Monstärker und der Kristall des Zweifels. Hubert Wiest

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Название Monstärker und der Kristall des Zweifels
Автор произведения Hubert Wiest
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783738074086



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zorngrün. Seine Augenbrauen berührten sich fast in der Mitte. „Was redest du da für einen Quatsch? Niemals werden alle Dinge erfunden sein. Es wird immer neue Ideen geben. Immer!“

      Ich fühlte mich ertappt und nickte. Als Roccho das gesagt hatte, fühlte es sich vernünftig an. Aber plötzlich kamen mir Zweifel.

      „Aber was sollte ich von einem Menschen auch anderes erwarten? Ihr Menschen seid Göhrkins Vorbild“, zischte Monstärker.

      „Ich kenne diesen Göhrkin nicht einmal. Erzähl mir warum du hier bist?“

      „Als die Akademie für junge Fantasten geschlossen wurde, haben sie mich hier auf die RUE-Schule geschickt. RUE, das steht für Rechnen und Effizienz. Weißt du, was das bedeutet?“

      Ich schüttelte meinen Kopf. „Rechnen schon, das andere Wort kenne ich nicht.“

      „Wir haben drei Unterrichtsfächer, die sich nur mit Effizienz beschäftigen. Aber so genau habe ich es immer noch nicht verstanden. Unsere Lehrer sagen, es ist effizient, wenn man einen Termin mit Freunden mindestens einen Monat vorher ausmacht und dann in einen Kalender einträgt. Ansonsten könnte es passieren, dass der Freund gar nicht zu Hause ist oder keine Zeit hat.“

      „Das ist totaler Mist. Meine Freundin Hannah hat auch so einen Terminkalender. Es klappt fast nie, dass wir uns treffen.“

      Monstärker zuckte mit den Schultern. „Effizienz ist genauso blöd wie Rechnen. Und wegen Rechnen sitze ich hier: Wir hatten Meister Magurwahn als Rechenlehrer. Er ist ein totaler Idiot, aber bildet sich viel darauf ein, dass er früher einmal die Rechenmeisterschaft gewonnen hat. Hält sich für einen echten Großrechner, dabei muss er jedes Ergebnis im Buch nachschauen. Magurwahn hat mich vor die Klasse geholt und ich sollte 3 + 3 im Kopf ausrechnen. Das ist totaler Wahnsinn. Das kann doch niemand rechnen!“

      Ich unterdrückte ein Schmunzeln.

      „Magurwahn wiederholte die Aufgabe. Sein Gesicht glühte knallrot. Ich wusste, wenn ich jetzt nichts sagte, würde er explodieren. Also hab ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und geraten: ‚3 + 3 ist Superdrei.‘ Die anderen in meiner Klasse waren mucksmäuschenstill. Ich glaube, keiner von ihnen wusste, ob das Ergebnis richtig war.

      Superdrei, was für ein Blödsinn, hat Magurwahn gebrüllt und mich ausgelacht.

      Da haben sich dann die anderen Feiglinge aus meiner Klasse getraut zu kichern“, regte sich Monstärker auf.

      Ich biss mir von innen auf die Backe, um nicht auch zu lachen.

      Monstärker fuchtelte wild um sich. „Das konnte ich so nicht auf mir sitzen lassen. Ich habe Magurwahn angeschrien: ‚Wissen Sie das denn? Beweisen Sie mir erst einmal, dass Superdrei falsch ist.‘

      Nervös hat er dann in seinem Buch geblättert. Er wusste es selbst nicht! Und ich hatte die Nase echt voll von diesem ganzen Rechenzeug, hab Meister Magurwahn das Buch aus der Hand geschlagen und ihn angeschrien: ‚3 + 3 = Superdrei.‘

      Da hat mir Magurwahn voll eine gescheuert, mich gepackt und hier runter in den Kerker der RUE-Schule gebracht. Als Lady Vändah mich hier unten in Empfang genommen hat, wusste ich, dass mein Leben nie wieder wie früher sein würde: Lady Vändah, die Wächterin der Dunkelheit, verbreitet mit ihrem Untier Crocrapp Angst und Schrecken. Und lässt jeden bis zum Umfallen schuften.“

      KAPITEL VIER

      Monstärker schlappte zu dem Farbeimer, nahm den Pinsel und klatschte Farbe auf den grasgrün, silbern und gelb funkelnden Schirmständer. Der Schirmständer quietschte ängstlich. Er klappte einen Schirm auf und versuchte, sich vor Monstärkers Pinsel zu schützen.

      „Lass den Quatsch!“, knurrte Monstärker und nahm ihm den Schirm einfach weg.

