Der verkannte Papst Alexander VI.. Walter Brendel

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Название Der verkannte Papst Alexander VI.
Автор произведения Walter Brendel
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783754955772



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IV. wurde zwischen 1475 und 1483 die nach ihm benannte Sixtinische Kapelle im Vatikan erbaut. Sie wurde am 15. August 1483 eingeweiht.

      Im Jahr 1478 erklärte Papst Sixtus IV. die Dekrete des Konzils von Konstanz für ungültig, die den Vorrang des Konzils vor dem Papst bestimmten (Konziliarismus). Am 1. November 1478 erlaubte er die Einführung der „neuen“ Inquisition durch eine spezielle Bulle und bestätigte die vom spanischen Herrscherpaar Ferdinand II. (Aragón) und Isabella I. (Kastilien) wiederbelebte spanische Inquisition.

      Papst Sixtus IV. war zeit seines Lebens ein entschiedener Verfechter der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Er setzte alles in seiner Macht stehende daran, dieser Lehre zur allgemeinen Anerkennung zu verhelfen. So publizierte er am 4. September 1483 die päpstliche Bulle Grave nimis. Die Bulle erklärte die Freiheit Mariens von der Erbsünde im Augenblick ihrer Empfängnis. Diese Bulle wurde im Übrigen nie von Rodrigo Borgia für voll genommen.

      Der zeitgenössische Senatsschreiber Stefano Infessura schrieb in seinem Diario della città di Roma (Römisches Tagebuch) über Sixtus, dass „keine Liebe zu seinem Volk in ihm gewesen sei, nur Wollust, Geiz, Prunksucht, Eitelkeit; aus Geldgier habe er alle Ämter verkauft, mit Korn gewuchert, Abgaben auferlegt, das Recht feilgeboten; treulos und grausam hat er zahllose Menschen durch seine Kriege umgebracht.“ Den Tag von Sixtus’ Tod nannte er den „glückseligsten Tag, an welchem Gott die Christenheit aus den Händen eines solchen Mannes erlöste“. Nun gilt zwar Infessura als einer der entschiedensten antiklerikalen Kritiker des Papsttums in jener Zeit – es war auch Infessura, der dem Papst unverblümt Homosexualität vorwarf und ihm vorhielt, vor allem seine Lustknaben zu Kardinälen zu erheben. Der Vorwurf, seine Homosexualität habe die Kardinalskreierungen beeinflusst, ist allerdings zweifelhaft, da einige von Infessura in seinem Diaria darüber gemachte Angaben nicht belegbar sind. Sein Übriges Urteil deckt sich jedoch recht gut mit dem der Historiker auch nachfolgender Generationen.

      Sixtus betrieb einen rücksichtslosen und ausufernden Nepotismus, mit dem Ziel, seinen engsten Verwandten ein erbliches Herzogtum zu sichern. Er schuf die Voraussetzung, dass dies nach dem Tode von Guidobaldo da Montefeltro mit Urbino tatsächlich gelang. Seine Verwandten wurden zudem so großzügig mit Lehen des Kirchenstaates, Benefizien und Pfründen bedacht, dass Vespasiano da Bisticci später schrieb: „Es hätte diese Wahl beinahe zum Niedergang der Kirche des Herrn geführt“.

      Mit der Kardinalserhebung seines Neffen Giuliano della Rovere legte Sixtus IV. den Grundstein für dessen weitere Laufbahn: im Jahre 1503 bestieg dieser als Julius II. den Thron Petri, wurde einer der bedeutendsten italienischen Fürsten und Kunstmäzene seiner Zeit, vernachlässigte dabei aber die geistlichen Belange. Der zeitgenössische Historiker Francesco Guicciardini sagte sehr treffend über ihn, Julius II. habe vom Papst nur das Gewand und den Namen.

      Innozenz VIII.

      Cibo war 1467 Bischof von Savona und 1472 Bischof von Molfetta. Er wurde am 7. Mai 1473 von Papst Sixtus IV. zum Kardinal mit der Titelkirche Santa Cecilia in Trastevere erhoben.

      Seine Wahl zum Papst am 29. August 1484 war weitgehend von Simonie bestimmt. Die päpstliche Politik bestimmte wesentlich Giuliano della Rovere mit. Dieser Neffe des Papstvorgängers Sixtus IV. wurde später selbst Papst und nannte sich Julius II.

      Bekannt wurde Innozenz VIII. vor allem durch die Förderung von Inquisition und Hexenverfolgung mit der Bulle Summis desiderantes affectibus aus dem Jahr 1484. Sie bewirkte, vor allem in Deutschland, eine starke Zunahme von Hexenprozessen, noch verstärkt durch den 1487 von Heinrich Institoris unter Mitwirkung von Jakob Sprenger veröffentlichten Hexenhammer.

      Innozenz war ein schwacher und unselbstständiger Papst, was nicht nur auf seine angeschlagene Gesundheit zurückgeführt wurde. Aufgrund anhaltender finanzieller Probleme war er teilweise sogar gezwungen, Mitra und Tiara sowie Teile des päpstlichen Kronschatzes zu verpfänden.

