Название | Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf |
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Автор произведения | Heinrich Mann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754954393 |
Den Schauspieler Kurschmied, der ihn unverwandt musterte, übersah er. »Nun zu uns Beiden«, verhieß er und trank Mangolf zu. Das Trinken geschah ausführlich, mit kostenden Lippen und in besonders energischer Haltung. Wo hatte er es gelernt, mit Menschen so umzuspringen? Und sah er nicht, daß er auffiel? Mangolf stellte beunruhigt fest, daß die beiden Maler ihn schon karikierten; mit dem rötlichen, geteilten Bart, den er sich hatte wachsen lassen, seinen feurigen schwarzen Augen, dem Mund, dessen Winkel die Tatkraft förmlich ballte, – und alles doch nur das Gesicht eines Halbzwergen, der sich angestrengt größer macht.
Nach beendigtem Trinkakt erhob Terra das Glas nochmals gegen den Mittrinker, setzte es liebevoll hin und fragte mit plötzlich betonter Wiedersehensfreude:
»Womit, mein lieber Wolf, hast Du Dir also die Zeit vertrieben?«
»Wenn dies das entsprechende Wort wäre, dann, scheint es, hättest Du mehr zu berichten«, erwiderte Mangolf.
»Ich habe mir nicht die Zeit vertrieben«, sagte Terra; und hell trompetend: »Ich habe mich blamiert.«
»Du faßt die Blamage als Beruf auf?«
»Was könnte ein junger Hund, sofern er nicht schwachsinnig zur Welt gekommen ist, in ihr sonst tun, als sich blamieren.« Weiter, zu Kurschmied: »Wir sehen uns nicht das erste Mal, mein Herr.«
»Es wäre möglich.« Kurschmied wechselte mit Mangolf einen besorgten Blick. Terra fing ihn ab, worauf er sich, von der Vorfreude gehoben, an Pilz wandte. »Auch wir kennen uns. Die junge Dame, die Sie hinter einer Budenreihe des Volksfestes Ihrer Verehrung versicherten, verdient sie auf mein Wort. Sie hat eine Haut, so blendend, daß die Schlange, womit die Dame sich berufsmäßig umwickelt, im Schillern es mit ihr nicht aufnimmt. Schwarze Fingernägel stören Sie bei einer Frau nicht?«
Der Reiche verneinte es sachlich. Graf Lannas fragte nachlässig: »Sind Sie beim Varieté, Herr –?«
»Terra.« Und stotternd: »Herr Graf schmeicheln mir. Obwohl ich mancherlei Berufe –«
Sogar die Maler, die aufhörten sich anzustoßen, sahen mit Staunen, wie wehrlos jener Mensch war, sobald einer seinen Angriffen zuvorkam. Schon aber setzte Terra sich zurecht. Lannas begegnete seinem Blick nicht, – obwohl es immer ungewiß war, wohin die Augen des jungen Edelmannes, undurchsichtige Augen vom Glanz der Halbedelsteine, zielten. So blickte Terra von Lannas zu Mangolf; er begann feierlich:
»Mein verehrter Herr Graf! Ihr verehrter Herr Vater –«
»Was wollen Sie nur immer mit meinem Vater.« Der Edelmann zog vor dem unzarten Menschen die Schultern zusammen, als ob es ihn fröre.
»Ist mir der unwiderlegbarste Bürge Ihrer großen staatsmännischen Zukunft.« Gedämpft aber scharf: »Der Graf ist im Begriff, Minister zu werden.«
Der junge Lannas zuckte zusammen, bei der Nennung des streng behüteten Familiengeheimnisses. Er überzeugte sich, ob Mangolf gehört habe. Mangolf sah peinlich berührt aus. Terra, der nur darauf los behauptet hatte, ging sogleich daran, seine jetzt erworbene Vertrauenswürdigkeit auszunützen. »Eben darum wagt meine obskure Wenigkeit es. Ihnen den Gedanken nahe zu legen, daß Sie es nicht eilig haben. In Ihrem Wesen, Ihrer Erscheinung macht sich selbst dem Uneingeweihtesten jene besondere und, das Wort sei erlaubt, verhängnisvolle Glut bemerkbar, die auf Erden nun einmal nur beim Theater ihre geeignete Verwendung findet.«
Wobei er die korrekte Gestalt des jungen Edelmannes ehrfurchtsvoll erstaunt überblickte. Die anderen bekamen hierauf neugierige Mienen, sogar Mangolf. Terra beachtete dies nicht. Er zog sich, als habe er die gräfliche Aufmerksamkeit schon zu lange mißbraucht, mit Zartgefühl ein wenig vom Tisch zurück.