      „Warum machst du das? Das Grünsilbergelb ist doch viel schöner. Ich hab so eine Farbe noch nie gesehen. Sie sieht jeden Moment ein wenig anders aus.“ Ich versuchte, Monstärkers Hand festzuhalten. Er zog sie weg und strich die schwarze Farbe auf den schimpfenden Schirmständer. „Lass mich, Loona! Ich muss das machen. Lady Vändah hat es befohlen.“

      „Warum?“ Der Schirmständer tat mir leid.

      „Präsident Göhrkin hat alle erfundenen Farben verboten. Das Grügola des Schirmständers genauso wie das Romazium des Klavierfernsehers.“ Der Klavierfernseher schimmerte in einem tiefen Dunkelrot mit einem Hauch von Gold und glitzerndem Purpur, je nachdem, von welcher Seite man ihn ansah.

      „Und natürlich Sebriphiloa“, sagte Monstärker und deutete auf eine automatische Hosennähmaschine, die in einem so hellen Wasserblau leuchtete, dass sie an manchen Stellen durchsichtig zu sein schien, wie ausradiert.

      „Göhrkin meint, wir verschwenden unsere Gedanken, wenn wir uns all die erfundenen Farben merken. Das wäre nicht effizient.“ Wieder klatschte Monstärker seinen Pinsel auf den Schirmständer, der sich zur Seite bog.

      „Jeden Abend kontrolliert Vändah meine Arbeit. Die flippt total aus, wenn nicht alle Sachen geschwärzt sind. Sie erträgt keine Farben und schützt sich mit einer tiefschwarzen Sonnenbrille davor. Nur zur abendlichen Kontrolle kommt sie ohne Brille. Dann entgeht ihr nicht der kleinste Farbhauch. Gestern hat sie aus Versehen mit ihrem Mantel ein wenig schwarze Farbe von einer singenden Weihnachtskugel gewischt. Als ein Hauch Romazium darunter hervorschimmerte, hat sie mich angeschrien und mir für heute die doppelte Arbeit aufgebrummt.“

      Seufzend strich Monstärker mit dem Pinsel über den Schirmständer, der jetzt seine Schirme traurig hängen ließ. Der ganze Raum stand noch voll bunter Erfindungen.

      „Schaffst du das bis heute Abend?“

      Monstärker ließ den Kopf sinken. „Weiß nicht.“

      Mir war klar, dass Monstärker überhaupt keine Chance hatte.

      „Gib mir auch einen Pinsel. Ich helfe dir.“

      Für einen winzigen Augenblick sah ich ein dankbares Lächeln in Monstärkers Augen. „Dort drüben sind noch welche“, sagte er und deutete mit dem Daumen über seine Schulter.

      Ich nahm einen Pinsel, tunkte ihn in den zähen schwarzen Lack und begann, den romaziumfarbenen Klavierfernseher zu übermalen. Ich fand es gemein, dieses dunkelrot und golden glitzernde Purpur auszulöschen. Ich meinte, von dem Klavierfernseher ein leises Wimmern zu hören.

      „Ich bleibe, bis die Sache erledigt ist.“

      „Wenn dein Transportnebel kommt, musst du gehen. Aber trotzdem vielen Dank.“

      Der Lack war zähflüssig wie Alleskleber und stank. Er ließ sich kaum verstreichen. Meine Hand tat schon weh, obwohl ich gerade einmal den halben Klavierfernseher geschwärzt hatte.

      „Wenn der Transportnebel zu früh kommt, nehme ich einfach den nächsten.“

      „Nein, das ist viel zu gefährlich. Ein persönlicher Transportnebel kommt nur zwei Mal. Und dann nie wieder.“ Monstärker hielt den Pinsel warnend in die Höhe.

      Bald wurde mir klar, dass wir das selbst zu zweit nicht bis heute Abend schaffen würden.

      „Warum erfindest du nichts, um die Sachen zu schwärzen?“

      „Das geht nicht, Loona. Über der RUE-Schule wacht der Kristall des Zweifels.“ Monstärker klang fast vorwurfsvoll.

      „Und ...?“, fragte ich.

      „Der Kristall des Zweifels macht Dinge-Erfinden unmöglich. Er ist oben auf der Turmspitze der Schule angebracht. Wenn jemand versucht, Dinge zu erfinden, saugt der Kristall des Zweifels die Idee in sich auf. Er prüft, ob die Erfindung möglich wäre, hinterfragt dieses und jenes. Und irgendwann viel später kommt er zu dem Ergebnis, dass die Erfindung unmöglich ist. Selbst wenn er ausnahmsweise einmal zu einem anderen Ergebnis käme und die Erfindung durchginge, wäre die Idee durch all den Zweifel längst verblasst. Sie hätte keine Kraft mehr. Der Kristall des Zweifels