Das Ding im Atlas. Micha Rau

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Название Das Ding im Atlas
Автор произведения Micha Rau
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783742734730



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… du hast mich bestellt?“

      Den Rest schenke ich mir. Jedenfalls ging das noch eine Weile so weiter, aber dann stand sie kopfschüttelnd vor mir und grinste.

      „Na ja, was soll´s. Du bezahlst mich dafür, und ihr habt euren Spaß. Ich glaub, dass könnte sogar richtig lustig werden. Warum also nicht?“

      Außerdem, wie sagt der Lateiner: Pecunia non olet. Geld stinkt nicht. Das spielte sicher auch eine Rolle, denn 150 Piepen sind 150 Piepen.

      Machen wir´s kurz, aber schmerzhaft. Sie war da, sie würde es machen, und ich wiederum musste machen, dass ich reinkam.

      Ich bedeutete unserem Gast, mir zu folgen. Schließlich stand ich vor der Klassentür, sie zehn Meter dahinter, und ich konnte das Gefühl nicht unterdrücken, mal eben den Roadrunner zu spielen, sprich: abzuhauen.

      Aber zwei Dinge standen dagegen: Sie hätte das Geld und ich die Klasse am Hals gehabt.

      Ich klopfte an und trat ein.

      „Kannst du mir verraten, wo du jetzt herkommst?“

      „Entschuldigung … ich hab Dünnsch… ähh … Durchfall.“

      „So. Da hättest du eine Woche mit warten sollen, da kommt nämlich der Verdauungstrakt an die Reihe. Und jetzt setz dich ein bisschen plötzlich und stör nicht weiter.“

      Knolle schien ausgerechnet heute nicht seinen besten Tag zu haben.

      Ich tat also wie befohlen, pflanzte mich auf meinen Platz und hob kurz die Daumen. Neunundzwanzig Augenpaare glänzten, und die dazugehörigen Köpfe wussten jetzt Bescheid. Alles klar.

      Es dauerte nicht lange, aber in diesen zwei, drei Minuten schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Was würde ich in einer solchen Situation tun? Klarer Fall, ´ne Runde lächeln und dann verdünnisieren. Selten so leichtes Geld verdient, und wer würde uns schon glauben? Außerdem, mal ehrlich: Wer hätte das schon weitererzählt? Wir hätten uns bis auf die Knochen blamiert.

      Also, ich wäre gegangen und hätte mir mit den hundertfünfzig einen schönen Tag gemacht.

      Es klopfte.

      Beinahe alle zuckten zusammen. Beinahe heißt: Knolle nicht und ich nicht. Knolle hatte schließlich keinen Grund zum Zusammenzucken, und ich, ich war nichts als erleichtert, dass mir dieses göttliche Geräusch die Verantwortung für die ganze Kohle von den Schultern nahm. Ehrlich, ich dachte in dem Moment nur ans Geld. Aber nicht lange.

      Knolle drehte seinen Kopf mit Hilfe seines kurzen Halses unwillig in Richtung Tür. Das erinnerte an den Geschützturm eines Panzers, der sich auf ein feindliches Objekt einstellt.

      „Ja, bitte.“

      Der Feind kam rein. Die Versöhnung dauerte genau eine Sekunde. Knolle machte Augen wie einer seiner geliebten Stichlinge, der nur noch an Brutpflege denkt.

      Das Objekt seiner obskuren Begierde machte die Tür hinter sich zu und postierte sich vor unserem armen Biolehrer.

      „Wo ist die Steckdose?“

      Sicherlich keine allzu schwierige Frage, aber Knolle starrte die Erscheinung an, als sähe er zum ersten Mal in seinem Leben ein Playmate des Monats. Na ja, vielleicht war das ja auch so.

      Damit keine Missverständnisse aufkommen: Sie war durchaus bekleidet. Die schwarzen Lackstiefel bedeckten zumindest das untere Drittel ihrer Beine, die atemberaubenden Oberschenkel jedoch waren sozusagen nach oben offen. Wenn das Wort Mini für einen Rock passte, dann hier. Sie besaß wahrlich kein Erbarmen mit der finanziellen Lage der Stoffhändler.

      Der Bauchnabel lag frei. Das lag daran, dass das knappe T-Shirt durch die üppigen … ähhh … enormen … nun, also, ihr wisst schon, derart nach oben gezogen wurde, dass genügend Luft an den Bauch kam.

