Der fliegende Holländer. Фредерик Марриет

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Название Der fliegende Holländer
Автор произведения Фредерик Марриет
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754928752



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      Philipp nahm die ihm dargebotene kleine Hand. Seine Gefühle überwältigten seine Klugheit; er führte sie nach seinen Lippen. Um sich zu überzeugen, ob Amine nicht unwillig sei, blickte er zu ihr auf und fand ihr dunkles Auge auf sich geheftet; wie früher, als sie ihn einließ, schien sie in seiner Seele lesen zu wollen – die Hand aber wurde nicht zurückgezogen.

      »In der Thal, Amine,« sagte Philipp, die Hand des Mädchens abermals küssend, »Ihr dürft auf mich bauen.«

      »Ich hoffe, – ich glaube – ja, ich bin überzeugt davon,« entgegnete sie endlich.

      Philipp ließ ihre Hand los. Amine kehrte nach ihrem Sitze zurück und schwieg eine Weile in ernstem Nachsinnen. Auch Philipp hatte seine Gedanken und blieb stumm. Endlich begann Amine –

      »Ich glaube von meinem Vater gehört zu haben, dass Eure Mutter sehr arm war – ein wenig heruntergekommen – und dass sich in Eurem Hause eine Stube befinde, welche viele Jahre verschlossen gehalten wurde.«

      »Sie war verschlossen bis gestern.«

      »Und dort habt Ihr Euer Geld gefunden? War denn Eurer Mutter nichts davon bekannt?«

      »Allerdings, denn sie machte mir auf ihrem Sterbebette die betreffende Mittheilung.«

      »So muss sie wohl gewichtige Gründe gehabt haben, das Gemach nicht zu öffnen?«

      »Ja.«

      »Und welcher Art waren dieselben, Philipp?« fragte Amine in weichem und gedämpftem Tone.

      »Ich darf nicht davon sprechen – sollte wenigstens nicht. Es genüge Euch übrigens, wenn ich sage, dass es die Furcht vor einer Erscheinung war.«

      »Vor einer Erscheinung?«

      »Sie sagte, mein Vater sei ihr erschienen.«

      »Und glaubt Ihr, dass es wirklich der Fall war, Philipp?«

      »Ich zweifle nicht im Mindesten daran. Aber jetzt kann ich auf Eure Fragen nicht weiter antworten, Amine. Das Gemach ist wieder geöffnet, und es steht nicht zu besorgen, dass sich abermals eine Spukgestalt zeige.«

      »Ich fürchte mich nicht davor,« versetzte Amine nachsinnend.

      »Aber,« fuhr sie nach einer Weile fort, »hängt dies vielleicht mit Eurem Entschlusse, auf die See zu gehen, zusammen?«

      »Ich will Euch so weit antworten, dass jener Vorfall der Beweggrund ist, der mich veranlasst, zur See zu gehen; jetzt aber bitte ich, nicht mehr in mich zu dringen. Es ist schmerzlich, Euch etwas abzuschlagen, und meine Pflicht verbietet mir, mich weiter darüber auszulassen.«

      Einige Minuten blieben Beide stumm, bis endlich Amine wieder anhob:

      »Ihr wart gar so ängstlich, Euch wieder zu dem Besitz jener Reliquie zu verhelfen, dass ich mich des Gedankens nicht erwehren kann, sie stehe in einer Beziehung zu Eurem Geheimnis. Ist es nicht so?«

      »Ich will Euch auch diese letzte Frage noch beantworten, Amine – ja, sie hängt mit meinem Geheimnisse zusammen; aber jetzt verschont mich.«

      Philipps derbe und fast rohe Weise in Beendigung seiner Rede ging an Amine nicht verloren, welche erwiderte:

      »Ihr seid so sehr von anderen Gedanken in Anspruch genommen, dass Ihr das Kompliment nicht zu fühlen scheint, welches in dem Umstande liegt, dass ich so viel Interesse an Euch nehme.«

      »Doch – ja – ich fühle es, und bin Euch auch dankbar dafür, Amine. Vergebt mir meine Barschheit, aber vergesst nicht, dass das Geheimnis nicht mein Eigentum ist – wenigstens scheint es mir so. Gott ist mein Zeuge, wie sehr ich wünschte, es selbst auch nicht zu kennen, denn es hat alle meine Lebenshoffnungen vernichtet.«

      Philipp schwieg, und als er seine Augen wieder erhob, fand er, dass Aminens Blicke auf ihm hafteten.

      »Wollt Ihr meine Gedanken lesen, Amine, oder mein Geheimnis?«

      »Eure Gedanken vielleicht, nicht aber Euer Geheimnis. Dennoch tut es mir leid, dass es Euch augenscheinlich so schwer bedrückt. Es muss in der Tat furchtbar sein, dass es einen Geist wie den Eurigen also niederzudrücken im Stande ist.«

      »Wo habt Ihr gelernt, so mutig zu sein, Amine?« fragte Philipp, um den Gegenstand des Gesprächs zu wechseln.