      Er unterhielt auch gute Beziehungen zur Hohen Pforte, die jedoch hauptsächlich auf eine Verbesserung der Finanzlage hinzielten. In Gegenleistung für jährliche Tributzahlungen und Geschenke, darunter auch eine heilige Lanze, wurde für Sultan Bayezid II. dessen Bruder Cem gefangen gehalten.

      Die Tatsache, dass sein Sterbedatum von Girolamo Savonarola korrekt vorhergesagt wurde, führte dazu, dass dieser charismatische Bußprediger, der die Missstände des Kirchenstaates heftig geißelte, einen noch größeren Zulauf erhielt.

      Politisch war Innozenz’ Amtszeit auch durch den Streit mit König Ferrante von Neapel geprägt, der ihm den Lehnszins verweigert hatte, militärisch aber übermächtig war. Zudem kam der französische König Karl VIII. nicht wie vereinbart dem Papst zu Hilfe. So musste Innozenz im August 1486 mit Ferrante Frieden schließen, den dieser aber wieder brach. Erst durch die Doppelhochzeit seines 35-jährigen Sohnes Franceschetto Cibo (den er im Alter von 16 Jahren mit einem einfachen Mädchen gezeugt hatte) mit einer Medici, der 14-jährigen Maddalena, Tochter von Lorenzo I. de’ Medici (1449–1492), sowie gleichzeitig seiner Enkelin mit einem Onkel Ferrantes konnte der neuerlich ausgebrochene Krieg 1492 schließlich beigelegt werden.

      Innozenz hinterließ viele Kinder (Octo nocens pueros genuit, totidemque puellas; hunc merito poterit dicere Roma patrem – „Acht Buben zeugte er unnütz, genauso viele Mädchen; ihn wird Rom mit Recht Vater nennen können“) und sein Nepotismus zu ihren Gunsten war so verschwenderisch wie schamlos. Seine Nachfahren wurden Herzöge von Massa und Carrara.

      Es zeigt sich schon hier deutlich, dass die Vorgänger von Rodrigo Borgia all das an sich hatten und taten, was später nur ihm angelastet wurde.

      Nun wurde es Zeit, dass er sich selbst als Papst ins Spiel brachte.

      Wenn Rodrigo Borgia zum Papst gewählt würde, müsste er mit seiner Krönung seine Pfründe abgeben. Es boten sich für reiche Kardinäle wie Rodrigo eine Vielzahl von gut dotierten Kirchengütern, die sich bei einer Wahl als Handelsgut einsetzen ließen. Er spielte mit hohem Einsatz, denn die Wahl hätte auch gut gegen ihn laufen können.

      Im Konklave standen sich mit dem Neffen von Papst Sixtus IV., Giuliano della Rovere, und Ascanio Sforza zwei mächtige Kardinäle gegenüber. Della Rovere, der nach dem Tod des nur kurz amtierenden Pius III. tatsächlich als Julius II. Papst werden sollte, hatte eine mächtige Gruppe von Verbündeten um sich gesammelt: Neben Florenz und Neapel unterstützte mit Venedig eine dritte italienische Großmacht seine Kandidatur, ebenso Genua und der französische König Karl VIII.

      Doch die Stimmenverteilung im Konklave entsprach nicht den Machtverhältnissen der Unterstützer. Die Gruppe der Della-Rovere-Gegner führte Ascanio Sforza, der Bruder des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza an, der eigentlich selbst Papst werden wollte, doch mit siebenunddreißig Jahren zu jung und als Bruder des Mailänders als zu stark politisch vorbelastet galt.

      Schon frühzeitig hatten Rodrigo Borgia und Ascanio Sforza eine gemeinsame Vorgehensweise abgesprochen. Wie der Humanist Giovanni Lorenzi schon vor dem Konklave festhielt: „Der Vizekanzler [Rodrigo Borgia] und Ascanio haben den Weltkreis untereinander aufgeteilt, und zwar wie folgt: Der Vizekanzler soll Papst werden, Ascanio aber Über-Papst.“ Zusätzlich hatte Ascanio von seinem Bruder Ludovico eine Blankovollmacht zum Stimmenkauf erhalten, da sie hofften, dass Borgia eine willige Marionette an den Fäden Sforzas sein werde. Ascanio und Rodrigo setzten sich durch, naturgemäß standen aber die ersten Jahre des Pontifikats unter dem massiven Einfluss der Sforza. Von ihm konnte sich Rodrigo Borgia erst nach den Auseinandersetzungen um die neapolitanische Krone, die den Niedergang der Sforza zur Folge hatten, lösen.

      Betrachten wir mal die einzelnen Kandidaten und Bündnisse etwas genauer.

      Die besten Aussichten hatten nach allgemeiner Meinung der Portugiese da Costa sowie die italienischen Kardinäle Ardicinio della Porta, Ascanio Sforza und Giuliano della Rovere. Für den Fall der Wahl della Roveres sollen der französische König 200000 und Genua 100000 Dukaten zur Verfügung gestellt haben.

      Giuliano della Rovere

      Giuliano della Rovere stammte aus ärmlichen Verhältnissen und wurde am 5. Dezember 1443 in Albisola,