Rentadep. Jens Otto Holländer

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Название Rentadep
Автор произведения Jens Otto Holländer
Жанр Языкознание
Серия Jo Volland
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742743282



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Verdampfer konnten nur vom Eigentümer genutzt werden und es war besser und reiner als jedes Straßenheroin. Die ursprüngliche Idee von Drogensubstitution, der harm reduction, der Schadensminimierung, wurde durch Euphorin ideal umgesetzt. Man inhalierte den Dampf. Keine Abszesse, keine Schleimhautschäden, keine erkrankten Bronchien oder Lungen. Keine Überdosen, kein ungewollter Tod.

      Ab dann war das Programm ein Erfolg. Die Leute willigten in den Vertrag ein, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Euphorin war, wie der Name ahnen lässt, ein stark euphorisch wirkendes Opiat, im Vergleich mit Heroin oder Methadon wenig dämpfend und kaum mehr atemdepressiv, der Hauptgefahr bei Opiaten, mit einer Wirkdauer von 8 Stunden.

      Mit Euphorin kam die dazu passende Konsum Hardware. Es wurde mittels Dampf in Nase oder Mund gesprüht. Das Gerät, das einer E-Zigarette glich, hatte unten einen Akkuträger, auf den ein kleiner Tank mit derm Euphoringas, was zur Flüssigkeit komprimiert wurde, aufgeschraubt war. Auf diesem saß ein Plastikröhrchen, welches man in Nase oder auch in den Mund/Rachen halten konnte.

      Dreimal am Tag leuchtete ein kleiner Punkt grün auf und man hatte 15 Minuten Zeit, die Dosis zu konsumieren. Per Daumenabdruckscan wurde der Verdampfer freigeschaltet.

      Manipulationen am Gerät wurden drakonisch bestraft, versuchte man an das Euphorin zu gelangen und öffnete den Tank zischte es kurz und das Euphorin dehnte sich zu Gas aus und war weg. Solche Versuche wurden mit kaltem Entzug oder der Beendigung des Programmes geahndet. Nachdem einige, eine bittere Erfahrung gemacht hatten, sprach sich das rum und nun versuchte es keiner mehr.

      Euphorin hatte auch erhebliche Nachteile, doch darüber wurde geschwiegen.

      Es machte sehr schnell abhängig. Psychisch und physisch.

      Es machte extrem abhängig.

      Der Kontrollverlust, der jede Abhängigkeit kennzeichnet, war irreparabel.

      Einmal auf Euphorin bedeutet immer Euphorin.

      Für 99,98 % der Abhängigen.

      Zuverlässiger als jede politische Ideologie und Religion.

      Der Entzug war dermaßen derbe, dass er nur noch in Vollnarkose vollzogen wurde.

      Zum Entzug kam der Patient in Vollnarkose und man spritzte einen hochpotenten Opiatblocker. Der Körper machte eine Erfahrung, die einen Menschen über die Grenze des Erträglichen brachte. Nach dem Erwachen fühlten sich die Probanden zwei Wochen mehr tot als lebendig. Die Rückfallquote lag bei 99,8%.

      Damit war Rentadep und ihr Zugpferd Euphorin in kurzer Zeit in ganz Deutschland und dann in fast ganz Europa auf der Erfolgspur. Bei Rentadep wusste man auch, dass Drogenabhängige keine Fürsprecher oder gar Lobby hatten, keiner brauchte und wollte sie.

      Kein Mensch mochte Drogensüchtige. Außer Rentadep. Durch das Rentadep Programm verpflichteten sich die Süchtigen je nach Eintrittsalter für maximal 20 Jahre, waren weg von der Straße, hatten keinen Beikonsum außer THC und der war mittlerweile legal. Sie wurden in bescheidenem Rahmen ein nützlicher Teil der Gesellschaft. Fünf Jahre nach Beendigung des Programmes, also nach maximal 25 Jahren, bekamen sie eine Prämie, die sich nach einem Punktesystem richtete, dass wiederum von ihren Tätigkeiten und den genutzten Möglichkeiten der Weiterbildung, abhing. Nach spätestens 20 Jahren wurden sie offiziell aus dem Programm entlassen, erhielten auf Wunsch einen Entgiftungsversuch bezahlt und für den Rest ihrer Zeit Euphorin. Im Falle des Rückfalls. Von Tausend Teilnehmern blieben dann 1-3 Personen clean.

      Der Rest ihrer Zeit betrug, wie Jo Volland nun gelesen hatte, maximal noch 120 Monate..

      „Shit.“ Er drückte auf die Sprechverbindung. „Christine? Bitte kommen Sie rein.“

      Christine, eine gut erhaltene Mittfünfzigerin mit Seitenscheitel Pagenkopf und in dunklem Rock mit weißer Seidenbluse und hohen, aber nicht zu hohen Absätzen betrat das ca.70m² große Büro.