      »Die Umstände machen den Menschen mutig oder verzagt. Wer an Schwierigkeiten und Gefahren gewöhnt ist, fürchtet sie nicht mehr.«

      »Und wo sind Euch Gefahren begegnet, Amine?«

      »In dem Lande, in welchem ich geboren bin, nicht an diesem meinem späteren, feuchten und sumpfigen Aufenthaltsorte.«

      »Wollt Ihr mir die Geschichte Eures früheren Lebens anvertrauen, Amine? Ich kann verschwiegen sein, wenn Ihr es wünscht.«

      »Dass Ihr verschwiegen sein könnt, vielleicht auch gegen meinen Wunsch, habt Ihr mir bereits bewiesen,« versetzte Amine lächelnd; »indes seid Ihr immerhin berechtigt, Etwas von dem Leben zu erfahren, dass Ihr gerettet habt. Ich kann Euch nicht viel sagen, aber auch dieses Wenige wird zureichend sein. Mein Vater wurde, als er noch ein Knabe war, am Borde eines Handelsschiffes von den Mauren genommen und von Letzteren in ihrem Lande an einen Hakim oder Arzt als Sklave verkauft. Der Maure, dem die Talente meines Vaters gefielen, bildete ihn zu seinem Gehilfen heran, und diesem Manne verdankt mein Vater seine Kenntnisse. Im Laufe einiger Jahre stand er seinem Meister nicht mehr nach, durfte aber als Sklave nicht für sich selbst arbeiten. Ihr kennt die Habsucht meines Vaters, die sich leider nicht verheimlichen lässt. Er seufzte darnach, so reich zu werden, wie sein Herr, und seine Freiheit zu erhalten. Sein Übergang zum mohammedanischen Glauben verschaffte ihm die Freiheit, und er praktizierte nun für sich selbst. Die Tochter eines arabischen Häuptlings, dessen Gesundheit er wieder hergestellt hatte, wurde sein Weib, und er ließ sich im Land nieder. Ich wurde geboren; mein Vater sammelte sich Schätze, und wurde sehr berühmt. Aber der Sohn eines Bey's, der unter seinen Händen starb, gab einen Grund an die Hand, ihn zu verfolgen. Man stellte ihm nach dem Leben; aber er entkam, freilich mit dem Verluste seines ganzen geliebten Reichtums. Meine Mutter und ich begleiteten ihn; er flüchtete sich zu den Beduinen, unter denen er einige Jahre weilte. Dort gewöhnte ich mich an rasche Märsche, an wilde und grimmige Angriffe, an Niederlage und Flucht, oft auch an grausames Gemetzel. Die Beduinen bezahlten jedoch die Dienste meines Vaters schlecht, und Gold war sein Idol. Als er hörte, dass der Bey tot sei, kehrte er nach Kairo zurück, zu praktizieren. Aufs Neue häufte er sich einen Reichtum zusammen, bis dieser groß genug war, die Gier des neuen Bey's zu erregen; aber glücklicherweise erhielt er Kunde von den Absichten des Gewalthabers. Er flüchtete sich wieder mit einem großen Teil seiner Habe, und erreichte in einem kleinen Schiffe die spanische Küste, durfte aber sein Geld nicht lange behalten. Ehe er dieses Land erreichte, wurde er beinahe seiner ganzen Habe beraubt, und nun hat er seit drei Jahren wieder zusammengespart. Wir waren nur ein Jahr in Mittelburg und zogen dann hierher. Dies ist die Geschichte meines Lebens, Philipp.«

      »Und hält Euer Vater noch immer an dem mohammedanischen Glauben, Amine?«

      »Ich weiß es nicht, möchte aber eher vermuten, dass er es mit gar keinem Glauben hält; wenigstens hat er mich keinen gelehrt. Das Gold ist sein Gott.«

      »Und der Eurige?«

      »Ist der Gott, der diese schöne Welt, samt allem ihrem Inhalt geschaffen hat – der Gott der Natur – nennt ihn, wie Ihr wollt. Ich fühle ihn, Philipp, möchte ihn aber wohl noch näher kennen lernen. Es gibt so viele Glaubensbekenntnisse, die aber zuverlässig nichts Anderes sein können, als verschiedene Pfade, die in gleicher Weise zum Himmel führen. Euer Glaube ist der christliche, Philipp – ist er der wahre? Doch jeder nennt den seinigen so, welcher Art derselbe auch sein mag.«

      »Er ist der wahre und der einzig wahre, Amine. Dürfte ich nur sprechen – ich habe die furchtbarsten Beweise zur Hand –«

      »Dass Euer Glaube der wahre ist? Seid Ihr dann nicht verpflichtet, sie zu offenbaren? Sagt mir, seid Ihr durch eine feierliche Zusage gebunden, sie nie zu enthüllen?«