Menosgada. Werner Karl

Читать онлайн.
Название Menosgada
Автор произведения Werner Karl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738084931



Скачать книгу

eingekniffen. Der Fürst bemerkte dies sehr wohl. Alaric beugte sich zu ihm hinunter, weil er sah, dass sich seine Frau um ihre Tochter kümmerte und murmelte dem jungen Tier zu: »Du bist ein Prachtkerl, kleiner Drudwyn. Aus dir wird bald ein hervorragender Jagdhund werden.«

      »Kyla«, wiederholte seine Frau deutlich sanfter. »Kyla, wach auf! Es war nur ein Traum.«

      »Mama«, kam es zurück und Brianna sah förmlich, wie Geister und Ungeheuer vom Leib ihrer Tochter abfielen und sich deren Blick klärte.

      »Du hast geträumt, Liebes. Du bist Zuhause und in Sicherheit«, flüsterte die Fürstin und nahm Kyla in ihre Arme. »Was geht nur in deinem Kopf vor? Das war nun schon das dritte Mal, dass du im Traum geschrien hast. Waren es wieder diese fremden Krieger?«

      »Ja«, kam es leise zurück. »Aber es ist seltsam … so sehr sie mir auch Angst machen … ich weiß, dass ich nichts von ihnen zu befürchten habe. Es ist nur all das Blut, was mir Angst macht.« Dabei blickte sie zuerst zu ihrem Vater hinüber, danach ihrer Mutter in die Augen, und plötzlich vergoss sie Tränen, die ihr in schneller Folge über die Wangen liefen.

      Brianna drückte den Kopf ihrer Tochter an die Brust und hob den eigenen zu ihrem Mann.

      »So geht es nicht weiter, Alaric. Du musst mit ihr zum Druiden gehen …«

      Kapitel II: Feidlim

      Feidlim hatte vor einem Jahr seine Ausbildung mehr oder weniger abgeschlossen, fühlte sich aber immer noch … unfertig. Sicher hatte der unerwartete Tod seines Meisters seinen Anteil daran. Aber da war noch etwas anderes.

      Im Alter von fünf Jahren hatten ihn seine Eltern an den damals schon alten Druiden übergeben. Ihn selbst hatte man nicht gefragt. Die ersten Jahre waren rasch im Rausch von ständig neuen Unterweisungen vergangen. Dazu kam, dass sein Lehrmeister viel ordentlicher im Umgang mit allen Dingen war als seine eigene Familie. Regelmäßige Nahrung, harte Disziplin während der permanenten Ausbildung, die Übungen mit verschiedenen Waffen – als Kind eher spielerisch, mit zunehmendem Alter ernst- und schmerzhafter – hatten aus ihm einen Mann gemacht, dem man vorsichtige Beachtung schenkte. Seine Eltern hätten ihn höchstens zu einem Bauernleben geführt. Und dennoch …

      Er fühlte sich einfach nicht wie ein Druide. Äußerlich entsprach er durchaus dem allgemeinen Bild, das sich die einfachen Leute machten. Aber mit den meisten Belangen der Heilkunde – und erst recht in magischen Dingen – sah er sich selbst als Stümper; anders konnte er es nicht benennen.

      Sein Meister musste sein mangelndes Talent schon früh bemerkt haben. Anstatt ihn wieder wegzuschicken, hatte er die Schwerpunkte seiner Ausbildung auf die kleineren Aufgaben gelegt: Heilung einfacher Krankheiten, Zeremonien, insbesondere Hochzeiten, Beistand bei Beratungen der Fürsten und Edlen, ein wenig Vermittlung in Streitfällen, aber nicht mehr. Sein Kontakt zu den Göttern beschränkte sich mehr auf fadenscheinige Selbstdarstellungen und Opferrituale, denn auf eine wirkliche Vermittlertätigkeit.

      Er hatte seinen Lehrmeister oft dabei beobachtet, wie dieser in völliger Konzentration und Entrücktheit mit verschiedenen Gottheiten Zwiesprache gehalten hatte. Ihm war dieses Kunststück noch kein einziges Mal gelungen.

      Versager, schalt er sich stumm und blickte über den nordwestlichen Wall ins Tal des Menos hinab. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis mir ein Fehler unterläuft.

      Seine Stirn furchte sich dabei wie ein Spiegelbild der Wolken, die rasch über den Himmel fuhren und das ganze Tal mit einer grauschwarzen Masse überzogen, die gleich ihre Pforten öffnen würde.

      Wahrscheinlich werde ich der erste Druide sein, der von seinem Stamm davongejagt wird, wenn nicht Schlimmeres! Als es donnerte, sah er dies als Bestätigung durch Taranis an. Wird mich mein Status vor Verachtung und Verbannung schützen? Er erschauerte und zog seine Kapuze tiefer ins Gesicht. Oder gar vor dem Tod?

