu erschüttern war, ein leichtes Erschaudern hervorrief. Gleichzeitig begannen die Augen des Mannes in einem unirdischen Feuer zu erglühen, als wollte er den Inquisitor, der ihn um mehr als einen ganzen Kopf überragte, mit Blicken durchbohren. Michael hatte das unangenehme Gefühl, sein Gegenüber würde bis in das tiefste Innere seiner Seele blicken, und fröstelte.

      »Ich sagte es dir bereits: Ich bin dein leiblicher Vater! Sofern man in Bezug auf meine Gegenwart in dieser Welt von leiblich sprechen kann. Deine Mutter war eine Hexe, die ich während eines ausschweifenden Sabbats begatten durfte. Keine Ahnung, wo die alte Schlampe jetzt steckt.«

      Die Erkenntnis, wen – oder besser gesagt: was! – Michael vor sich hatte, ließ das Blut in seinen Adern stocken. Er hatte bislang nur davon gehört, es aber nie selbst erlebt. Dennoch gab es keinen Zweifel: Vor ihm stand ein Besessener!

      Der Mann, den er vor sich sah, war nicht mehr als eine Hülle und beileibe nicht sein Vater, zumindest nicht in einem körperlichen Sinne. Deswegen war er so jung und sah ihm rein äußerlich nicht im Geringsten ähnlich. Doch in den Körper des Mannes war – höchstwahrscheinlich als Folge der kürzlich an diesem Ort durchgeführten Beschwörung, bei der sein unglückseliger Informant sein ebenso unglückseliges Leben verloren hatte – ein Dämon gefahren und hatte die Kontrolle über das Individuum übernommen, bis er ihn aus eigenem Antrieb verließ oder mit speziellen, von der Kirche entwickelten Ritualen des Exorzismus gewaltsam ausgetrieben wurde.

      Doch mehr noch als die Tatsache, einem wahrhaftigen Dämon aus der Hölle im Körper eines Menschen gegenüberzustehen, entsetzte Michael die rasch einsetzende Erkenntnis, dass das dämonische Wesen womöglich die Wahrheit sprach. Weswegen sollte er ihn ausgerechnet in einer derartigen Angelegenheit belügen und welchen Nutzen konnte ein Dämon daraus ziehen? Nein, Michael ahnte instinktiv, dass er in diesem Fall vermutlich nicht belogen wurde, obwohl die Lüge weit eher der Natur eines Dämons entsprach.

      Doch welche Ironie, falls tatsächlich der Sohn eines Dämons und einer Hexe zum Inquisitor ernannt worden war, dessen Aufgabe die Bekämpfung eben dieser und aller anderen widernatürlicher Kreaturen war. Und wenn es so war, wie der Dämon sagte, warum war er dann als Baby vor die Tür des Generalinquisitors gelegt worden? War es nur ein merkwürdiger Zufall, oder hatte jemand es bewusst getan, um ihn auf diese Weise vor den eigenen Eltern zu beschützen? Oder war dies bereits Bestandteil eines Planes gewesen, dessen Vollendung erst jetzt bevorstand? Michael ahnte, dass er der Wahrheit mit seinen letzten Überlegungen möglicherweise sehr nahe kam, doch noch hatte er nur vage Vermutungen und keine Gewissheit.

      »Was willst du von mir?«, fragte er deshalb und gab sich betont unbeeindruckt, nachdem er Zeit gehabt hatte, die irrwitzige Situation zu analysieren und damit ein Stück weit zu verarbeiten. »Diente all das …« – bei diesen Worten deutete er mit der Hand, in der er das Kreuz hielt, auf die verschlossene Tür, hinter der es noch immer verdächtig still war, und auf den Leichnam im Kreis der brennenden Kerzen – »… etwa nur dazu, mich endlich persönlich kennenzulernen? Oder steckt in Wahrheit nicht doch etwas ganz anderes hinter diesem Familientreffen

      Der Fremde war beim Schwenken des Holzkreuzes zurückgezuckt und hatte das Gesicht verzogen, als hätte er leichten Schmerz empfunden. Zweifellos bereitete dem Dämon das christliche Symbol Unbehagen, was Michael mit Genugtuung und einem Gefühl der Sicherheit erfüllte. Allerdings machte er sich keine falschen Hoffnungen. Mit dem Kreuz konnte er dem Dämon allenfalls ein wenig wehtun, aber keinen ernsthaften Schaden anrichten.

