Geliebter Prinz. Billy Remie

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Название Geliebter Prinz
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия Legenden aus Nohva 1
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738073348



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»Die Götter wollten, dass ich meine Aufgabe übernehme. Ich wollte lieber frei sein. Reisen, das Leben genießen. Deshalb verbannten sie mich ganz aus ihrem Reich. Ich dachte, ich finde einen Weg, zu sterben, aber es gibt keinen, ich bin ein Halbgott, ich kann nicht sterben, ich kann nur hoffen, dass sie mich aufnehmen. Aber das wollten sie nicht mehr.«

      »Bis mein Volk Euch half«, ergänzte Desiderius.

      Bellzazar nickte bestätigend. »Fünf Könige durch ihre Regentschaft. Für vier lange Regenten habe ich bereits als Schutzgott gedient. Kein ermordeter König, alle starben friedlich, nach einem langen Leben, eines natürlichen Todes. Und wenn König Wexmells Zeit gekommen ist, habe ich meine Aufgabe endlich erfüllt.«

      Desiderius hatte den Eindruck, dass für den Halbgott nichts weiter zählte, als das Beenden seines Daseins in dieser Welt. Ihn schien das Wohlergehen des Königs nicht wirklich zu kümmern, er sorgte nur für dessen Überleben, weil es seinem eigenen Interesse dienlich war. Die Götter haben ihm diese Aufgabe erteilt, damit er lernte, Verantwortung zu übernehmen. Zu beschützen, Mitgefühl zu zeigen. Doch Bellzazar schien keines zu haben, weshalb sich Desiderius fragte, ob der Halbgott seine Lektion überhaupt gelernt hatte und es verdiente, belohnt zu werden.

      Sie durchritten immer weiter die Stadt, immer der breitesten Straße folgend. Je weiter sie kamen, je größer wurden die Gebäude und je schicker die Kleidung der Leute auf den Straßen. Auch das Interesse an Ihnen nahm immer weiter ab. Die Menschen, die in den Reichenvierteln lebten, warfen ihnen lediglich arrogante, abwertende oder sogar hasserfüllte Blicke zu.

      Es widerstrebte Desiderius, dass die Menschen in dieser Stadt die wohlhabenden Geschöpfe waren, während sich die wenigen Luzianer zusammen mit anderen Völkern in den Armenvierteln kaputt schufteten. Nur, weil sich die Menschen wie trotzige Kinder verhielten, die kein neues Spielzeug bekamen, wurden sie vom König besser behandelt, um einen Aufstand zu verhindern. Ganz nach dem Motto: »Bekomme ich nicht, was ich will, drohe ich mit Gewalt.«

      So waren Menschen nun mal. Sie und ihre Religionen waren für die meisten Kriege und Aufstände verantwortlich. Dabei gab es genug anderes, worum sich ein König kümmern musste. Um den Hunger in der Welt, um die Wasserknappheit im Westen während der Sommermonate, um die Instandhaltung seiner Ländereien und vieles mehr.

      Aber die Menschen interessierten sich nicht dafür, sie wollten nur, dass der König endlich die Religionsfreiheit abschaffte und sie deshalb wieder Kriege führen konnten. Weil es in ihren Augen kein hehres Ziel gab, als für ihren Glauben zu morden und zu sterben.

      Arme, traurige Welt.

      Aber zum Glück waren nicht alle Menschen so, es gab auch einige unter ihnen, die treu zu ihrem König standen, obwohl er ein Luzianer war.

      Bellzazar warf ihm einen schmunzelnden Blick zu.

      »Was ist?«, brummte Desiderius genervt, der nach dieser langen Reise nur noch daran denken konnte, sich in einer der Schenken einen willigen Knaben aufzureißen und Wein zu trinken, bis er umfiel und erst in drei Tagen wiedererwachte. Aber dazu würde er wohl nicht kommen, deshalb hatte er miese Laune. Ihm war eine Idee gekommen, die er unbedingt mit jemandem besprechen musste, der Ahnung von so etwas besaß. Es stand viel bevor, und an Vergnügungen war eine Weile nicht zu denken.

      »Wieso habt Ihr eigentlich solche Angst vor Magie?«, wollte Bellzazar wissen und grinste dabei neckisch.

      »Ich habe keine Angst vor Magie«, warf Desiderius ein. »Ich habe nur einen gesunden Respekt davor.«

      Bellzazar nickte einlenkend. »Kluge Einstellung dazu.«

      »Ich ging noch nie mit etwas leichtfertig um, das ich nie ganz verstehen werde«, erklärte Desiderius ehrlich.

