Название | The Journalist |
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Автор произведения | Sylvia Oldenburg-Marbacher |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738056969 |
„DAS ist deine Chefin?“ fragte Rob ungläubig. „Du hast aber eine komische Vorstellung von dick und hässlich.“
„Ich muss ihr wohl kurz hallo sagen gehen!“
„Ich komm mit!“
Dabei war es Finn zwar nicht wohl, aber er liess ihn gewähren. Die beiden liefen auf den Tisch zu, an den sich Sharon gesetzt hatte und gerade ein Glas Weisswein bestellte.
„Guten Abend! Was für ein Zufall, Sie hier zu treffen!“ begegnete ihr Finn.
„Guten Abend Herr Carter! Ja, so ein Zufall!“ Sie wirkte überhaupt nicht überrascht.
„Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?“ fragte Rob waghalsig.
Finn warf ihm einen bösen Blick zu und wandte sich dann an Sharon: „Bitte entschuldigen Sie meinen Freund, er ist manchmal…“
Sie unterbrach ihn: „Kein Problem! Um ehrlich zu sein, würde ich gerne einen kurzen Moment mit Ihnen unter vier Augen reden, Herr Carter.“ Sie schaute einen Moment lang Finn in die Augen und blickte dann auffordern zu Rob. Auch Finn blickte Rob an, der noch keine Anstalten machte, weggehen zu wollen.
„Es geht um meinen neuen Job! Du sagst doch, das sei wichtig! Nur einen kurzen Augenblick! Bitte!“
Widerwillig nickte Rob schliesslich und zog sich zurück an den Tresen.
Finn setze sich. Sharon bedankte sich für den Weisswein, der ihr gerade serviert wurde und nahm einen Schluck.
„Sie fragen sich jetzt sicher gerade, ob es solche Zufälle wie diesen hier, geben kann.“
„Es gibt sie, wie man sieht!“
„Was, wenn ich Ihnen sage, dass es kein Zufall ist?“
„Wenn es kein Zufall ist, sind Sie mir gefolgt. Sie haben meine Adresse und haben vor meiner Wohnung gewartet, bis ich das Haus verlassen habe.“
„Denken Sie wirklich, ich hatte den ganzen Tag über nichts Besseres zu tun, als den neuen Mitarbeiter zu stalken?“
Finn glaubte selbst nicht daran, was er da gerade gesagt hatte und zuckte mit den Schultern.
Sharon zog ihr Smartphone hervor und tippte etwas ein: „Werfen Sie bitte einen kurzen Blick auf Ihr Handy!“
Finn verstand nicht, worauf sie hinaus wollte, tat aber wie geheissen. Entsetzt stellte er fest, dass der Browser geöffnet war, mit der Website des SI. Ausserdem war eine Notiz offen, in der stand „Einen netten Gruss von Ihrer neuen Chefin!“ Er blickte hoch und starrte sie fragend an.
„Die heutige Technologie eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Wir denken, unser Smartphone sei privat. So privat ist es leider nicht. Wir haben einen Trojaner in unserem WLAN, der jedes Smartphone, das unsere Büroräumlichkeiten betritt, infiziert. Dadurch können wir jederzeit jede Person orten, die uns schon einmal besucht hat. Ich brauchte Sie daher gar nicht den ganzen Tag zu observieren, um zu wissen wo Sie sind.“
Finn begriff schnell: „Ok, Sie beobachten also unter anderem wo sich Ihre Mitarbeiter aufhalten. Ist das nicht ein wenig übertriebene Kontrolle? Sie hätten mich ja auch einfach fragen können, wo ich bin. Ich hätte es Ihnen gesagt. Nachts bin ich übrigens meistens in meinem Bett, wenn Sie mir da Gesellschaft leisten möchten…“ witzelte er.
Sharon antwortete nicht sofort darauf. Ihr Blick verriet, dass sie sich diese Situation durch den Kopf zu gehen lassen schien. Er konnte sich nicht helfen, er fand sie wirklich sehr hübsch. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihr ein ehrliches Lächeln zu schenken.
