Der gebrochene Schwur. Мэри Элизабет Брэддон

Читать онлайн.
Название Der gebrochene Schwur
Автор произведения Мэри Элизабет Брэддон
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754177310



Скачать книгу

machte wie einen Trunkenen, als er sich vom Sitze erhob und zum offenen Fenster eilte? Schüttelte der Morgenwind die Zeitung, oder zitterte die starke Hand des Kriegers, wie ein Blatt vom Sturme gepeitscht? Was war es — was konnte es sein — was bedeutete dies?

      »Arthur, ist Dir unwohl? Du bist bleich wie der Tod!« rief Claribel Walsingham.

      Der Hauptmann zerknitterte die Zeitung in seiner breiten Hand, und sich die Haare aus der Stirne streichend, sagte er in gelassenem Tone:

      »Lancer, glaube ich, sagtest Du war der Name! Nein, sie sind nicht dort.«

      »Aber, Arthur, was war Dir als Du eben vom Tische aufsprangst?«

      »O, nichts; eine Art Schwindel — durch die Hitze verursacht.«

      »Wie Du mich erschreckt hast, Walsingham! Ich glaube wirklich Du bist zuweilen ein wenig verrückt!«

      »Liebe Claribel, es scheint mir selbst manchmal so.«

      »Doch gib mir das Blatt, ich will sehen ob ich die Lancer nicht finden kann.«

      Er reichte ihr das zerknitterte Papier, und sich in einen Sessel werfend, stierte er abwesend auf die Arabesken des Teppichs, während sie aufmerksam eine Namenliste durchging.

      »Nein,« sagte sie endlich, »sie sind wirklich nicht dort. Niemand logirt im »Schiff,« als ein Major und Mrs. Granville Barney. Ein hübscher Name, nicht wahr, Arthur?«

      »Welcher?« frug er gedankenlos, ohne sie anzusehen.

      »Granville Barney.«

      »O ja, ein süßer, wohlklingender Name. Der Major ist im Dienst der Compagnie.«

      »Kennst Du ihn?«

      »Genau, er war in meinem Regiment. Ich will jetzt den Phaëton bestellen, mache Dich bereit, Claribel, ich werde Dich nach dem Markhamer Gehölz führen, und Dir unterwegs einen Vorschlag machen.«

      »Einen Vorschlag ?«

      »Ja, oder besser gesagt, ich habe Dich um eine Gunst zu bitten. Nun gehe und mache Dich fertig, und sei ein gutes, fügsames und nachgiebiges Kind, und Du, Rupert, hole Deinen Hut. Ich eile in den Stall.«

      Er schritt aus dem Zimmer mit seinem wiegenden Reitergang; aber als er in die Vorhalle kam, begehrte er ein Glas Wasser und trank es auf einen Zug aus.

      Der Diener starrte entsetzt in des Hauptmanns geisterbleiches Gesicht.

      »Soll ich etwas Rum bringen, Herr?« frug er ängstlich.

      »Ja, Richard. Ich gehe in des Haushofmeisters Speisekammer, bring’ ihn mir dahin.«

      Sitzend unter aufgehäuften Gläsern und Silberzeug, war Walsingham, ehemals Hauptmann im Dienste der löblichen indischen Compagnie, sein Haupt auf die Schulter des Haushofmeisters gestützt, in Ohnmacht gesunken.

      Sie zwangen den Rand eines Trinkglases zwischen seine Zähne, gossen den darin enthaltenen französischen Rum in seine Kehle und wollten eben Mrs. Walsingham herbeirufen, als der Officier die Augen öffnete, und langsam um sich blickend sagte:

      »Um’s Himmelswillen, sagt hiervon kein Wort Euerer Herrin. Ich zog mir diese Anfälle in Indien zu, wo wir Soldaten ein wildes Leben führen, und mit zerrütteter Gesundheit und Schulmädchennerven zurückkehren. Jervis, sage ihnen, daß ich den Reisephaëton sogleich brauche.«

      Er verließ den Raum, bevor sie ihm antworten konnten, und in die Bibliothek zurückkehrend, hob er die Zeitung auf, die zu Boden gefallen war.

      »Major und Mrs. Granville Barney,« las er langsam und deutlich, »nur zwanzig Meilen von hier. Sie werden von mir hören, mich ausfindig machen, mich verrathen, demüthigen, quälen, wahnsinnig machen, aufstacheln, plagen und vernichten. Sie werden mich an den teuflischen Handel mahnen, mich vor Gericht um die letzte Viertelunze Fleisch belangen. Thor, Thor, Thor! der ich war, zu denken, daß, wenn auch im fernsten Winkel der Erde, ein Mensch sich vor der Vergangenheit bergen könne. Ich bin gleich jenem Wilddieb am Thore, « rief er, während er rasch im Zimmer auf und ab ging. »Verbergen, verbergen — in eine Ecke kriechend, mich im Schatten duckend und doch niemals versteckt. Welch ein Brandmal wir Alle tragen,« sagte er mit heiserem Lachen, »und wie Du uns kennen mußt, einen Jeden, bei dem Stempel, der uns ausgedrückt. Ich sehe mein Bild in diesem Manne, besser wie im Spiegel. Ich sehe mich selbst in ihm, rauchend, nichts thun, herumlungernd, mich verstecken. Aber wie, wenn ich sie hinterginge? Wenn ich ihnen aus dem Gesichte käme durch eine geschickte Wendung im Lauf? Beim Himmel, ich könnte es, wenn sie mir beistehen wollte.«

