Название | Siebenkäs |
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Автор произведения | Jean Paul |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754175224 |
Endlich kam er wieder zu sich, nämlich zur Frau – Leibgebers Kraftbild hatt' ihn ohnehin über die steinige spitzige Gegenwart der Zufälligkeiten weggehoben – der alte Freund, der oben im Chor das Gesicht der Braut ausgeschnitten und der nachher bei der ersten Flitterwoche mitgewesen, warf ihm die Blumenkettenschlinge über und zog ihn damit an die stille Gestalt neben sich heran: »Nu, liebste Lenette, wie ist denn dir?« sagt' er erwachend und nahm die Hand der Ausgesöhnten; aber sie hatte die weibliche Unart, nämlich Art, daß sie ihre Versöhnung noch länger verdeckte als ihre Entrüstung, wenigstens verschob, und daß sie gerade dann, wann die Ehrenerklärung und die Abbitte eines Fehlers schon vorüber war, auf eine neue Einsicht der Akten antrug. Die wenigsten Eheweiber – leichter die Mädchen – reichen einem Manne eilig die Hand und sagen: ich bin wieder gut. – Wendeline hielt zwar ihre hin, aber zu kalt; und zog sie hurtig zurück, um das Tischtuch zu nehmen, das er mit spannen und brechen zu helfen gebeten wurde zum Tuch-Würfel. Er tats und lächelte – sie sah genau auf die rechte Geviertung des weißen Langvierecks – endlich bei dem letzten und dicksten Viereck hielt es der Mann fest – sie zerrte und wollte ernsthaft aussehen – er schauete sie liebreich an – sie mußte doch lächeln – da entriß er ihr das Tuch und drückt' es schnell auf ihre Brust und sich dazu und sagte in ihren Armen: »Diebin, wie kannst du so sein gegen den alten Kauz Siebenkäs, oder wie er sonst noch heißt?« – Nun bog sich der Regenbogen eines hellern Lebens über die einsickernde Sündflut herüber, welche bisher dem Ehepaare schon bis an die Herzgrube gestiegen war... Aber freilich, ihr Lieben, bedeuten jetzige Regenbogen oft das Gegenteil dessen, was der erste verhieß.
Der Preis, den er seiner Königin bei diesem Rosenfeste des Herzens zuerkannte, war eine verbindliche Bitte um den Schatten ihres holden Gesichts, um morgen damit dem Pelzstiefel ein Geschenk und eine Freude zu machen. Ich bin zwar jetzt gesonnen, für gebildete Menschen sein Abschatten hier abzuschatten; aber dies beding' ich mir, daß man nicht aufsehe, daß eine Feder ein Pinsel sei – oder ein Pinsel ein Poussiergriffel – oder ein Griffel ein Blumenstaubfaden, der eine Lilien- und Rosen-Generation nach der andern erschafft.
Der Advokat ließ sich vom Schuster Fecht ein Silhouetten-Brett vorstrecken; nämlich die Fassade einer neuen Taubenhöhle. In das eirunde Portal des Brettes griff die Schulter Lenettens wie ein Einlegemesser ein – ein weißer Bogen Papier war als Grundierung von de Piles darübergenagelt – der schöne warme Kopf wurde ans steife Papier angedrückt – er setzte den Bleistift oben an der Schattenstirn enthaltsam an, so schwer es auch war, in einer solchen Nachbarschaft der Wirklichkeit nach dem bloßen Schatten zu greifen – und fuhr die blumige schöne steile Anhöhe voll Rosen und Lilien herunter... Aber es kam nicht viel Sonderliches heraus: man dachte, er habe das Hinterhaupt leidlich abgeschattet. Er schielte immer auf die farbig beseelte Fläche neben seiner Hand zurück und riß daher so schlecht ab wie ein Schachtelmaler. »Wendeline, dein Kopf sitzt auch nicht eine Minute fest«, sagt' er. Allerdings schwankte ihr Gesicht wie ihre Gehirnfibern vom stärkern Gange des Herzens und Atems; auf der andern Seite aber stolperte seine Reißfeder über das sanft erhobne Bildwerk der kleinen Nase, fiel in die Spalte der Lippe und strandete auf der Untiefe des Kinns. Er küßte die Lippen, die er nicht treffen konnte und die sich immer zu sehr öffneten oder verschlossen, und holte einen Rasierspiegel und sagte: »Da sieh, hast du nicht mehr Gesichter als Janus oder ein indischer Gott? – Der Rat muß denken, du hättest Gesichter geschnitten, und ich sie gezeichnet. – Schau, da hast du gewankt, und ich bin dir nachgesetzt mit einem Gemsensprung, jetzo greift der Vorsprung des obern Gesichts über das untere wie eine Halbmaske hinaus. Bedenke nur, wie der Rat morgen gucken wird.« – »Guter, nur noch einmal; ich will ja alles tun, damit es hübsch aussieht«, sagte errötend Lenette. Jetzo preßte ordentlich ein erstarrender Hals das weiche Gesicht an das Reiß-Brett, aber indem der Mann mit seinem Legestachel des Risses über die Stirn niederglitt, die ein Kugelausschnitt aus einer weißen Halbkugel zu sein schien – so vernahm er statt des Atems ein zitterndes Zurückstemmen desselben und sah ein anglühendes Angesicht vom schwellenden Atem... Hier schlug auf einmal der Argwohn, wie ein zerspringender Brander, harte Trümmer seiner Freude an sein Herz, der Argwohn: »Ach liebt sie ihn vielleicht doch gewiß?