Sie ist wieder da. Michael Sohmen

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Название Sie ist wieder da
Автор произведения Michael Sohmen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742799357



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das Thema in alternativen Kreisen derart aufgebauscht, dass Tierschützer bereit waren, zu töten. Zudem weiß ich nicht, wie sich die Flüchtlingspolitik in den vergangenen Jahren entwickelt hatte. Bei dem Thema sollte man äußerst vorsichtig sein, denn es hatte sowohl das Land, als auch die Unionsparteien gespalten und sogar die Europäische Union. Wie wäre es mit der Rettung Griechenlands? Nein. Das Land gehörte jetzt zur Türkei, wie ich schmerzlich erfahren hatte. Vor meiner Zeit als Bundeskanzlerin, in meinem Amt als Umweltministerin hatte ich das Dosenpfand eingeführt. Gehässige Leute hatten mir häufig auf die Schulter geklopft und gesagt, es wäre meine größte politische Leistung gewesen, viel besser als die Riesterrente. Denn während kaum ein Rentner von dem Machwerk der Schröder-Regierung profitierte, außer manch ein dubioser Versicherungskonzern, hätten die Rentner durch Sammeln von Einwegpfand ihre karge Rente deutlich aufbessern können. Sie hätten damit ein halbwegs würdevolles Leben führen können, ohne sich von Pizza Tonno, Pizzaresten aus der Mülltonne, ernähren zu müssen. »Ich hatte immer mein Bestes versucht«, wiederholte ich, »und werde nicht aufgeben.« Da fiel mir etwas Wichtiges ein. Es war ein Thema, das - musste ich zugeben - von den Grünen geklaut war. »Für den Atomausstieg habe ich mich eingesetzt.«

      »Das ist doch die umweltfreundlichste Technologie.« Odin lächelte. »Dagegen verstehe ich gar nicht, warum diese alten Braunkohlekraftwerke noch laufen müssen, die Unmengen von krebserregenden Abgasen in die Luft blasen.«

      »Bei der Atomenergie besteht eben ein gewisses Restrisiko …«, warf ich ein und fragte mich, warum hatte sich alles in die vollkommen gegensätzliche Richtung entwickelt und völlig anders, als es von der Mehrheit damals gewünscht wurde?

      »In den letzten dreißig Jahren so gut wie nichts passiert.« Odin schwelgte geradezu in seiner geliebten Atomenergie. »Es werden keine Treibhausgase produziert. Und Uran gibt es überall, in fast in unbegrenzter Menge. Bis auf Braunkohle sind alle fossilen Rohstoffe hingegen fast aufgebraucht.«

      So musste ich mir eingestehen, dass meine Politik des endgültigen Atomausstiegs nicht den durchschlagenden Erfolg gebracht hatte. Doch ich musste zugeben: ganz überzeugt war ich niemals davon. Nur diese schrottreifen Kraftwerke in der Ukraine und die gigantischen Energiefabriken unserer französischen Freunde, die waren tatsächlich gefährlich und hätten bei einem ernsthaften GAU dazu geführt, dass der gesamte europäische Kontinent unbewohnbar geworden wäre. Deswegen mussten wir vorangehen, auch wenn wir diese Technik wirklich beherrschten. Wir mussten ein Zeichen setzen, beim Ausstieg aus der Kernenergie vorauseilen und hoffen, dass unsere Nachbarstaaten folgten. Wenn es nur um unsere deutschen Kraftwerke gegangen wäre: ich hätte mich dagegen gewehrt, dass diese abgeschaltet wurden. Hoch angereichertes Uran war eben kein Spielzeug. Nichts für Kleinkinder, genauso wenig für unsere französischen Nachbarn geeignet, die Stäbe aus angereichertem Uran und Kugeln aus waffenfähigem Plutonium so leichtsinnig einsetzten wie ihre Bowle-Kugeln, die sie so weit wie möglich zusammenbringen mussten. Die kritische Masse bei dem Spiel wurde jedoch auch bei einer Gruppe übergewichtiger Spieler nicht erreicht.

