So war das nicht geplant. Karen Sommer

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Название So war das nicht geplant
Автор произведения Karen Sommer
Жанр Языкознание
Серия Walding
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753183428



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Annas Magen bereits zu einem harten Felsbrocken entwickelt. Was sie wohl alles erwartete?

      Überwältigt stapfte Anna hinter ihrer Freundin her. Unglaublich, was die Bewohner des kleinen Ortes hier errichtet hatten. Ein riesiges Zelt war mit bunten Lichterketten und Lampions geschmückt. Die Gartentische zierten kleine Blumengestecke mit Wiesenblumen. Es duftete herrlich. Viele der Tische waren bereits besetzt. Die Band positionierte gerade ihre Instrumente und der Sänger testete das Mikro. Es gab verschiedene Bereiche, die durch Aufsteller voneinander getrennt waren und den Gästen einen Wohlfühlfaktor lieferten: Weinbar, Café, Cocktailbar. Annas Augen schweiften über die gemütliche Atmosphäre und saugten verschiedenste Eindrücke auf. Gerüche jeder Art drangen zu ihr durch. Blind stolperte sie hinter Thomas und Marie her.

      „Was soll das? Jemanden zum Servieren einzuteilen, der keinen Menschen kennt und nicht mal ein volles Tablett tragen kann!“

      Das wütende Geschrei gelangte endlich auch zu Anna durch und riss sie aus ihren Gedanken. Sie musterte den Ausgangspunkt dieser Rede. Eine Zornesfalte zierte den breitschultrigen Mann bei der Essensausgabe.

      „So schlimm wird es schon nicht werden. Sie wird das sicher schnell lernen“, versuchte Thomas den Riesen zu beschwichtigen. Schwungvoll stellte sein Gegenüber gerade mehrere Teller mit Grillkotletts auf die Anrichte und brummte vor sich hin. Seine Augen funkelten, dass Anna unwillkürlich zurückzuckte.

      „Vielleicht solltet ihr doch jemand anderen für diesen Job suchen.“ Verunsichert von diesem finster dreinschauenden Riesen versuchte Anna noch einmal gegen diese Aufgabe zu protestieren. Verlegen trat sie von einem Fuß auf den andern. Was machte sie eigentlich hier?

      „Aber wo! Du machst das sicher gut!“, schob Thomas alle Einwände von sich.

      Ein dunkelhaariger, gutaussehender Mann brachte ihr eine Brieftasche, Block und Kugelschreiber und eine Umhängetasche.

      „Hallo, ich bin der Markus. Wenn du irgendwas brauchst, ich bin in der Cocktailbar und jederzeit für dich da.“ Er wackelte verschmitzt mit den Augenbrauen.

      Anna schmunzelte. „Hallo, Anna. Danke. Schön habt ihr das hergerichtet.“

      „Ja, es ist schließlich das größte Fest in unserem Ort und wir wollen ja unseren Gästen auch was bieten.“ Markus lachte und legte eine Hand lose auf ihren Unterarm. „Später lade ich dich auf einen Drink ein. Aber jetzt muss ich auch erst noch helfen. Es gibt noch so einige Handgriffe, die zu tun sind.“

      Markus winkte zum Abschied und verschwand hinter einer Zeltplane nach draußen.

      Thomas erklärte: „Da eine Gruppe von Pensionisten bereits am Nachmittag gekommen war, konnten wir nicht alles rechtzeitig fertigstellen. Aber das schaffen wir schon noch. Aber vielleicht kannst du Sabine, unsere Kellnerin, unterstützen. Die ist schon einige Stunden hier unterwegs und ich denke, sie braucht mal eine Pause.“

      „Wo soll ich die Sachen hingeben?“ Anna starrte ratlos die Gegenstände in ihrer Hand an.

      „Die Tasche befestigst du einfach an deinem Gürtel.“

      Seufzend bekannte Anna: „Ich habe leider gar keinen Gürtel dabei.“ Ratlos und etwas verzagt blickte sie in die Runde der fremden Gesichter. Hinter der Grillinsel standen mehrere Männer und Frauen, die sicher und rasch ihre Handgriffe ausführten. Es duftete herrlich nach gegrilltem Fleisch und Pommes.

      „Ja, wird scheinbar nichts mit meiner Hilfe. Aber es gibt sicher noch andere Arbeit, die ich machen kann“, schöpfte Anna Hoffnung.

      „Hat jemand einen Gürtel übrig, den er Anna borgen kann?“, fragte Thomas laut in die Runde.

      Anna stand verloren am Rand der Anrichte und ließ ihren Blick über die Gäste, die Musik und die aufgebauten Stände schweifen. Diese heimelige Atmosphäre erzeugte eine Sehnsucht in ihr, die sie bisher immer tapfer zu verdrängen versuchte. Eine Sehnsucht nach einer eigenen kleinen Familie. Nach einem Haus. Irgendwo am Land.