« – (nämlich den Rat)... Seine Feder blieb im stumpfen Winkel zwischen Stirn und Nase wie bezaubert eingestochen – er hörte nun das zitternde Ausatmen vernehmlich – seine Ätznadel zog schwarze Furchen am Rande des Schattens hinab, und als er auf dem zugedrückten Munde stockte, auf dem bisher nichts Warmes gewesen war als seiner und ihre Morgenandacht, und als er dachte: »Auch das soll mich treffen? auch diese Freude soll mir genommen werden? – und Ich soll mir hier eigenhändig meinen Scheide- und Urias-Brief auszeichnen?« – so konnt' er nicht mehr – er schnellte das Reiß-Brett von ihrer Achsel – fiel an den verschlossenen Mund – küßte den gefangnen Seufzer auf – drückte seinen Argwohn zwischen seinem und ihrem Herzen tot und sagte immerfort: »Erst morgen, Lenette! – Zürne nur nicht! Bist du denn nicht mehr wie in Augsburg? – Verstehst du mich denn? – Weiß du etwan, was ich will?« – Sie antwortete unschuldig: »Ach, wirst es übel nehmen, Firmian – nein, ich weiß es nicht.« – Und die Göttin des Friedens nahm dem Gotte des Schlafes den Mohnkranz ab und flocht ihn in den Ölkranz ein – und führte das Ehepaar bekränzt und ausgesöhnt und Hand in Hand in die blinkenden Eisfelder der Träume – in den magischen getuschten Hintergrund des grellen bunten Tages – in unsere dunkle Kammer voll beweglicher Bilder einer verkleinerten Welt, wo der Mensch wie der Schöpfer unter niemand wohnt als unter Geschöpfen.
Ende der Vorrede und des ersten Bändchens
Der Leser wird noch aus dem Anfange der Vorrede wissen, daß ich so glücklich war, den alten Kaufmann auf eine große Mohngarbe zu bringen und seiner Tochter ein frohes Laubhüttenfest aus den Herzblättern des gegenwärtigen Hausgärtchens zu geben... Aber der böse Feind weiß einen Platzregen auf unsre schönsten Feuerwerke zu wehen. Ich tat nichts als meine Pflicht, wenn ich eine kleine Taschen-Leihbibliothek für ein armes stilles Ding von Mädchen war, dem der Alte keinen Umgang zuließ, der vernünftig war, als den mit dem Papagei und mit dem vorigen Gerichthalter.
Der erste stand in seinem Bauer neben ihrem Dintenfaß und Schmierbuch und erlernte von ihr, was ein Buchhalter als Deutsch-Italiener zur Korrespondenz zu wissen braucht. Und da ein Papagei allemal durch einen Taschenspiegel am Käfig zu Sprachsachen ermuntert wird: so sahen beide, die Sprachmeisterin und der Zögling, miteinander hinein. – Das andere, der Gerichthalter, war ich. Aber der Hauptmann ließ sie – aus Furcht vor uns verführerischen Prinzessinnenräubern und Raubbienen und weil ihre Mutter tot war und weil sie in der Schreibstube zu brauchen war – mit keinem Herrn reden als unter sechs Augen und vor ebensoviel Ohren. Daher kam selten ein Herr, außer mir, anstatt daß sonst ein Vater sich durch eine blühende Tochter ganze männliche Insektensammlungen ins Haus lockt, wie ein Kirschbaum, der am Fenster in Blüte steht, Wespen und Bienen in die Stube zieht. Es war nicht eines jeden Sache, wenn er ein gescheutes Wort – d. h. eines, das der Vater nicht hörte – mit ihr reden wollte, erst vor diesem Argus das Flötenregister zu ziehen und eine Stunde zu orgeln und hundert grüne Augen zuzusperren, um in zwei blaue zu schauen; meine Sache war es zwar, aber die Welt höre, was mir für ein Dankpsalm und für eine Dankadresse dafür ward.
Der Alte hatte sich nämlich – mißtrauisch durch mein langes Dasitzen am vorigen Abend geworden – an diesem nur angestellet, als schlief' er, um zu sehen, auf was ich ausginge. Sein eiliges Entschlafen, wie sich der Leser aus dem Anfange dieser Vorrede besinnt, hätte mich überhaupt mehr frappieren sollen; ich hatte noch dazu selber schon aufs Gegenteil gerechnet und ihm deswegen Extrakte aus mehren Vorreden als dieser zu Niklasruhen oder Schlafpulvern zugedacht. Denn obgleich die Rabbinen lehren, daß zwölf Heukörbe mit leerem Gewäsche vom Himmel gefallen wären und daß neun davon bloß die Weiber aufgegriffen hättenBuxt. lex. p. 221. : so ists doch nur mit der Einschränkung wahr, daß sich die Vorredner – und die Rechtsfreunde – besagte neun Körbe zu ihrer Nutznießung erheiratet haben, von ihren Weibern als Eingebrachtes.
Der diebische Horcher wartete liegend meinen