Dudu. Karl Noordwyk

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Название Dudu
Автор произведения Karl Noordwyk
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742742469



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Er ist groß und schlank, seine Wangen sind eingefallen. An der Oberlippe trägt er einen Bart, auch diese Farbe hat sich seinem Alter angepasst. Seine Finger sind schlank, so wie die Finger einer Frau. Seine Lippen sind gerade; wenn er denkt, dann presst er sie zusammen, das sie zu einem Strich werden.

      Seit einigen Jahren ist er alleine. Er ist wirklich alt geworden, dass weiß er. Seine Frau ist von ihm gegangen, schon vor einigen Jahren, erholt hat er sich nie von diesem Schock. Manchmal, in seinen einsamen Zeiten, denkt er an sie und seine Gedanken sind ihr gegenüber immer freundlich, so als hätte es nie Streitigkeiten gegeben, aber die waren schon da, soweit kann er sich schon erinnern, wenn er möchte, er möchte es aber nicht. Die schönen Zeiten, sollen in seinem Gedächtnis bleiben, die angenehmen und nicht diese schlimmen Zeiten, die er auch hatte erleben müssen.

      In einer Ehe ist nicht immer alles eitle Wonne. Die Ehe kann sehr anstrengend sein. Am Anfang ist alles schön, da gibt es noch die Liebe und die verblendet einem die Sicht, so weiß der alte Mann. Die Liebe bleibt nicht, sie verschwindet langsam, verblasst, und plötzlich ist er da - der tägliche Trott. Ein schlimmes Zeichen! In der Früh aufstehen, neben sich eine Frau zu sehen, vielleicht noch schlafend, mit zerwühltem Haar, gar nicht so schön anzusehen und plötzlich fragt man sich, das ist meine Frau? Warum habe ich sie geheiratet? Aufstehen, Kaffee kochen, das Frühstück vorbereiten. Die Frau kommt aus dem Schlafzimmer, schlimm anzusehen, verschlafen, Falten im Gesicht, gähnend, geht ins Bad und wieder schießt einem diese einzige Frage durch den Kopf: "War ich vollkommen besoffen, dass ich ja gesagt habe?" Die Antwort weiß nur der alte Mann. Dann Frühstück, es gibt nichts zu besprechen, zu reden. "Wie geht's? Gut geschlafen?" Ein freundlicher Versuch eine Konversation zu beginnen. Von ihrer Seite nur ein Brummen, was ja aber auch nein bedeuten kann. Und ein neuer Versuch: "Heute ein schwerer Tag im Büro?" Diesmal antwortet sie. "Lass mich mit deinen Fragen in Ruhe! Ich hab's im Büro schon schwer genug. Schon was von Mobbing gehört? So geht's mir jeden Tag! Du hast es gut, du hast deine Kollegen, das sind deine Freunde. Du kannst gar nicht mitreden! Sei also bitte still!" Und er ist still. Es ist ihm zu viel geworden. Er sagt lieber nichts, trinkt seinen Kaffee, isst sein Brot, verschlingt es, er möchte nur mehr hinaus. Seine 'Kollegen' warten auf ihn. Auch er muss in der Arbeit kämpfen, auch hier ist es nicht immer leicht, auch bei ihm gibt es Mobbing. Das weiß seine Frau natürlich nicht, sie ist auch gar nicht daran interessiert. Ihr eigenes Leben ist ihr viel wichtiger. Wie es ihm geht, hat sie noch nie gefragt, sie jammert immer über ihre Kolleginnen, niemals über Kollegen und so fragt sich der alte Mann ob in dieser Firma nur Frauen beschäftigt sind. Er schluckt das alles hinunter, wie er sein Brot schluckt, ohne es richtig zu kauen. Er hat nur einen Wunsch, so rasch als möglich nur weg von hier. Nach dem Frühstück sieht seine Frau dann endlich wie ein menschliches Wesen aus. Sie ist ins Bad gegangen hat sich hergerichtet. Sie möchte nicht so aussehen wie ihre Kolleginnen, die so aussehen, als würden sie gerade von einer durch zechten Nacht kommen oder von etwas schlimmeren. Er hat nie nachgefragt, was dieses Schlimmere sein könnte. Es war ihm egal, so wie ihm diese ganze Konversation zu viel ist. Endlich ist er fertig, endlich kann er gehen. Er steht auf, geht zu seiner Frau, beugt sich zu ihr, küsst sie auf die Wange. "Auf wiedersehen, Schatz!", und er fragt sich wie lange er diese Lüge noch aufrechterhalten kann.

      Kommunikation ist das um und auf einer Beziehung. Der alte Mann weiß das, er hat es immer seiner Gattin gepredigt, sie hat aber nie zugehört. Wer sein Herz verschließt, sich seinem Partner nicht öffnet, ihm nicht seine Gefühle offenbart, geht verloren. Die Beziehung kommt in eine Schieflage, bald droht das Aus. Seine Beziehung ist in einer solchen Schieflage. Vielleicht schon umgekippt, darüber hat er sich noch keine Gedanken gemacht. Er weiß, dass er sich Gedanken machen hätte sollen, ein Fehler von ihm, dass kann er nicht leugnen. Es ist nicht nur sein Fehler, seine Frau hätte auch die Initiative ergreifen können, schließlich sind sie Partner, mit demselben Rechten, Pflichten, da muss sich ein jeder einbringen. Irgendwie hat er das Gefühl, das sich seine Frau von ihm zurückgezogen hat. Es gibt kaum mehr eine Gemeinsamkeit, sie leben miteinander, schlafen zusammen, aber nicht miteinander, reden kaum noch miteinander, essen zusammen. Der alte Mann fragt sich ob das so richtig ist. Sie sind beide alt geworden, haben einiges zusammen erlebt, durchgestanden, jetzt droht das Aus. Wer sich nichts mehr zu sagen hat, liebt nicht mehr.

