Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring

Читать онлайн.
Название Mythos, Pathos und Ethos
Автор произведения Thomas Häring
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738030754



Скачать книгу

doch jeglichen Rahmen. Man ließ den Alten noch ein letztes Mal gewähren, weil man sich dachte, "danach ist ja zum Glück Ruhe und dann kann er uns mal kreuzweise den Buckel runterrutschen mit seiner selbstherrlichen Art und seinen Einflüsterern aus der Staatskanzlei", die er den einfachen Abgeordneten in seinen letzten Regierungsjahren immer mehr vorgezogen hatte. Also standen alle nach seiner Rede noch einmal auf, spendeten stehend Applaus und freuten sich insgeheim darüber, daß die Opposition bereits eine CD mit "Sträubers Gestammelten Werken", also seinen schönsten Versprechern, in Umlauf gebracht hatte, damit man wenigstens ein lustiges Andenken an den anstrengenden Mann mit nach Hause nehmen konnte. Blackschein und Zuber konnten sich mittlerweile den Luxus erlauben, erst während der Rede Sträubers im Landtag hereinzuschneien und ihre Plätze einzunehmen, ein Jahr früher wäre so eine Majestätsbeleidigung völlig undenkbar gewesen. Ja, die Zeiten änderten sich, nur Sträuber blieb derselbe Autist wie gewohnt, deshalb perlte auch die Kritik der Opposition wie immer an ihm ab.

      Blackschein und Zuber redeten nach der Ansprache ihres baldigen Vorgängers miteinander: "Du, Merlin, ich dachte schon Du kommst gar nimmer", bemerkte Gunnar. "Ach, weißt Du, ich hab den Egmont schon so oft reden hören und wenn man es genau nimmt, dann sagt er eigentlich eh fast immer das Gleiche", entgegnete Zuber. "Das stimmt, aber heute war doch sein letzter Auftritt, da hättest Du wirklich nicht eine halbe Stunde warten müssen, bis Du im Parlament auftrittst und Dich auf Deinen Platz begibst." "Man muß manchmal auch Zeichen setzen können, außerdem hatte ich da gerade eine wichtige Besprechung mit meiner zukünftigen Generalsekretärin und mir persönlich ist die Zukunft ehrlich gesagt wesentlich wichtiger als die Vergangenheit." "Mir auch, Merlin, mir auch. Aber der Sträuber will uns ja sogar in unsere gemeinsame Zukunft hineinpfuschen mit seinem Programm 2020. Der ist doch wirklich von allen guten Geistern verlassen." "Ach, das darfst Du nicht überbewerten. Der war solange an der Macht, der kann gar nicht mehr anders, selbst wenn er wollte. Wir halten uns jetzt noch zweieinhalb Monate zurück und dann legen wir endlich los." "Au ja, darauf freue ich mich jetzt schon. Wenn doch bloß nicht diese blöden Wahlen schon ein Jahr später wären." "Und wenn schon? Wir werden das beste Tandem sein, das die CSU jemals hatte." "Auf jeden Fall. Aber irgendwie hat der Magnet schon Recht gehabt als er meinte, der Sträuber hätte mir mit seinem Regierungsprogramm die politischen Fußfesseln angelegt." "Ach was! Du darfst nicht auf die Schwarzmaler von der Opposition hören, Gunnar. Die wollen nur den Untergang der CSU. Genauso wenig darfst Du aber auch auf den Sträuber und seine Lakaien hören, die wollen nämlich nur den Untergang von uns Beiden." "Glaubst Du das denn wirklich?" "Leider ja. Der Sträuber, der Feehoffer und der Öder scharren bereits jetzt mit den Füßen und warten nur auf unsere ersten Fehler." "Na ja, das wird garantiert nicht lange dauern, so wie ich uns kenne. War nur ein Scherz, Merlin, nicht gleich böse schauen. Apropos Öder: Was machen wir mit der Blindschleiche eigentlich?" "Na ja, ich würde sagen, der soll Europaminister werden, dann haben wir ihn nicht ständig vor Augen, diesen Stiefelknecht vom Sträuber." "Gute Idee. Also dann, ich geh jetzt, bevor ich noch dem Sträuber über den Weg laufe und mit dem reden muß." "Ja, darauf kann ich auch nur zu gern verzichten. Seit Wildbad Kreuth behandelt mich der eh wie einen Aussätzigen." "Sei froh, dann schüttelt er Dir wenigstens nicht die Hand." "Auch wieder wahr." Sie reichten sich zum Abschied selbstverständlich schon die Hände und gingen daraufhin fröhlich gestimmt auseinander. Bald würde es soweit sein.

      Das Ende einer Ähra

      Ach ja, es hätte alles so schön werden können. Im Grunde war die CSU Ende September 2007 nichts Anderes als eine Familie, die ihren verwirrten Opa ins Altenheim brachte. Der war in den letzten Jahren immer anstrengender und zu einem richtigen Haustyrann geworden, der nur noch auf sein Pflegepersonal gehört und die Familienmitglieder weitestgehend ignoriert hatte. Damit dem Alten der Abschied nicht gar so schwer fiel, hatte man am 28.09.2007 noch schön brav Geburtstag mit ihm gefeiert, sogar eine alte Bekannte, die deutsche Bundeskanzlerin, war extra angereist, um dem Opa noch ein paar nette und spöttische Worte mit auf den Weg ins Heim zu geben. Die Devise lautete also mittlerweile nicht mehr "Heim ins Reich", wie beispielsweise bei den Sudetendeutschen, zu denen die Ehefrau des verkalkten Greises gehörte, einst üblich, sondern "reich ins Heim" und das sollte dem Sträuber-Opa auch gelingen. Damit ihm der Abschied von der Macht nicht gar so schwer fiel, entschied die große Familie, dem Alten als Dank für 14 Jahre einen motorisierten Rollstuhl zu schenken.

