Lord Geward. Peter P. Karrer

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Название Lord Geward
Автор произведения Peter P. Karrer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847617402



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sind eingesperrt in klimatisierte Büroräume. Jetzt lache ich sie alle aus und ich genieße es von ganzem Herzen.

      Lachen sie auch? Fühlen sie auch das Glück der Freiheit?

      Sicher nicht!

      Nein, nie wieder möchte ich in diese Welt zurück! Nie wieder!

      Immer noch laut lachend, gehe ich nach draußen. Die Regenwolken haben endgültig den Kampf gegen die Sonne verloren und ich genieße die warmen Strahlen auf meiner nackten Haut. Mein Blick schwenkt über den Horizont. Ein wunderbares, ein weites Land, mein Land. Tief sauge ich die reine Luft durch die Nase in die hinterste Kammer meiner Lunge und blase sie mit gezückten Lippen wieder aus.

      Systematisch verschaffe ich mir einen Überblick über die Schäden am Haus und dem Seitengebäude.

      In der verfallenen Scheune entdecke ich in einer alten, schmucklosen Truhe einige Werkzeuge. Einen stark angerosteten Hammer - dessen Stiel von Holzwürmern durchlöchert und vom Regenwasser aufgeweicht ist - zerre ich als erstes an die Oberfläche. Ich breche ohne große Mühe mit einer kleinen Drehung den Stiel heraus und lege den rostigen Eisenklotz beiseite. Tief in der Truhe verborgen, fördere ich einen Klumpen diverser Eisenteile, Zangen oder ähnliches nach oben. Für diesen traurigen, ineinander gerosteten Haufen habe ich leider keine Verwendung und ich lasse ihn enttäuscht mit einem dumpfen Poltern in die morsche Truhe zurückfallen.

      So viel versprechend die Truhe sich anfänglich zeigte, so wenig Brauchbares enthielt sie letztendlich. Den Hammer möchte ich instandsetzen, den Rost abschleifen und den fehlenden Stiel ersetzen. Weiteres aus der Truhe ist nicht zu verwenden.

      Eingeklemmt unter eingestürzten Dachlatten, finde ich ein Fass ohne Ringe. Am Boden unter dem Fass entdecke ich die fehlenden Ringe. Vorsichtig befreie ich meinen Schatz und trage alle Teile ins Freie. Bei Tageslicht erkenne ich den, bis auf die gelösten Ringe, guten Zustand des Fasses.

      Mit einiger Mühe und nach mehreren Versuchen gelingt es mir, das Fass zusammen zu bauen. Auch die Ringe passen halbwegs. In Ermangelung anderer Werkzeuge, schlage ich mit dem rostverklebten, stiellosen Hammer die Ringe fester. Ich bin mir sicher, die Ausdehnung, wenn ich Wasser einfülle, wird das Fass abdichten.

      Stolz einige Meter zurücktretend, bewundere ich meine Handwerkskunst. Dann rolle ich das Fass zum Brunnen. Mühselig fülle ich mit einem der Krüge Wasser in das Fass und beobachte traurig die unzähligen Wasserfontänen, die in dicken Strömen auslaufen und aus jeder Ritze ihre bösartigen Wasserspiele zeigen.

      Ich fülle immer wieder nach und langsam, ganz langsam, habe ich den Eindruck, die Wasserfontänen verlieren ihre Kraft. Nach zwei Stunden haben sie sich sogar in kleine Rinnsale verwandelt und das Wassernachfüllen muss nur noch gelegentlich erledigt werden. Zwischendurch schlage ich die Ringe noch etwas nach und ich bin sicher bis zum nächsten Tag ein dichtes Fass zu besitzen.

      Meinen neuen Hausstand komplettiere ich noch durch einige Kupferkessel und Pfannen, die ich mit feinem Sand blank scheuere und mit frischem Wasser ausspüle. Nach einiger Mühe glänzen die Pfannen und Kessel in einem rotschimmernden, goldenen Licht wie neu.

      Am Abend bin ich müde, aber auch stolz auf meine ersten Handarbeiten und mein neues Heim!

      Die nächsten Tage verbringe ich damit, weiteres Werkzeug zu reparieren, die Wohnstube entgültig abzudichten, zu entrümpeln und zu reinigen.

      Nach jeder erledigten Arbeit, empfinde ich ein unglaubliches Gefühl der Freiheit, etwas Sinnvolles getan zu haben, ein Gefühl, das mir bisher fremd war. Nach jedem vollendeten Werk, schreit ein innerer Drang nach mehr.

      Es ist phantastisch.

      Nachmittags, nach Erledigung meines selbstauferlegten Tagespensums streife ich im Umland umher und sammle Nüsse, Beeren, Früchte und allerlei brauchbare Hölzer. An die zahlreichen Pilze wage ich mich nicht.