      Der Mann ließ erneut sein finsteres Gelächter hören, bevor er antwortete: »Was für ein schlauer Bursche du doch bist. Eben ganz der Papa!« Er lachte, verstummte jedoch rasch wieder, als er Michaels unbeeindruckte, ausdruckslose Miene sah. »Deine Humorlosigkeit musst du allerdings von deiner Mutter geerbt haben, dieser hässlichen und dreckigen Hexenhure.«

      Michael hatte genug von den unflätigen Reden des Dämons. Auch wenn seine Mutter tatsächlich eine Hexe war und er sie nie kennengelernt hatte, besaß dieses Ungeheuer vor ihm noch lange nicht das Recht, sie derart derb zu beleidigen. Der Inquisitor handelte impulsiv, ohne die möglichen Konsequenzen seiner Aktion zu bedenken. Er sprang ansatzlos nach vorn und überwand die Distanz zwischen ihnen mit zwei großen Schritten. Dabei schwang er das Kreuz und ließ es wie eine Keule auf den Besessenen herabsausen.

      Der Dämon fauchte. Faulig riechende, eitrig gelbe Speicheltröpfchen flogen aus seinem weit aufgerissenen Mund. Unleugbar machte ihm die Nähe des geweihten Symbols zu schaffen. Aber bevor das Kreuz den Dämon berühren konnte, huschte dieser so geschwind zur Seite, dass Michael der Bewegung nicht mit den Augen folgen konnte. Als Nächstes traf ein brutaler Hieb Michaels linken Unterarm und zerschmetterte die Knochen. Seine Finger wurden augenblicklich taub und verloren all ihre Kraft. Das Kreuz entglitt seinem sich lockernden Griff und flog gegen die Wand. Durch die Wucht des Aufpralls wurde es zerschmettert und fiel in mehreren Einzelteilen zu Boden.

      Michael stöhnte schmerzerfüllt. Da traf ihn der nächste überraschende Hieb mit der Wucht eines Rammbocks gegen die Brust und schleuderte ihn nach hinten. Wie zuvor das Holzkreuz flog er ebenfalls durch die Luft und landete schmerzhaft zunächst mit den Schulterblättern und dem Hinterkopf und anschließend mit dem Rest seines außer Kontrolle geratenen Körpers auf dem Parkett. Die Pistole wurde ihm aus der Hand geprellt und schlitterte davon. Michael rutschte aufgrund der Wucht des Schlages noch ein gutes Stück über den glatten Boden, pflügte eine brennende Kerze des Lichterkreises um und wurde erst durch den Leichnam inmitten der Blutlache gestoppt.

      »Du enttäuschst mich, falls du tatsächlich geglaubt hast, mich mit diesem lächerlichen Stück Holz verletzen zu können. Wenn du nicht wesentlich mehr auf der Pfanne hast, solltest du deine untauglichen Widerstandsversuche einstellen und dir stattdessen anhören, was ich zu sagen habe. Andernfalls sehe ich mich gezwungen, von meinem väterlichen Züchtigungsrecht Gebrauch zu machen, um dich für jeden weiteren Ungehorsam streng zu bestrafen. Erinnere dich also lieber an das christliche Gebot, deinen Vater zu ehren!«

      Michael nahm weder den genauen Inhalt der Worte noch das anschließende Gelächter des Dämons bewusst wahr. Sein Körper schien in Flammen zu stehen und schmerzte wie eine einzige entzündete Wunde. Und zu allem Überfluss wurde ihm jäh bewusst, dass er all seiner Waffen beraubt war. Wie sollte er in seinem angeschlagenen Zustand und mit bloßen Händen gegen einen Dämon aus den finstersten Niederungen der Hölle kämpfen?

      »Natürlich haben meine Handlanger unsere Begegnung nicht nur deshalb in die Wege geleitet, damit wir uns kennenlernen«, erklärte der Dämon und trat bedächtig näher.

      Michael war noch immer mehr mit sich selbst und seinem körperlichen Zustand beschäftigt, war dessen ungeachtet aber mittlerweile zumindest in der Lage,