      »Was ist mit Solarenergie und Kernfusion?«

      »Ich hatte mich intensiv mit dem Thema Alternative Energien beschäftigt.« Odin wirkte, als wäre er stolz, mitreden zu können. »Es gab ein Forschungsprojekt zur Kernfusion. Das wurde jedoch aufgegeben. Als nicht realisierbare Idee von Träumern wurde es vor einigen Jahren endgültig abgeschossen. Um die Energie der Sonne zu nutzen, wurden viele Versuche unternommen, doch für Photovoltaik beispielsweise fehlten ausreichend Rohstoffe, um die benötigten gewaltigen Mengen an Elektrizität zu erzeugen. Wenigstens funktioniert die thermische Nutzung. Unser Schwimmbad wird auf diese Art beheizt.«

      Immerhin etwas. Doch sehr wenig. Ob es der Menschheit mittlerweile gelungen war, zum Mars zu fliegen, ob dort Kolonien errichtet wurden und man auf dem roten Planeten reichlich vorhandene Rohstoffe nutzen konnte, um ferne Planeten zu erkunden? - diese Frage hatte sich wohl erübrigt, wenn ich aus Stillstand bei der technischen Entwicklung beim Thema Energie auf die sonstigen Fortschritte schloss. Werden wir einst eine höhere Zivilisationsstufe erreichen, oder sind wir für den endgültigen Niedergang prädestiniert? Diese Fragen schwebten wie ein Damoklesschwert über mir, doch ich konnte sie nicht beantworten. Ich fragte mich: gab es nicht irgendetwas, das sich zum Positiven gewendet hatte? Es waren sicher keine allzu revolutionären Entdeckungen möglich, wie man Windenergie effizient nutzen könnte.

      »Wie ist der Stand bei Gezeitenkraftwerken oder Erdwärme?«

      Alle schwiegen und schüttelten ratlos den Kopf. Ich hatte übersehen, dass dieses Land Bayern isoliert war und keinen Zugang zum Meer besaß. Mit dem zweiten Thema konnten sie wohl auch nichts anfangen. Ich fühlte, das es an der Zeit war, aufzugeben.

      »Nur mit der Kernenergie ist es möglich, den benötigten Strom für die fast 60 Millionen Menschen im Land zu produzieren.« Langsam war ich mir absolut sicher, dass Odin wie ich Physik studiert hatte.

      »Ich hätte nicht gedacht, dass die Bevölkerung über die Jahre schrumpfen würde«, wunderte ich mich laut. »Weniger Energie für weniger Bürger – dann sollte das Thema eigentlich kein größeres Problem darstellen.«

      »Ich verstehe nicht, was du meinst.« Bisher war Penelope wenig gesprächig gewesen, jetzt schaute mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. »Jedes Jahr kommen über eine Million Zuwanderer. Natürlich heißen wir alle willkommen, die in unser Land wollen. Die meisten kommen aus dem westlichen Teil, der sogenannten Republik, die eher eine Diktatur ist. Aus dem Bunker dagegen kam seit Jahrzehnten kein einziger Mensch mehr.«

      »Bunker nennen wir … bekanntermaßen ja dieses Nationaldeutschland. Bayern hat mittlerweile fast sechzig Millionen Einwohner.« Jürgen zwinkerte mir kurz zu und wandte sich zu seinen Parteigenossen, die mich gerade anstarrten, als wären sie langsam so verwirrt wie ich, die von diesen vielen Informationen fast überfordert wurde. »Angela war lange Zeit bewusstlos. Nehmt darauf Rücksicht.« Gerade im passenden Moment hatte er genau das Richtige gesagt. Jeder, der mich kurz zuvor ungläubig angestarrt hatte, sah mich nun verständnisvoll an.

      »Vielleicht trinke ich doch etwas. Ich würde jetzt sogar eine Runde Schnaps ausgeben.« Ich hatte noch einige Schweizer Franken, so könnte ich problemlos bezahlen. Etwas Alkoholisches brauchte ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten in genau diesem Moment. Jetzt sahen sie mich noch mitleidiger an.

      »Destillierter Alkohol ist verboten.« Jürgen gab der Kellnerin einen Wink. »Ich bestelle fünfmal Sekt. Dafür geht die Runde an mich.«

      Alle schauten stumm in die Ferne, bis die Gläser serviert wurden. Die angeregte Diskussion war weitgehend verstummt. Nun versuchte wohl jeder zu vermeiden, etwas Falsches zu sagen. Genauso wie ich. Die Rolle als weitgehend politisch unbedarfte Bürgerin erschien mir deutlich besser, als stolz zu verkünden, dass ich die ehemalige Bundeskanzlerin der ehemaligen Bundesrepublik in einem einst geeinten Europa war. Ich wollte jetzt keine Selfies, nicht in diesem Zustand.

      Die Klinik hatte einen 24-Stunden Service. Zwar musterte mich der Pförtner kritisch, da die zwei Gläser Sekt nach den vielen Jahren völliger Abstinenz eine nachteilige Wirkung auf meine Fortbewegung hatten, die mit einem deutlichen Stabilitätsverlust einherging. Aber er ließ mich ein. Kaum lag ich auf meinem Bett, riss mich sofortiger Schlaf an sich.

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