Unvermittelt überkam ihn nochmals die Wiedersehensfreude, er trank wieder dem Freunde zu. Der Freund suchte zu erraten, welches neue Unheil bevorstehe, da kam schon die Frage: »Wann warst Du das letztemal bei meiner Schwester?« Und bevor Mangolf eine unanstößige Antwort geben konnte: »Meine Schwester befindet sich in einem öffentlichen Hause«, – klar und zu allen. Mangolf griff ein. »Der Witz ist gut. Auch ein Stadttheater ist mehr oder weniger ein öffentliches Gebäude.« Worauf die Mienen Erleichterung ausdrückten. Graf Lannas zeigte sogar Teilnahme.
»Hat Ihr Fräulein Schwester Talent? Glauben Sie, Herr, Pilz solle das Theater gründen, von dem er immer spricht? Ist ein Theater ein gutes Geschäft? Würden Sie die Leitung übernehmen und vielleicht auch Ihr Fräulein Schwester engagieren, falls sie Talent hat?« – wobei der junge Herr die Schultern zusammenzog.
Terra beantwortete diese hilflosen Fragen wie ein Vater. Er unterrichtete die Herren über die laufenden Gründungspläne, verriet ihnen einen erstrangigen, von Niemand noch erkannten Bauplatz und stellte sich ihnen persönlich zur Verfügung. »Was meine Schwester betrifft, ein pompöses Weib, werde ich mir erlauben, sie den Herren bei der ersten Gelegenheit hierselbst vorzuführen.« – »Ah!« machte der reiche Pilz und lebte auf.
Unverzüglich wollten die beiden Maler nach den Angaben Terras die Pläne entwerfen für das künftige Theater. »Ich glaube doch, Herr Mangolf wollte Ihnen noch einen Witz erzählen«, sagte Terra teuflisch. Aber Mangolf und Kurschmied, an dem Zeitvertreib unbeteiligt, setzten sich weiterhin, im schon geleerten Lokal – Mangolf schweigsam und gelb. Er sah gramvoll vor sich hin, sein plötzlich gealtertes Gesicht bebte leise.
»Ich verstehe Sie«, begann Kurschmied; und auf einen fremd fragenden Blick: »Welche Enttäuschung erleben Sie an Ihrem Jugendfreunde.« Zufolge einer Bewegung Mangolfs: »Sie wollen nicht, daß man es sieht, aber ich sehe alles. Ihr Freund macht seine Geschäfte auf Ihre Kosten«.
»Wer weiß«, sagte Mangolf, »ob im Grunde nicht mehr vorgeht, als eine einmalige Fopperei.« Er runzelte die Stirn, weil er bereute, laut gedacht zu haben, und lenkte ab.
Als Mangolf dann aufbrach, erhob sich auch Terra. »Meine Herren, so sehr ich Ihre vielversprechende Leidenschaft noch weiter mit meinen schwachen Talenten zu unterhalten wünschte, hier ist mein Freund. Wir entbehren einander seit Jahren. Trennen Sie uns an diesem ersten Abend nicht!«
Und er nahm den Arm seines Freundes, um mit ihm fortzugehen.
Der Freund sagte: »Du bist mitteilsamer geworden. Ich wollte nicht sagen: zynischer.«
»Das Meiste hab' ich allerdings schon mitgemacht.«
»Mit der Frau von drüben? Ihr habt euch in der Welt umgesehen?«
»Sie hatte besseres zu tun. Statt ihrer sahen sich zwei volle Dutzend jener Damen, deren Urtyp sie war, in meinem Hirn und meiner Tasche um. Ich hatte alle Hände voll zu tun. Und Du, mein lieber Wolf?«
Da bekannte Mangolf, plötzlich vertraulich wie einst, was ihm der Ehrgeiz sei. Kein Drang, sich zu versorgen und groß dazustehen. Eine Leidenschaft, dem Gelichter unbekannt, aber wirkend aus geheimer Tiefe, und darum in steter, geheimnisvoller Verbindung mit dunklen Kräften. »Man hat ein Auge auf mich.«
Terra blies durch die Nase und schwieg. Von der Seite stellte er fest, der Freund habe gerötete Backenknochen. »Darauf möchte ich Dir vorschlagen, eine gute Flasche Wein zu trinken«, sagte er zeremoniös wie bei einer ersten Vorstellung.
Mangolf war nicht geneigt, länger aufzubleiben, immerhin begleitete er Terra noch ein Stück Weges nach seiner erstaunlich abgelegenen Wohnung. Terra fragte: »Sollte Dir der Abenteurer Wiborg aus seinen Taten bekannt sein?«