Breathe. Elena MacKenzie

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Название Breathe
Автор произведения Elena MacKenzie
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754177631



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      Nachdenklich starre ich auf die Hand, die den schwarzen Kopf des Hundes streichelt. Ich sehe Sam an, der im Türrahmen zur Küche steht und uns misstrauisch beobachtet, und spüre wieder diese Wut in meinem Magen, diesen tiefgehenden Hass, diese rastlose Unruhe. Sherwood hat unsere Mutter vor seinen Augen getötet, wollte ihm damit eine Lektion erteilen. Sherwood ist ein skrupelloser, gewissenloser Anführer und Mörder. Sein Mittel, um seine Gesetze und Regeln durchzusetzen, sind seine Soldaten und seine Grausamkeit. Soldaten wie ich einer war. Ich habe das alles jahrelang mitgetragen, weil ich in ihm den einzigen Vater gesehen habe, den ich noch hatte. Den Präsidenten der Wölfe, der nicht nur anführt, sondern auch bestimmt, wie wir zu leben haben und wer wir sind. Er war mein Präs. Sein Wort war für mich Gesetz.

      Sam und ich sind unter seiner Herrschaft aufgewachsen. Ich gebe es nicht gerne zu, aber als unsere Mutter sich Sherwood angeschlossen hat, hat sie nicht nur unseren Vater verraten, sie hat auch ihre Kinder verraten. Die ganze Familie. Ich sollte sie deswegen hassen, zumindest wütend sein. Aber ich kann es nicht, sie ist unsere Mutter. Und ich habe zu lange selbst nicht gemerkt, dass das Leben, das wir geführt haben, falsch ist. Ich kannte kein anderes. Und ich wollte Sherwood stolz machen, wollte sein Sohn sein. Habe vieles ignoriert und weggesehen. Und irgendwie blieb meiner Mutter auch kaum eine andere Wahl. Wohin hätte sie gehen sollen, nachdem alles zerstört war? Sie wollte uns schützen, indem sie sich mit uns dem Leben auf der Farm angeschlossen hat. Sam war noch so klein und ich noch nicht einmal ein Teenager, als das Leben, wie wir es kannten, mit dem Tod unseres Vaters geendet war. Genau wie sie habe ich mich dem neuen Leben nur zu gern angeschlossen.

      Erst der Mord an meiner Mutter hat mich wachgerüttelt. Es hat zu lange gedauert, den Clan zu verlassen. Es hatte erst den Tod meiner Mutter gebraucht, um die Kraft zu finden, Sam und mich dort rauszuholen. Unsere Mutter war wegen einer einzigen Pille gestorben, die Sam gestohlen hatte, statt sie an die Abtrünnigen zu verteilen. Aber Ungehorsam ist das schlimmste Vergehen, das Sherwood kennt. Ein Clanmitglied hat immer gehorsam zu sein.

      Ich mustere Raven, die ihre Hand in Sultans Fell vergraben hat, wahrscheinlich lauert sie auf eine Gelegenheit zur Flucht. Sie hat ja keine Ahnung, wie leicht es für mich wäre, ihr zu folgen.

      Ich will, dass Sam wieder leben darf. Ohne Angst vor dem Tod. Er ist ein Kind, auf das ein verdammtes Kopfgeld ausgesetzt ist. Jeder, der sich irgendwie in unserer Welt bewegt, ist hinter ihm her. Bevor er nicht sicher ist, werde ich nicht mehr atmen können. Also ja, zumindest ein Teil von mir hofft, dass Raven uns retten kann. Der andere Teil hofft, dass sie mir irgendwann verzeihen kann.

      Es klopft an der Tür. Dreimal schnell hintereinander, dann zwei weitere Male und noch mal. Unser Zeichen dafür, dass jemand vor der Tür steht, dem wir vertrauen können. Ich stehe langsam vom Sofa auf und schaue durch die schmalen Scheiben neben der Tür, um sicherzugehen, dass auch wirklich niemand anders draußen lauert. Erst dann öffne ich, die Waffe in der freien Hand, den Finger am Abzug. Sherwood hat mich gelehrt, immer vorbereitet zu sein.

      »Sheriff«, sage ich zu Will, lasse meinen Blick über ihn gleiten, um abzuschätzen, ob seine Haltung verkrampft wirkt oder sonst irgendwie den Verdacht erwecken könnte, dass er die Seiten gewechselt hat. Er lächelt nicht, sieht nicht zornig aus und wirkt auch sonst nicht, als plane er gerade einen Mord. In seinen Armen hält er eine Papiertüte, aus der oben ein Netz mit hellgrünen Äpfeln herausquillt. Ich trete von der Tür weg. »Komm rein.«

      Der Sheriff schiebt sich an mir vorbei, ich werfe einen Blick vor die Tür, wo sein Dienstwagen parkt. Eigentlich müsste ich mir deswegen Gedanken machen, denn ein Polizeiauto vor der Tür zieht immer Aufmerksamkeit auf sich. Die Nachbarn fragen sich dann, was man verbrochen hat. Aber hier gibt es keine Nachbarn. Dieses ehemalige kleine Farmhaus ist so weit weg von allem anderen, dass es Wasser aus einem Brunnen bezieht und nicht einmal am öffentlichen Versorgungsnetz für Elektrizität angeschlossen ist.