      Plötzlich spürte sie einen starken Arm um ihrer Hüfte und wurde auch schon herumgerissen.

      „He!“, protestierte sie noch lautstark. Dunkelbraune Augen funkelten sie an und zwei starke Hände versuchten, ihr einen schweren Gürtel umzulegen. Der brummende Typ von der Essensausgabe!

      „Den gibst du mir einfach nachher wieder!“ Überraschend vorsichtig zog er den Gürtel um ihre Hüfte fest.

      „Den behalte ich mir! Ich bin ja nur hier, damit ich endlich einen abgetragenen Gürtel erhalte!“, konterte Anna. Ein leichtes Schmunzeln ließ seine Mundwinkel kurz nach oben zucken, ihre Blicke trafen sich und es folgte ein tiefes, unverständliches Brummen.

      In jeder anderen Situation wäre er genau ihr Typ gewesen. Fast einen Kopf größer, breitschultrig, Muskeln an den richtigen Stellen und tiefbraune Augen, die zwar böse funkelten, hinter denen sich jedoch noch etwas anderes versteckte.

      Gott, was war sie nur für ein zerbrechliches Geschöpf! Und diese blauen Augen. Tief wie das Meer! Wenn sie nicht so verängstigt schauen würde. Und traurig. Irgendwas belastete das Mädchen. Matthias wollte nicht so grob zu ihr sein, aber er wusste nicht, wie er sonst seine Gefühle verschleiern konnte.

      Schon als sein Freund Thomas am Telefon angekündigt hatte, dass eine Freundin von Marie aushelfen würde, hatte er gewusst, dass es die blonde Schönheit war, die er noch von der Hochzeit seines Freundes in Erinnerung hatte. Anna. Scheinbar hatte er bei ihr keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Er jedoch hatte das zierliche Geschöpf mit den blauen Samtaugen nicht vergessen können.

      „Anna, das ist Matthias, mein bester und ältester Freund. Vor allem älter. Vielleicht erinnerst du dich noch an ihn. Er war auch bei uns auf der Hochzeit. Vor dem brauchst du keine Angst zu haben. Der brummt nur, beißt aber nicht.“

      „Danke!“, knirschte Anna zwischen den Zähnen hervor und war sich nicht einmal sicher, ob er es noch gehört hatte, so schnell wie er verschwunden war.

      „Na, dann steht dir ja nichts mehr im Weg!“, verabschiedete sich Thomas fröhlich. „Los, stürz‘ dich ins Getümmel! Wir brauchen deine Hilfe wirklich!“

      Mit einem leichten Stups verabschiedete sich Thomas und Anna stellte sich tapfer den ersten Gästen.

      Unwohl ging sie auf den ersten Tisch zu. Die erste Bestellung forderte bereits ihre volle Aufmerksamkeit. Die Vielzahl an Getränken, Speisen und Sonderwünschen verwirrten sie anfänglich. Die Gäste zeigten sich jedoch geduldig und so löste sich bald alles in Wohlgefallen auf.

      Je länger der Abend anhielt, desto lockerer wurde Anna. Sie begann, Spaß an der Sache zu finden. Die Gäste waren ihr gegenüber freundlich und nachsichtig. Viele fragten erstaunt, wer sie denn sei und wo sie sich bisher versteckt gehalten hätte.

      Markus flirtete ungeniert bei jeder Gelegenheit mit ihr. Sie ließ sich sogar hinreißen, einen Hot-Fire-Housedrink zu versuchen. Was genau sich dahinter verbarg, wollte Markus nicht preisgeben. Der Drink bescherte Anna rote Wangen und ließ sie noch lockerer werden. Sie genoss die Aufgabe zusehends.

      Trotzdem hatte Anna des Öfteren das Gefühl, dass ein Paar dunkelbrauner Augen öfter auf ihr ruhten, als ihr lieb war. Aber sobald sie sich umdrehte, hatte Matthias sich auch schon weggedreht. Was war nur los mit diesem Typen?

      Anna schaffte es sogar, einige Stunden nicht an IHN zu denken. Den Grund für diesen spontanen Wochenendtrip zu ihrer Freundin. Frank. Wie hatte sie sich nur so in ihm täuschen können? Und jetzt stand sie vor einem Scherbenhaufen, und ihr graute bereits davor, nach diesem Wochenende wieder zurückzufahren. Sie dachte dabei nicht an „nach Hause fahren“. Ein richtiges Zuhause hatte sie eigentlich dort auch nicht. Es war ein Schlafplatz in seiner Wohnung, den sie mit kochen, putzen, waschen „abbezahlte“.

      „Du brauchst eine Pause, Anna“, ermahnte sie ihre Freundin. „Nimm dir zu essen und zu trinken und genieße das Fest.“

      Erst da registrierte Anna, dass es fast schon Mitternacht war, und sie wirklich viel geschuftet hatte. Sie freute sich und war stolz auf sich selbst, dass sie es