Ein Haus in Wien. Amelie Lanier

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Название Ein Haus in Wien
Автор произведения Amelie Lanier
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742734808



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naß werden. Außerdem hatte einer meiner Vorgänger – anstatt das Übel bei der Wurzel zu packen und die Quelle der Feuchtigkeit zu suchen – allzu schadhafte Teile des Verputzes mit Zementputz erneuert. Dabei hatte er den Spülkasten eingemauert, und zwar dergestalt, daß der Deckel nicht mehr exakt draufpaßte und sich deshalb in labilem Gleichgewicht befand.

      Die Benützung des Klos gestaltete sich also folgendermaßen: Man öffnete die Tür. Da das den hölzernen Sarg – der in Boden und Decke eingestemmt war – in leichte Schwingungen versetzte, begann der Putz zu rieseln. Man bürstete die Klobrille ab, um sich nicht in den Schutt zu setzen und setzte sich hin. Daraufhin – weil das offenbar den Spülkasten in Schwingungen versetzte, fiel einem der emaillierte – und daher kalte! – Deckel desselben ins Kreuz(3)(. Man entfernte ihn und stellte ihn auf den Boden. Die Tür ließ sich, wie gesagt, nicht schließen. Nun konnte es losgehen.

      Ein untragbarer Zustand.

      Zunächst schlug ich den Putz ab.

      Das hätte ich nicht tun sollen.

      Erstens aus rechtlichen Gründen. Der Hausverwalter konnte nämlich jetzt behaupten – und das tat er auch – der Putz wäre völlig in Ordnung gewesen und ich hätte ihn zu meinem rein privatem Vergnügen entfernt. Er konnte jede Verpflichtung, den Putz erneuern zu lassen, von sich weisen.

      Zweitens aus bauphysikalischen Gründen. Der lose Putz war nämlich auch ein Schutz gegen die Feuchtigkeit gewesen. Kaum war er weg, regnete es bei mir im Klo jedesmal, wenn meine Nachbarin oberhalb die Spülung betätigte.

      Ich rief bei der Hausverwaltung an und forderte eine Reparatur. Ich könne mein Klo nur mehr mit Regenschirm benützen.

      Man versprach, Abhilfe zu schaffen.

      Am nächsten Tag erschien bei meiner Nachbarin, nennen wir sie von nun an Gudrun, ihrer Beschreibung zufolge ein Installateurslehrling mit einem Gegenstand in der Hand, den sie als "Gummiquastl" bezeichnete.

      Es handelte sich um einen Holzstab mit einem Gummipfropfen am Ende, den man zum Freilegen verstopfter Abflüsse bei Waschbecken oder Dusche zu verwenden pflegte. Er war schon für diesen Zweck ungeeignet, aber für ein Klo vollends unbrauchbar, weil sich der kreisrunde Pfropfen gar nirgends ansetzen läßt..

      Er solle hier ein verstopftes Klo wieder in Gang bringen, meinte der 15- bis 16jährige junge Mann. Gudrun entgegnete ihm mit der nötigen Schärfe – über die diese Frau durchaus verfügt – daß es sich nicht um Verstopfung, sondern im Gegenteil um unerwünschte Durchlässigkeit handle, und er verschwand wieder, um sich ein angemesseneres Werkzeug zu besorgen.

      Am nächsten Tag erschien er mit dem Werkzeugkasten, stemmte den Boden von Gudruns Klo auf und tauschte das defekte Verbindungsrohr zwischen Klomuschel und Hauptabflußstrang aus. Dann betonierte er den Boden wieder zu. Dazwischen lag ein Wochenende, an dem Gudrun mein Klo benützen mußte.

      Für diese Tätigkeit borgte der Installateurslehrling sich meine Wasserwaage aus. Das tat er nicht deswegen, weil er sicher sein wollte, daß der Fußboden von Gudruns Klo nachher gerade war. Nein, er hatte seine Aluminiumlatte zum Verstreichen des Estrichs vergessen, und bediente sich dafür meiner Wasserwaage. Der Boden war nachher schief, und die Wasserwaage hatte Kratzer.

      Wie sich später herausstellte, war der Durchmesser dieses neuen Rohres um einige Zentimeter geringer als derjenige der Einmündungsöffnung in den Abflußstrang. Die verbleibende Öffnung hatte der junge Mann mit Gips „abgedichtet“.

      Gips ist kein Dichtungsmaterial und auch die Dachrinne mündete in den Hauptabflußstrang. Außerdem existierte bei dieser Öffnung des Abflußrohres, der „Muffn“, ein sogenanntes Gegengefälle: Der Abfluß der Klomuschel lag niedriger als die „Muffn“. Mit anderen Worten, das Rohr zwischen Klosettabfluß und Abflußstrang des Hauses neigte sich in Richtung Klomuschel. Wenn es regnete, so strömte Regenwasser durch den Gips in die Wand. Weniger zwar als vorher, es tropfte nicht, und es handelte sich nur um Regenwasser, aber dennoch. Die Wand blieb feucht. Es stellte sich später heraus, daß auch der Hauptabflußstrang selbst, wie schon erwähnt, löchrig war.