      „Stellen Sie mir mal die Akten und Zahlen vom geplanten Aktiengang mit den aktuellen Zahlen zusammen. Die Zahlen für die Börsenaufsicht und unser internen Berechnungen. Die Orginale, keinen PC Ausdruck, die habe ich selbst. Und, Christine, ich wäre nicht böse, wenn das unter uns bliebe.“

      „ Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“

      „ Ähem..Das war alles“. Warum fragt mich meine Frau das nie?

      Broschüre

      „Hi Syl.“?

      „Hi Dieter, mein Schatz. Alles gut?“

      „Müde. Holst Du mir ein Bier? Ich habe eine Broschüre von Rentadep mitgebracht.“

      „Und“?

      „Les selber“.

      Silvia kam aus dem Wohnzimmer.

      Dieter entkorkte einen Rotwein, schenkte Sylvia ein Glas halbvoll und reichte es ihr, zusammen mit dem Werbeheft.

      „Na dann lass mal sehen“

      Auf dem Deckblatt stand nur ein Wort: RENTADP.

      Innen: Links, drei Fotos. Oben ein Ehepaar in den Fünfzigern, zwei Dackel, im Garten ihres Hauses, daneben, in schicker Dienstmädchenkleidung eine junge Frau mit Pferdeschwanz. Alle drei lachten in die Kamera. Auf dem Bild darunter stand ein junger muskulöser blonder junger Mann mit einer Heckenschere auf einer Leiter und winkte strahlend in die Kamera. Ganz unten spielte eine junge Frau mit drei kleinen Kindern, während die Eltern der Kinder Hand in Hand im Hintergrundstanden und lächelnd die Szene betrachteten.

      Über den Bildern der Text: Rentadep ist ein Programm zur Integration von Substanzabhängigen Menschen. Genannt Substies.

      Auf der rechten Seite stand mehr Text:

      Opiat Abhängigkeit, eine Geißel der Gesellschaft, ist eine grausame chronische Erkrankung, die ohne Behandlung zur Verelendung und oft zum Tode führt. Sie befällt unsere Männer, Frauen, Väter, Mütter, Kinder, Partner, jeden, ohne Ausnahme kann es treffen.

      Silvia las weiter: … einmal opiatabhängig bedeutet fast immer, lebenslang opiatabhängig. Junkies ohne Hilfestellung haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von 38, 3 Jahren. Eine dauerhafte Abstinenz, wie bei Alkoholikern ist kaum realisierbar und nur in Ausnahmefällen erreichbar….bietet Rentadep eine Hilfestellung, wenn nicht sogar eine Lösung….nach Entgiftung und Therapie erhalten rückfällige Klienten die Chance, der Gesellschaft etwas zurückzugeben….freiwillige Teilnahme am Rentadep Programm…übernimmt Rentadep sämtliche Kosten, sowie die gesundheitliche Überwachung. Rentadep entlastet den Staat und übernimmt, ab erfolgreicher Vermittlung, außer der Grundsicherung, bei individuellem Wohnraum, die Miete für 25m²…unsere Klienten erhalten die Chance, Ihr Leben selbstverantwortlich zu steuern…streng kontrolliert…durch Euphorin und wird der sexuelle Trieb, besonders bei männlichen Klienten, auf ein selbsterlebtes Minderbedürfnis etabliert, also keine Gefahr sexuell begründetem Fehlverhaltens…wichtig bei für Kinderbetreuung geeignet…

      ….Substies durchleben mit Rentadep und Ihnen ein maximal 20 jähriges Programm…. Können sie, durch Weiterbildung und abhängig davon, durch qualitativ bessere Eignung zur Vermittlung, Punkte ansammeln, die die Höhe ihrer Prämie bestimmen, welche sie nach Beendigung des Programmes erhalten…

      Als Substitutionsmittel verwendet Rentadep ausschließlich Euphorin, ein nach neuestem Stand der Gentechnologie, unter Berücksichtigung moderner Medizin, entwickeltes Opiat, welches speziell auf die Bedürfnisse der Klienten zugeschnitten wurde, bei einer maximalen Reduktion, der Opiat typischen Nebenwirkungen, wie Atemdepression und allgemeiner Dämpfung der Sinneseindrücke. Euphorin wird nur in der Substitution eingesetzt und hat keine weitere therapeutische Verwendung. Aufgrund der sehr speziellen Herstellungs- und Produktionsmerkmale ist ein Schwarzmarkt von Euphorin nicht bekannt.

      Euphorin ist mitverantwortlich für den durchschlagenden Erfolg des Rentadep Programmes. Der Gebrauch von zusätzlichen Suchtmitteln, bei herkömmlicher Substitution die Regel, von Medikamenten oder Alkohol ist um 87 % gesunken, was uns bei