Sie lächelte kurz zurück, dann unterbrach sie den Moment der Stille:
„Es geht nicht um Sie! Ich werde Ihren Standort nicht kontrollieren. Ich bin hier, um Ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Sie werden diese Begegnung heute Abend erstmal nicht einordnen können. Das ist völlig okay. Sie beginnen ja erst morgen mit der Arbeit. Und ich hoffe, Sie werden diese Arbeit dadurch mit viel Interesse und Elan ausüben.“
„Das habe ich vor!“
„Sehr gut! Ich bin übrigens Sharon! Ich glaube, Sie sind ein Mensch, der den Respekt auch mit dem Du wahren kann.“
Er nickte: „Finn!“
Sie leerte den Rest ihres Weins in einem Zug und legte einen Zehner auf den Tisch. „Sehr schön, Finn! Es hat mich sehr gefreut! Ich wünsche dir und deinem Freund noch einen schönen Abend. Trinkt nicht so viel, morgen beginnt die Arbeit!“
Mit einem wieder arrogant wirkenden Lächeln stand sie auf, verabschiedete sich und verliess das Lokal. Finn hatte tatsächlich Mühe, einzuordnen, was gerade passiert war. Er stand auf und setzte sich wieder zu Rob.
„Was war das denn jetzt?!“ wollte er wissen.
„Ich habe keine Ahnung! Anscheinend hat sie mein Handy geortet und mich deswegen hier besucht!“
„Die Alte ist heiss, aber sie hat einen Schuss! Pass bloss auf!“
Finn schaute ihn an, sagte aber nichts. Er nahm noch einen Schluck Bier. Danach würde er nach Hause gehen, er wollte morgen fit sein.
Der erste Arbeitstag
Heute stand Finn problemlos auf, als der Wecker klingelte. Er wusste nicht, woher der Elan kam, der ihn beinahe freudig antrieb, aber er war da. Er erledigte seine morgendlichen Rituale und war früher in der SI, als erwartet. Sharon war bereits in ihrem Büro und arbeitete. Ein Workaholic, dachte Finn. Hat sie ein Privatleben? Und wieder musste er sich daran erinnern, dass ihn das nichts angeht.
Sharon begrüsste ihn, sie erkundigte sich, ob er denn noch einen lustigen Abend gehabt habe, trank mit ihm einen Kaffee und stellte ihn den anderen Mitarbeitern vor, bevor sie ihm schliesslich seinen neuen Arbeitsplatz zeigte, ihn anwies, sich einzurichten und sie danach in ihrem Büro für eine Einweisung aufzusuchen. Das tat er.
„Bitte Finn, nimm Platz!“ Er setzte sich wieder auf einer der Besucherstühle gegenüber ihrem Schreibtisch. Ihm waren die Überwachungskameras aufgefallen, die überall in der SI installiert waren: „Du magst Kontrolle?“ fragte er mit einem Zwinkern.
„Wir werden kontrolliert. Da habe ich mir gedacht, es wäre besser selbst auch zu kontrollieren und nötigenfalls eigene Beweise zu haben. Keine Angst, es geht nicht darum, zu kontrollieren, ob meine Mitarbeiter zwischendurch mal auf Facebook sind!“ Auch sie zwinkerte. „Dann zur Sache: Ich vermute, du hast nicht die geringste Ahnung, was die Swiss Independent ist.“
Er antwortete verlegen: „Um ehrlich zu sein, vermute ich, dass es um unabhängige Berichterstattung geht. Viel mehr weiss ich zugegebenermassen nicht.“
„Das dachte ich mir! Dann werde ich zuerst mit einem kurzen Werdegang beginnen. Ich habe vor 5 Jahren damit angefangen eine kleine, unbedeutende Online-Nachrichtenplattform zu betreiben. Anfangs waren es lediglich aktuelle Themen aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Ich bezog meine Informationen nicht aus den grossen Nachrichtenagenturen, sondern las die verschiedenen Berichte der grossen Zeitungen und Fernsehnachrichten, verglich sie miteinander und recherchiert im Internet um sie in einen grösseren Kontext zu setzen. Meine Berichte fanden nach und nach mehr Anklang und ich konnte schnell die ersten Printausgaben drucken lassen. Heute habe ich 10 Mitarbeiter, die sich den verschiedensten Themen annehmen. Unser Journal erscheint wöchentlich und umfasst jeweils rund 70 Seiten im A4-Hochglanzformat. Einige meiner Mitarbeiter beschäftigen sich zurzeit mit den diversen Kriegen, mit der Flüchtlingskrise, mit der Innenpolitik der Schweiz. Andere nehmen sich hauptsächlich TTIP und GMO-Food, das Aussterben des Regenwaldes oder der Ausbeutung von Tieren in Zusammenarbeit mit dem WWF vor. Vermutlich sagt dir Anonymous etwas, wir haben sehr direkten Kontakt mit einigen dieser Leute.
Ich kann dir empfehlen, die eine oder andere Ausgabe bei Gelegenheit durchzublättern, ist selbstverständlich