      Inzwischen hatte ich als Folge meiner Freilegungstätigkeiten festgestellt, daß durch die jahrelange, vielleicht jahrzehntelange Feuchtigkeit die Decke tragenden Balken, die sogenannten „Tram“, völlig vermodert waren. In der Nähe der Außenwand verjüngten sie sich, als ob sie ein Biber angenagt hätte, und sie wiesen dort auch eine sehr ungesund dunkle Farbe auf. Ich konnte mit ausrechnen, daß es nur eine Frage der Zeit war, wann Gudrun samt Klomuschel bei mir unten landen würde.

      Ich rief wieder einmal bei der Hausverwaltung an, schilderte den Sachverhalt und verlangte die Behebung des Gebrechens.

      Einige Wochen (Wochen, nicht Tage!) später erschien ein von der Hausverwaltung geschickter Baumeister. Er betrachtete die modrigen Tram mit prüfendem Blick. Er überlegte anscheinend krampfhaft, wie er das augenscheinliche Gebrechen in meinen Zuständigkeitsbereich verweisen konnte. Dann fiel ihm auf, daß ich bei der Mauer weiter unten einige Ziegel entfernt hatte. Na, kein Wunder, meinte er, wenn sie unten die Ziegel abschlagen, daß dann oben die Balken hin werden!

      Einen Moment lang traute ich meinen Ohren nicht. Dann öffnete ich die Wohnungstür und sagte leise und mit äußerster Selbstbeherrschung: „Hinaus!“

      Nach Beratungen mit Freunden und der Mieterschutzvereinigung – der ich bald einmal beitrat, weil ohne das wären die auftretenden Probleme nicht zu bewältigen gewesen – entschloß ich mich, eine Anzeige bei der Baupolizei zu machen.

      Der Vertreter der Baupolizei erschien und schüttelte angesichts des Zustandes des Klos den Kopf. Er teilte mir mit, die Hausverwaltung gut zu kennen, da es schon oft zu Beanstandungen in von ihr verwalteten Häusern gekommen war, und erstatte Anzeige gegen die Verwaltung.

      Währenddessen stand bereits das Klo offen in der Küche, da ich den Holzkasten entfernt hatte, um meinem Installateur – der etwas dicklich ist – Raum für das Drehen der Klomuschel zu verschaffen. Außerdem hätte die gedrehte Muschel in dem bestehenden Spülkasten genauso viel Enge verursacht bei der Verrichtung einschlägiger Tätigkeiten, wie in ungedrehtem Zustand. Es war klar, daß man bei Veränderungen auch die hölzerne Kasten-Konstruktion mit einbeziehen mußte.

      Zu diesem Zeitpunkt rechnete ich nicht mit den beschriebenen Komplikationen. Ich dachte, daß es eine Frage von Wochen sein würde, bis die offensichtlichen Mängel an Rohren, Wand und Balken behoben sein würden.

      Beim Lösen der Klomuschel, die mit Zement am Boden befestigt war, brach von dieser unten ein Stück ab. Sie wackelte. Der Installateur meinte, es sei nicht sinnvoll, eine neue Klomuschel zu montieren, solange die anderen Reparaturen noch ausständig seien. Sie könnte dabei beschädigt werden. Also ließen wir die alte und wackelige Klomuschel als Provisorium stehen, bis das Klo, die Tram und die Wand saniert würden.

      Den völlig verrosteten Spülkasten montierte er ab. Auch hier meinte er: Wenn alles fertig ist, bring ich dir einen neuen. Aus Kunststoff, der kann dann auch nicht mehr rostig werden.

      Wie gesagt, wir beide meinten, es würde nicht lange dauern, bis das ganze in Ordnung käme.

      Wenn ich die Tür öffnete, sah der vor der Tür Stehende zuerst mich, dann die Klomuschel. Diesen Anblick genossen im Laufe der folgenden anderthalb Jahre Briefträger, Nachbarn, der Gaskassier, Zeugen Jehovas, Besucher und der Rauchfangkehrer.

      Wollte jemand, der bei mir auf Besuch war, das Klo benützen, so schloß ich während der Zeit der Benützung die Tür von der Küche ins Wohnzimmer und verweilte während der Dauer der Klobenützung im Wohnzimmer. Nicht, ohne dem Klobenützer vorher Instruktionen zu erteilen: Vorsicht! Das Klo wackelt. Da ist ein Kübel, füll ihn vorher voll, damit du nachher gleich hinunterspülen kannst.

      Besonders neckisch war das alles, wenn ich Feste veranstaltete – was in eineinhalb Jahren ja hin und wieder vorkommen kann. Im Wohnzimmer bildeten sich Schlangen. Der Kübel kam nicht zur Ruhe.

      Manchmal war jemand auf Besuch und ich kochte für die betreffende Person. Bitte setz dich doch und leiste mir Gesellschaft! sagte ich und wies mit einladender Handbewegung