      »Und wieder eine kluge Einstellung«, stimmte Bellzazar wahrlich beeindruckt zu. »Mir begegnen selten Personen, die sich nicht irgendwie davon angezogen fühlen, wenn man bedenkt, was man mit Magie alles erreichen kann. Magie erfüllt Wünsche.«

      »Aber jeder Wunsch, der durch Magie erfüllt wird, birgt ungeahnte Folgen«, warf Desiderius ein. »Also erfülle ich mir meine Wünsche lieber selbst, dann weiß ich wenigstens, welche Folgen ich zu erwarten habe.«

      »Ein Mann liegt im Sterben, ihm bleiben nur noch wenige Stunden. Wenn er tot ist, bleibt seine Witwe mit vier Kindern zurück, die sie irgendwie durch den Winter bringen muss.« Bellzazar blickte Desiderius fragend an. »Eine Hexe könnte den Mann heilen und damit rettet sie vermutlich auch das Leben seiner Kinder und seiner Frau. Welche dramatischen Folgen könnte das haben?«

      »Ob Ihr es glaubt oder nicht, so etwas Ähnliches habe ich mal mitangesehen«, erzählte Desiderius daraufhin. »Ich übernachtete in einem Gasthaus, es war Winter und bitter kalt draußen, deshalb blieb ich einige Wochen dort und zahlte das Zimmer und Essen mit der Arbeit im Stall ab. Nun ja, jedenfalls lag der Wirt im Sterben und seine junge Frau hatte gerade erst Zwillinge zur Welt gebracht, alle drei würden ohne ihn verhungern, da die junge Mutter niemals das Gasthaus allein hätte führen können. Also holte die Mutter der jungen Frau eine Hexe ins Haus. Die Hexe heilte den Mann, danach war er wie um zehn Jahre verjüngt. Und was ist geschehen? Der Mann verlässt keine zwei Tage später seine Frau für die Hexe. Die Milch der jungen Mutter versiegte durch ihre Trauer, es gab keine Amme und andere Milch wollten die Zwillinge nicht annehmen. Die Säuglinge verhungerten und die junge Frau ist nun eine verbrauchte, verkümmerte alte Hure in einem Bordell an der Küste, die sogar Geld dafür nimmt, damit ich ihr Blut trinken darf.«

      Bellzazar schien von der Geschichte nicht schockiert, er nickte nur und schmunzelte leicht dabei, als fände er es sogar amüsant. »Kommt vor«, sagte er nur dazu.

      Desiderius wusste nicht, ob er sich darüber ärgern oder ihm beipflichten sollte. Wenn er es recht betrachtete, hatte er zu keinem Zeitpunkt großes Mitleid verspürt. Wer sich auf andere verließ, musste mit bösen Folgen rechnen. Vor allem wenn es um Magie ging. So jedenfalls seine Meinung, aber er war ja noch nie wirklich mitfühlend gewesen.

      Vielleicht waren der Halbgott und Desiderius sich nicht nur äußerlich sehr ähnlich.

      Nach einer Weile, in der sie schweigend nebeneinanderher geritten waren, gelangten sie zu einem Straßenabschnitt, der augenscheinlich wieder in die Natur hinausführte. Links und rechts neben der Straße befanden sich Laubbäume, die ihnen Schatten spendeten, nichts sah mehr nach Stadt aus. Offenbar waren die Gerüchte über den königlichen Garten wahr und sie befanden sich gerade auf dem direkten Weg dorthin.

      Bellzazar grinste wieder, als er plötzlich sagte: »Wisst Ihr, Ihr seid ein wirklich schöner Mann.«

      Desiderius sah ihn irritiert an. »Was?«

      Der Halbgott schmunzelte listig. »Ihr habt einen wunderschönen Körper, das muss man Euch lassen. Als Ihr aus dem Wasser kamt, konnte ich zum ersten Mal sehen, wie stattlich Ihr auch ohne Eure leichte Rüstung seid.«

      Desiderius warf ihm einen unsicheren Blick zu, er wusste nicht, ob und was er darauf erwidern sollte.

      Bellzazar musterte forschend Desiderius’ Gesicht, als er neugierig mit einem anzüglichen Unterton fragte: »Ihr bevorzugt die Gesellschaft von Männern, nicht wahr?«

      Desiderius wandte den Blick ab und sah auf seine Hand, mit der er die Zügel hielt und seinen Rappen lenkte. Er wollte lügen, aber stattdessen kam aus seinem Mund: »Und Ihr?«

      »Nein«, antwortete Bellzazar gleichgültig. »Macht Euch keine Hoffnung.«

      Desiderius schnaubte verächtlich, sah ihn aber nicht an, als er zurückgab: »Hatte ich auch nicht vor, glaubt mir.«

      »Den Eindruck hatte ich auch. Ihr hättet genug Zeit gehabt, um es herauszufinden, wenn Ihr gewollt hättet.« Bellzazar klang amüsiert. »Ich wollte nur sagen, dass Ihr vorsichtig sein müsst, solange Ihr in der Hauptstadt seid. Ich weiß nicht, wie lange Euer letzter Besuch her ist, aber seit einigen Jahren haben wir diesbezüglich viele Probleme. Immer wieder klagen die Menschen euresgleichen an. Nennen es Sünde und Sodomie. Sie verlangen vom König Hinrichtungen, die er selbst nicht gutheißt.«

      »Warum lässt er es dann zu?«,