      »Ich habe Lebensmittel mitgebracht«, sagt Will unnötigerweise und drückt mir die Papiertüte in die Arme.

      Ich muss grinsen. »Du hast keine Wassermelone getragen?«

      »Fick dich!«, brummt Will und versucht, mich mit einem düsteren Blick niederzustarren. »Nicht witzig.«

      »Sheriff!«, schreit Raven in diesem Augenblick auf. Ich zucke zusammen, so verzweifelt und laut klingt ihre Stimme. Ich sehe über die Schulter zurück, um ihr mit einem Kopfschütteln zu signalisieren, dass sie von Will keine Hilfe zu erwarten hat, aber da ist sie schon vom Sofa aufgesprungen und rennt auf ihn zu. »Ich bin entführt worden«, erklärt sie ihm mit hektischen Handbewegungen und wirft sich dem Sheriff an den Hals. Der Anblick, wie sie sich an ihn klammert, lässt mich wünschen, ich hätte auch so eine Uniform.

      Will legt seine Arme um sie und beginnt zu grinsen. Etwas tief in mir möchte ihm dieses Grinsen aus dem Gesicht wischen, denn er genießt Ravens Nähe für meinen Geschmack viel zu sehr. »Ist sie das?«, will er lachend wissen und zieht sie noch ein Stück näher an sich.

      Raven sieht verwirrt zu ihm auf, dann geht ihr Blick zu mir und die Verwirrung weicht Wut.

      »Das ist sie«, bestätige ich. Ich habe Will gestern Abend geschrieben, dass ich mit ihr herkomme und wir ein paar Lebensmittel mehr im Haus brauchen werden, damit wir Sam nicht seine Reserven wegessen müssen.

      Raven löst sich mit Gewalt von dem Sheriff und tritt ein paar Schritte zurück. Sie runzelt die Stirn und lässt ihren Blick über seinen Körper gleiten. »Ist das nur ein Kostüm? Macht ihr euch lustig über mich?«

      »Tun wir nicht«, antworte ich bissig und gehe in die Küche. »Das ist Sheriff Larsson, er achtet für mich auf Sam, wenn ich unterwegs bin.«

      Raven stößt ein ungläubiges Lachen aus. Ihr Gesicht wirkt müde, als ich wieder aus der Küche komme. Sie fährt sich verwirrt durch die Haare. Mir ist aufgefallen, dass sie das immer tut, wenn sie nicht weiterweiß. »Ein echter Sheriff, der mit einem Mörder zusammenarbeitet?«

      Will verzieht missmutig das Gesicht, geht um Raven herum und streichelt Sultan, der schon begierig nach seiner Aufmerksamkeit lechzt, dann gleitet sein Blick forschend über Sam. »Geht es dir gut?«

      »Besser«, sagt Sam grinsend. »Ich hab ein Mädchen im Haus.«

      Will lacht auf. »Ja, hast du.«

      Raven verschränkt die Arme vor der Brust. »Sie arbeiten mit einem Mörder zusammen?«, wiederholt sie ihre Frage.

      Will zieht eine Augenbraue hoch und setzt sich auf das Sofa, dann überschlägt er lässig die Beine und breitet die Arme auf der Rücklehne aus. Sultan nutzt die Gelegenheit, springt auf das Sofa und legt sich neben den Sheriff. »Tue ich wohl. Manche Dinge sind wie sie sind. Ice zu verhaften, würde bedeuten, ihn für etwas zu bestrafen, das nicht seine Schuld ist.«

      »Aber es gibt Gesetze, für die sollten Sie einstehen«, entrüstet sie sich.

      »Manchmal sind die Gesetze nicht perfekt. Sie kennen nur Schwarz und Weiß. Und manchmal gibt es Dinge, die existieren außerhalb des Gesetzes.« Er richtet seinen Blick auf mich. »Wie soll es weitergehen?«

      Ich reibe mir über die Wangen. »Ich bin mir nicht sicher.«

      »Du hast sie nicht getötet«, sagt Will gerade heraus. »Also musst du einen Plan haben. Irgendetwas, das du mit ihr vorhast.«

      Raven versteift sich und ihr Gesicht drückt die Fassungslosigkeit aus, die sie gerade empfinden muss. Wahrscheinlich hat sie bis eben geglaubt, dass immer alles so läuft, wie es für den Normalbürger richtig ist. Aber so ist das Leben nicht. Nach außen hin leben wir eine Ordnung, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Die meisten normalen Menschen glauben fest an diese Ordnung, und Raven muss gerade lernen, dass diese Ordnung nicht real ist.

      »Eigentlich hat sich nichts geändert«, antworte ich knapp. »Nur ist sie vielleicht ein besserer Köder als ich. Er hat aus ihr ein Geheimnis gemacht. Nur Rage und der Prospect, den er jetzt nach Rages Tod geschickt