      Ihre pechschwarzen Haare reichten bis weit hinunter auf den Rücken. Das einzige, was mir eigentlich nicht besonders gefiel, war ihr Gesicht. Um das Make-up wieder runterzukriegen, hätte man Hammer und Meißel benötigt. Ihren Mund umzog ein spöttisches, leicht überhebliches Lächeln. Aber seien wir ehrlich. In dem Alter interessierten mich anaTomische Besonderheiten des weiblichen Geschlechts weit mehr als das Gesicht eines solchen Wesens.

      Auch Knolle schien an solchen lächerlichen, wirklich überflüssigen Details nicht sonderlich interessiert. Er war sozusagen kurz mal weggetreten.

      „Steckdo… Steckdose?“

      Aha. Hören konnte er noch. Unsere Besucherin wurde ungeduldig.

      „Ja, Steckdose. Sie wissen doch, so´n Ding, wo man was reinsteckt, und dann kommt Saft raus.“

      Allgemeines Gekicher.

      „Ja, natürlich, natürlich. Hier gleich am Fenster. Aber entschuldigen Sie bitte die Frage, möchten Sie etwas vorführen?“

      Mensch, Knolle war wieder fit! Eine vernünftige Frage, hätte ich ihm gar nicht zugtraut. Da fällt mir ein, ich hab ganz vergessen, zu erzählen, dass in der rechten Hand der Dame ein CD-Player baumelte.

      „Ohne das Ding kann ich nicht arbeiten.“

      „Ah so“, machte Knolle. „Eine unterrichtsbegleitende Maßnahme. Davon weiß ich ja gar nichts.“

      Das Gekicher nahm zu. Manche hielten sich krampfhaft zurück, um nicht laut zu lachen, dass die unmöglichsten Grimassen entstanden. Mir selbst standen schon die Tränen in den Augen.

      Die unterrichtsbegleitende Maßnahme stolzierte zum Fenster, stellte den CD-Player auf das Fensterbrett und schloss ihn an.

      „Für eine gute Vorführung brauche ich Musik.“

      „Aha.“

      Sie stellte das Ding an. Die Kuschelmusik knisterte ein wenig, aber das störte nicht weiter. Plötzlich dröhnte ein erotisches Gestöhne durch die Klasse. Die Scheibe kannte ich ja noch gar nicht.

      Knolle sah das alles, hörte das alles und kapierte nichts. Ich bekam einen unmotivierten Hustenanfall.

      Jetzt begann der interessanteste Teil. Durch tränenverschleierte Augen nahm ich wahr, dass unsere teure Investition an Knolle vorbeischwebte, sich in die Mitte der Klasse begab und anfing … zu tanzen!

      Mochte einer sagen, was er wollte, aber das konnte sie! Sie wand und drehte sich zu dieser heißen Musik, dass alle Jungs nach ein paar Sekunden Stielaugen kriegten. Einschließlich Knolle. War ja schließlich auch ´n Junge. Dem traten die Augen aus den Höhlen, dass ich schon aufspringen wollte, um sie aufzufangen.

      Und so langsam, ganz langsam, kapierte er. Noch ein paar Sekunden, und er sah aus wie vor dem Super-Gau.

      Doch jetzt kam das Mädel zur Sache. Mit beiden über dem Kopf verschränkten Armen zog sie ihr T-Shirt nach oben, und die herrlichen … na, ihr wisst schon, wurden endlich ihres einengenden Textils befreit und sprangen fröhlich ins Freie.

      Wir klatschten Beifall wie die Wahnsinnigen.

      Knolle schnappte über.

      Ich dachte einen Moment lang besorgt, er könnte einen Herzinfarkt erleiden, aber er überlebte. Er schnappte nach Luft und hopste um den Lehrertisch herum.

      „Hören Sie auf! Aufhören! Aufhören! Sie Ferkel! Schluss!“

      Die ganze Reaktion bestand darin, dass sich die wirklich unerhört gut gebaute Dame umdrehte, auf ihn zukam und mit dem Oberkörper wackelte.

      Das war nun doch etwas zuviel für unseren guten Knolle. Er sprang zur Tür, riss sie auf und fing an zu brüllen. Er hörte gar nicht mehr auf. Und dann raste er los.

      „Ich rufe die Polizei! Ich werde die Polizei rufen! Herr Direktor! Herr Direktor!“

      Jo, Baby, jo. Mann, war das geil. Im wahrsten Sinne des Wortes.

      Der Direktor kam dreißig Sekunden später, aber das war für eine im An- und Ausziehen geübte Person wahrlich keine Zeit. T-Shirt über, CD-Player gegriffen