      Die Alternative wäre ein Leben in Einsamkeit. Denn Feidlim war davon überzeugt, dass es keinen Sinn machte, sich nach einem, in seinen Augen unausweichlichen Fehler einfach davonzumachen und bei einem anderen Stamm neu zu beginnen. Andererseits hatte er auch keine Lust, sein Druidendasein so mir nichts dir nichts aufzugeben. Weder die Plackerei als Bauer oder Handwerker – von der er in beiden Fällen ohnehin nichts verstand –, noch ein mitunter kurzes Leben als Krieger erschienen ihm verlockend.

      Als es noch einmal donnerte und ihn erste Tropfen trafen, raffte er seine Kutte enger um sich und drehte sich den Häusern zu, die ungerührt das Unwetter erwarteten. Nur sehr wenige Menschen liefen noch zwischen ihnen herum; meist nur Wachen, die rasch ihren überdachten Posten zustrebten und ihn nur kurz mit einem Wink grüßten.

      Wieso sollten sie mich auch mit mehr Respekt als nötig beachten?, fragte sich Feidlim bitter und machte sich auf den Weg zu seiner eigenen Behausung. Ich kann Taranis nicht daran hindern, zum zehnten Mal hintereinander das Land mit Regen zu überziehen. Erst habe ich ein Huhn opfern müssen, um Regen herbeizubitten und jetzt hört er nicht mehr auf.

      Dann schob sich ein neuer Gedanke in den Vordergrund. Außerdem sollten wir froh sein, dass er damit die Zisterne bis an den Rand füllen wird. Das erspart uns die Wasserschlepperei von den Quellen bis auf den Berg. Wieder donnerte es und der Regen wurde stärker. Ich höre schon jetzt das Gejammer der Bauern, die um ihre Ernte bangen. Sie haben immer einen Grund zur Klage. Wahrscheinlich werden sie mich bitten, eine Ziege oder irgendetwas anderes zu töten, um die Fluten wieder schwinden zu lassen. Als ob sich Götter mit solchen Kleinigkeiten beschäftigen würden.

      Nur ganz am Rande seiner Grübeleien spukte ihm die Frage durch den Kopf, wie sein Meister wohl in dieser Situation gehandelt hätte. Feidlim schüttelte sich erneut und stand plötzlich vor einem dunklen Schatten, den er mit halb gesenktem Kopf und zunehmenden Regenschauern beinahe übersehen hätte.

      »Alaric … mein Fürst«, sagte er überrascht und sah jetzt auch, dass das Stammesoberhaupt nicht allein war. Seine Tochter Kyla stand neben ihm, eine Hand in der Rechten ihres Vaters. Beide störte der Regen augenscheinlich nicht besonders.

      »Feidlim, gut, dass wir dich treffen«, begann der kräftige Mann und nickte zum Haus des Druiden. »Wir sollten hineingehen, bevor wir nass bis auf die Haut sind. Wir brauchen deinen Rat … deine Hilfe.«

      Feidlim war doppelt verblüfft. Tatsächlich trug der Fürst ihres Stammes einen Ausdruck im Gesicht, der ihm vermittelte, dass er, Feidlim, ihm helfen würde; wobei auch immer. »Es geht um Eure Tochter«, sprach er das Offenkundige aus und versuchte seiner Stimme einen prophetischen Klang zu verleihen.

      »Ja, Druide«, kam es zwar nicht überrascht, aber hoffnungsvoll zurück.

      Feidlim nahm sich die Zeit, Vater und Tochter jeweils für die Dauer eines Herzschlages intensiv – und, wie er hoffte, beeindruckend – in die Augen zu schauen, dann wandte er sich um, ging die wenigen Schritte zur Tür seines kleinen Gebäudes und öffnete sie. Weil es drinnen finster war, ging er voraus und hatte schon zwei Kerzen entzündet, bevor Alaric und Kyla ihm tiefer in den einzigen Raum folgen und hinter sich die Tür schließen konnten.

      Mit raschen Blicken versicherte Feidlim sich, dass es einigermaßen ordentlich aussah. Wenigstens dies hatte er von seinem Lehrmeister erfolgreich übernommen. Mit einer Geste bot er dem Fürsten den einzigen Stuhl an und zog für sich selbst einen kleinen Hocker heran, der es ihm ermöglichen würde, dem Kind Auge in Auge gegenüber zu sitzen. Die Kleine musste stehen bleiben.

      Noch einmal sah er Kyla intensiv an, doch sie machte nicht den Eindruck, dass sie ihn fürchtete. Vielleicht war sie mit den Gedanken auch ganz woanders. Innerlich verärgert sah er zu ihrem Vater.

      »Also, mein Fürst: Was kann ich für Euch tun?«

      »Meine Tochter … Kyla«, begann Alaric äußerlich ruhig, schien aber nicht zu wissen, wie er beginnen sollte, »sie hat Träume … keine guten Träume.«

      »Ich weiß, Herr. Ich konnte ihre Schreie hören. Ich wusste, dass Ihr als fürsorglicher Vater zu mir kommen würdet«, log er und war