      Allerorten war die Erleichterung groß, daß man sich die Reden des Sträuber bald nicht mehr live anhören würde müssen, doch sein Nachfolger als CSU-Parteichef machte da wenig Hoffnung auf Besserung. Zwischen drei Persönlichkeiten hatten sich die Delegierten entscheiden dürfen und sie wählten die sicherste Variante. Merlin Zuber wurde neuer Parteichef und seine erste Rede in jener Funktion ließ Schlimmstes befürchten. Nicht daß man sich auf einmal den Egmont zurückgewünscht hätte, so schlimm war der Sprechdurchfall vom Zuber dann doch nicht gewesen, aber Begeisterung sah definitiv anders aus. Den Feehoffer hatte man nicht wählen können, weil der ein außereheliches Kind hatte und zwar auch noch ganz frisch, das paßte mit der Scheinheiligkeit sowie der Doppelmoral, welche die CSU und ihre Mitglieder nun mal auszeichneten, beim besten Willen nicht zusammen. Also bekam der Merlin gut 58 Prozent und der Torsten über 39 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die restlichen 2,5 % vereinte die sagenumwobene Heidemarie Mauli auf sich, welche seit ihrem Vorschlag von der Ehe auf Zeit in der Partei völlig isoliert war. Es hätte alles ganz gemütlich über die Bühne gehen können, wenn jene Frau Mauli nicht den künftigen Ministerpräsidenten Gunnar Blackschein zur Rede gestellt hätte. Der hatte angeblich verlauten lassen, die Heidi wäre "ein Fall für den Psychiater" und jener hatte der Guten anscheinend in ihrer Therapiesitzung empfohlen, den Ärger nicht runterzuschlucken, sondern der ganzen Situation offensiv zu begegnen und den Gunnar in der Aussprache, die auf dem Parteitag angesetzt gewesen war, zu fragen, was er denn eigentlich damit meinte, noch dazu, da sie Beide ja bekanntlich eine gemeinsame Geschichte vorzuweisen hatten. Dem Blackschein war das ganze Theater mehr als peinlich, die Frau nervte ihn seit Wochen und dann auch noch das! Er schwieg, um sie nicht noch mehr beleidigen zu müssen, doch sie begann immer wieder zu drängen und irgendwie war die groteske Situation das beste Beispiel für eine Partei, die innerlich nach wie vor ziemlich zerrissen und gespalten war. Der Königsmord an Egmont Sträuber war keineswegs vergessen und verziehen, erst recht nicht verarbeitet und Heidemarie Mauli verkörperte den Verrat an dem großen bayerischen Staatsmann am deutlichsten. Deswegen versuchten alle Beteiligten, das Ganze irgendwie unbeschadet zu überstehen und selbst Sträuber hielt sich mit Beschimpfungen zurück, seine Zeit war abgelaufen, aber er würde hinter den Kulissen weiterhin mitmischen, so viel stand fest. Denn auch im Altenheim gab es Telefone und die konnte der alte Mann sogar benutzen.

      Doch zunächst hatte er Ärger mit seiner Alten, denn Kathrin machte ihm die Hölle heiß. "So, jetzt wo das Spektakel endlich vorbei ist, muß ich mal ganz ernsthaft mit Dir reden. In der Zeitung stand nämlich, daß Du Dich mit der Mauli doch getroffen hättest und zwar am 18.Januar 2007. Stimmt das?" insistierte die Ehefrau. "Äh, also, das kann schon sein, daran kann ich mich nicht mehr so recht erinnern, ich habe damals mit so vielen Leuten geredet, vielleicht war da auch mal die Mauli darunter. Aber wenn, dann nur ganz kurz", behauptete der Ehemann. "Oh wie ich Deine Lügen hasse! Und diese Idee mit der Ehe auf Zeit, das habt Ihr Euch doch gemeinsam ausgedacht, nur damit Du Dich von mir trennen kannst und sie dann heiraten darfst." Egmont verstand die Welt nicht mehr. Waren denn plötzlich alle verrückt geworden? "Kathrin, Muschi, das ist doch alles völliger Schwachsinn! Der Blackschein wollte endlich Ministerpräsident werden, nachdem er wegen mir all die Jahre auf der Karriereleiter nicht hochgekommen war. Zuerst, da ich als Kanzlerkandidat scheiterte und später, weil ich doch nicht nach Berlin gegangen bin. Um mich loszuwerden, tat er sich mit seinen fränkischen Kameraden zusammen und die beschlossen, daß jemand von ihnen fordern sollte, daß ich 2008 nicht mehr als Spitzenkandidat für die CSU antrete. So wurde es auch gemacht und weil das alles so prima lief, machte man noch eine Spitzel-Affäre daraus, um mich noch schneller aus dem Amt zu jagen. Ich weiß zwar nicht, was genau der Blackschein der Mauli versprochen hat, aber umsonst wird sie das alles bestimmt nicht gemacht haben." Kathrin schaute ihren Göttergatten irritiert an. "Woher weißt Du denn das alles?" "Das haben mir der Öder und der Feehoffer erzählt. Du hast ja selber mitbekommen, wie die Mauli den Blackschein auf dem Parteitag zur Rede stellen wollte." "Ja, aber da hast Du ihm doch