      Er fragt sich ob Liebe mit dem Glauben etwas zu tun hat. Muss man glauben um lieben zu können? Der alte Mann streckt sich, die Beine tun ihm schmerzen, die Knochen sind alt. Er fragt sich das und er findet darauf nur eine Antwort. Liebe hat nichts mit Glauben zu tun. Bonobos poppen den ganzen lieben Tag lang, nicht immer aus Liebe, sondern um Stress abzubauen. Bei den Bonobos gibt es wenig Gewalt, dass mag am poppen liegen. Wenn das der Mensch tun würde, dann hat das nichts mit Liebe zu tun, einen Vorteil hätte es allerdings, dass es weniger Gewalt, Kriege auf dieser Erde geben würde. Vielleicht muss man an die Liebe glauben um sie wirklich erfahren zu können, aber dieser Glaube hat nichts mit Religion zu tun. Die Liebe existiert, dass weiß der alte Mann, er hat sie erlebt, damals als er jung war. Es war ein schönes Gefühl gewesen, damals, heute kann er sich nur mehr daran erinnern, wie es sich angefühlt hat verliebt zu sein. Das Leben war schön, bunt, lustig und voller Musik. Er erinnert sich noch gut daran, so etwas vergisst man nicht. Die erste Liebe bleibt immer in Erinnerung, auch wenn sie unglücklich endet, aber die erste Liebe ist meist noch nicht so ausgeprägt, sie ist mehr oberflächlich. Die jungen verliebten Menschen sind noch in der Ausprobierphase, noch nicht wirklich reif eine Verbindung einzugehen, deshalb ist das Scheitern der ersten Liebe auch meist kein so großes Problem. In Erinnerung bleibt sie aber trotzdem. Wenn wir lieben, dann nicht wie die Bonobos, wir lieben mit Respekt, wir beschützen einander, wir Vertrauen und wir kennen die Wünsche des Partners, die wir zu erfüllen suchen. Liebe kann zärtlich sein, man sollte seinem Partner seine geheimsten Wünsche anvertrauen. Liebe kann auch grob sein, aber das müssen sich die Partner untereinander ausmachen. Glaube hat damit nichts zu tun. Man kann glauben etwas zu wissen, was der Partner gerne hätte, dass kann durchaus sein, wissen kann man es nicht. Der Glaube verleitet uns das wir die Liebe nicht so achten. Die Bibel möchte uns weiß machen, dass die Liebe etwas Verdammenswertes ist, was gar nicht stimmt, denn die Liebe ist ein Gottesgeschenk, das man nicht zurückweisen sollte.

      Schön langsam wird es dem alten Mann zu viel. Das nachdenken macht ihn müde. Er streckt sich. Gerne sitzt er hier, auf dieser Bank im Park. Er hört gerne den Vögeln zu. Es ist ein friedlicher Platz. Es wird Zeit sich von diesem friedlichen Platz zu erheben, endlich sich auf den Weg nach Hause zu machen. Er erhebt seine müden Knochen, da kommt ein Hund durch das Gebüsch. Schwanzwendeln kommt der Hund näher. Der alte Mann setzt sich langsam wieder. Er streckt die Hand aus, der Hund kommt vorsichtig näher. Der Hund schnüffelt an der Hand, beginnt diese Hand abzulecken. Der alte Mann lächelt. "Ich bin's, der Karl", sagt er zum Hund.

       2

      In den letzten Jahren ist es schwer für ihn geworden. Mit dem Alter kommen die Krankheiten. Solange man jung ist, denkt man nicht daran, aber schließlich kommt doch die Zeit. Nicht für jeden, aber für viele. Einige haben das Glück, diese Zeit nicht erleben zu müssen. Ob das ein Glück ist oder nicht bleibt offen. Die von uns gegangen sind, können wir nicht mehr kontaktieren. Wir wissen nicht was uns erwartet.

      Es ist nicht immer leicht zum Arzt zu gehen, gerade für ältere Männer. Die Wartezimmer sind voll von älteren Frauen, die sich unterhalten, bis sie an die Reihe kommen. Die Männer sitzen meist stumm, hören zu, lesen eine Autozeitschrift. Für sie ist der Arztbesuch eine Qual, Frauen lieben das!

      "Hast du schon gehört?"

      "Was denn?"

      "Das von Frau X?"

      "Erzähl mal!"

      Das Interesse ist geweckt, die Frau hat die ganze Aufmerksamkeit, nicht nur ihrer Gesprächspartnerin, sondern der ganzen Wartenden. Alle hören aufmerksam zu. Und die Frau fühlt sich wohl, wenn sie die Aufmerksamkeit der Wartenden hat. Und sie beginnt zu erzählen, ob das stimmt, was sie erzählt, ist nicht wichtig. Hier werden Geschichten erzählt, Mythen geboren, Leute in die Fresse geschlagen und alle fühlen sich wohl.

      Der Rest ist Schweigen…Es wäre oft besser, diese Frauen würden zuerst denken.

      'Rede erst wenn du die Gedanken zu Ende gedacht hast.' Wann sind die Gedanken zu Ende