      Seine Gemalin, ihren Sohn an der Hand führend, trat in das Zimmer, als er die letzten Worte sprach. Wie sah sie lieblich und schön aus im einfachen Strohhut und leichten Spitzenshawl!

      »Claribel,« sagte der Hauptmann, als sie ihre Sitze in dem hohen Phaëton eingenommen hatten, zwei Diener hinter sich und die Pferde ungeduldig den Boden stampften, »Claribel, Du bist heute so schön, daß ich nicht glaube, daß Du Nein sagen kannst, wenn ich Dich bitte, mir einen Gefallen zu thun.«

      »Nun, Arthur, so bitte mich,« sagte sie lachend.

      »Ich möchte, daß wir den Herbst im Auslande zubringen,« sagte er, sie während seiner Rede beinahe ängstlich anblickend.

      »Im Auslande, gut. In Paris?«

      »Weiter als Paris,« erwiederte der Hauptmann.

      »Weiter als Paris? Also in Italien, Deutschland?«

      »Auch nicht. Ich möchte eine Künstlerreise machen, Claribel, obgleich ich kein Maler bin. Ich möchte Dich in eine Wildniß, zu den Säulen des Hercules führen. Willst Du?«

      »Aber,« sagte sie widerstrebend, »Niemand geht dahin.«

      »Darum eben, Claribel, ist es der schönste Platz für uns. Wir gehen nicht nach Baden-Baden, um zu sehen wie die Londoner Kaufleute sich am Spieltisch ruiniren, oder nach Neapel und Florenz, um zweifelhafte Touristen »Murray’s Handbuch« sprechen zu hören, nein, Claribel, ich möchte Dich ans der Welt führen, willst Du? Wenn Du mich je geliebt hast, sage Ja,« fügte er mit fieberhafter Aufregung hinzu; »sage Ja, Geliebte, und laß’ uns fliehen aus diesem verpesteten Land.«

      Wir haben schon gesagt, daß immer etwas furchtähnliches in ihrem Wesen gegen den indischen Officier war, sie stimmte ihm auch jetzt bei wie damals auf dem Gipfel von Beeckers Ritt, als ob sie es nicht wage sich zu weigern.

      »Nun, so wollen wir dahin gehen, Arthur, wenn Du es willst. Aber wirklich, Du mußt ein wenig verrückt sein —«

      »Ich sagte Dir schon früher, daß dieser Punkt kaum mehr zu bezweifeln ist, aber Du bist ein liebes Weib und hast mich zum glücklichsten Menschen gemacht; zünde meine Zigarre an, und Du sollst sehen, wie ich um die Ecke der Straße in’s Gehölz biege.«

      Die reiche Witwe des Baronets war das fügsamste Weib gegen den mittellosen Officier; sie gestattete ihm, seine Zigarre in ihrem weißen Solon zu rauchen; sie brannte sie ihm an, wenn er kutschirte, und steckte sie ihm sogar in seinen bebarteten Mund. Wenn sie außer ihrem Sohne Sir Rupert Lisle noch ein anderes Wesen liebte, so war es sicher der hübsche, lebhafte, etwas hirnverbrannte Officier, der so kühn um sie geworben in längst vergangenen Tagen; doch beängstigte sie oft sein stilles Brüten, und sie konnte stundenlang bei ihm sitzen, wenn er in trüben Gedanken versunken, seine ewig dampfende Zigarre rauchend, seinen Schnurrbart drehte, und jede Veränderung in seinem dunkeln Gesicht bewachen. Doch heute war der Hauptmann in der heitersten Laune; inmitten eines dichten Wäldchens hielt er an und ließ sie aussteigen; einer der Diener holte einen Korb aus der Tiefe des Wagens, der ein Paar gebratene Hühner, ein Körbchen mit Apricosen und einige Flaschen funkelndem alten Rheinweins enthielt.

      Claribel und der Knabe waren entzückt über dies unerwartete Mahl, welches der Hauptmann eigenhändig auf ein Tischtuch stellte, das er auf dichtem Moos unter einem Baume ausbreitete. Er setzte sich rittlings aus eine hervorstehende Baumwurzel, lächelte, tauchte seine Zigarre, und beobachtete Mutter und Sohn, die vergnügt bei dem kleinen Bankett saßen.

      »Wie Du schön bist,