      Nach und nach wird mir die Umgebung vertrauter. Bald kenne ich jeden Baum und jede Wurzel. Einige Tiere gewöhnen sich so schnell an mich, dass ich ihre regelmäßigen Besuche bereits am Morgen erwarte.

      Besonders schnell freunde ich mich mit einem jungen Rehbock an. Nach einigen Tagen ist er derart zutraulich, dass er, wenn ich vergesse die Türe zu verriegeln, die Hütte auf der Suche nach Nüssen, gemäß seinen Vorstellungen wild und chaotisch, umgestaltet.

      Die beleidigten Blicke des jungen Bockes, wenn ich ihn ins Freie treibe, werde ich sicher nie vergessen.

      Nicht einmal den Mäusen, die nachts meine Vorräte dezimieren, bin ich böse.

      Nicht mehr alleine. Das ist das wichtigste!

      Jede Gesellschaft ist mir willkommen!!

      Eines Abends entdecke ich, keine Stunde Fußmarsch entfernt, einen kleinen Unterstand, der mir einen der besten Funde beschert. Eine ausgezeichnet erhaltene, übergroße Ledertasche, die mit langen Riemen über die Schultern gelegt genau an den Hüften anliegt. Mein neuer Begleiter erweist sich als außerordentlich praktisch und ich fülle in nur wenigen Tagen mehrere Tonkrüge randvoll mit Nüssen.

      Das Trocknen der Beeren in der warmen Sonne rationalisiere ich, bis ich täglich mehrere Kilogramm der wertvollen Früchte haltbar trocknen kann.

      Woche um Woche wächst mein Speisevorrat. Regelmäßige Eierfunde bescheren mir eine warme nahrhafte Abwechslung. Das Feuermachen, das mir anfänglich zur Stunden Tortur geriet, gelingt mir immer besser.

      Manche Nächte denke ich daran Fallen aufzustellen oder auf die Jagd zu gehen. Der Gedanke an die fröhlichen Morgengesänge meiner gefiederten Freunde, die mich in dieser Welt so freundlich begrüßten, erzeugt in mir einen unglaublichen Ekel vor Fleisch. Jagd wäre jetzt wie der Mord an meinen besten Freunden. Der Gedanke, meinen, wenn auch oft rüpelhaften Rehbock, auf dem Feuer zu rösten, erscheint mir geradezu widerwärtig.

      Nein, ich lebe nun schon so lange nur von Früchten, Nüssen und wildem Gemüse: nein, meine Freunde kann ich nicht essen!

      Sorgen bereiten mir die mehr und mehr durchgetretenen Stiefel, die zu ersetzen, ich noch keine Idee habe. Der täglich anwachsende Vorrat an Lebensmittel und Brennholz beruhigt mich dann aber meist wieder.

      Aber das Problem des Schuhwerks bleibt.

      Immer wieder finde ich intakte Lederreste und auch Riemen, aus denen ich mir nach und nach Untergewand, kleine Säckchen und Taschen fertige. Aber Stiefel traue ich mir noch nicht zu.

      Meine ständig anwachsenden handwerklichen Qualitäten geben mir die Hoffnung, die Stiefel werden schon so lange halten bis ich ein leidlicher Schumacher geworden bin.

      Um sie zu schonen, gehe ich bei jeder nur möglichen Gelegenheit barfuß.

       9. Lord Geward

      Heute Vormittag beschert mir das Glück eine besondere Köstlichkeit: Saftige, kleine Walderdbeeren. Diese wilden Früchte kann ich nicht haltbar machen. Leichte Trauer überfällt mich. Wenn ich Zucker hätte, könnte ich mir Marmelade einkochen. Aber ohne Zucker? Ich weiß nicht einmal wie oder aus was Zucker hergestellt wird.

      Den Gedanken verscheuchend, genieße ich noch einige der kleinen Erdbeeren. Eine Hand voll nehme ich zur Hütte mit. Vielleicht halten sie bis morgen?

      Gegen Mittag döse ich unter rauschenden Birken, genieße das goldgelb gefilterte Licht und betrachte die unzähligen Tageskerben in meinem Wanderstock, als ich jäh aufgeschreckt werde.

      Deutlich höre ich galoppierende Pferde. Blitzartig schießt es mir durch den Kopf weder ein Lasso zu besitzen, noch es werfen zu können. Unsinn, auch wenn ich mir ein Pferd fangen könnte, wäre ich nicht in der Lage es zu zähmen oder gar zuzureiten.

      In meinem Eifer hetze ich über den kleinen Hügel. Wenigstens sehen möchte ich die Wildpferde, die meinen Aktionsradius immens erweitern könnten.

      Oben auf dem Hügel fährt mir der Schrecken, wie ein Blitz, tief ins Herz. Ich drohe zu stolpern, werfe mich nur noch wie ein tollkühner Torwart zu Boden und