Название | Beautiful Soup |
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Автор произведения | Katja Pelzer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750219588 |
Es hat mich als Kind tief berührt, wie der Protagonist, ein Schlüsselkind namens Joschi, seine Freizeit einem Garten inmitten der Betonwüste einer Stadt widmet.
Gärten hatten für mich dadurch schon als kleines Mädchen eine Bedeutung. Wenn ich bei meinen Großeltern Zeit verbrachte, nahm mein Opa mich mit in seinen Gemüsegarten. Ich durfte mit ihm Erbsen ernten, aber auch Stachelbeeren. Und mit meiner Oma habe ich die Ernte dann küchenfertig gemacht.
Beim Erbsenpuhlen landeten immer wieder einzelne grüne Perlen in meinem Mund und explodierten dort in aller Süße. Genauso wie die köstlichen Tomaten, die damals noch nicht überzüchtet waren und ebenfalls ein intensives Aroma entwickeln konnten.
Auch diese Erinnerungsbilder voller Geborgenheit sind ein Teil meiner glücklichen Kindheit, die sich nicht von anderen glücklichen Kindheiten unterscheidet und gehören daher eigentlich nicht hierher.
Aber Joschis Garten und der Gemüsegarten im Hinterhof meiner Großeltern prägten mich dahingehend, dass ich schon als kleines Mädchen wusste, wie etwas wächst und ich mir früh der wohltuenden, meditativen Wirkung des Ackerns bewusst war. Was mir in meinem Leben, das später nicht immer so glücklich verlief, sehr geholfen hat.
In diesem Leben sitze ich jetzt neben Jaschar, genannt Joschi und lerne Denken auf eine Art, wie ich noch nie gedacht habe.
Es geht im Seminar dieses Mal um Funktionen.
Wir knobeln also ein wenig an den Funktionen herum. Aber ehrlich gesagt hat das Ganze in diesem Stadium noch viel mit Abschreiben von der Tafel zu tun.
Es gibt ein kleines Playersymbol, das wir immer dann anklicken sollen, wenn wir uns vergewissern wollen, ob ein Code funktioniert.
Das machen Jaschar und ich bei unserer Funktion jetzt auch und sie spuckt auch etwas aus.
Zunächst allerdings eine Fehlermeldung.
Da fehlt irgendwo eine Klammer oder auch ein Einschub.
Jaschar lässt mich machen und drängelt nicht.
Bis ich den Fehlerherd gefunden habe, vergehen einige Minuten.
Aber es ist bisher irgendwie auch keine Hexerei und macht noch immer Spaß.
Vor allem auch, weil die Programmentwickler scheinbar viel übrig haben für schöne Namen: Digital Ocean (im Grunde das Gegenteil eines Meeres, nämlich eine Cloud für Unternehmen und Teams.) Oder BeautifulSoup – eine Art digitale Bibliothek, über die wir Coder Daten aus HTML und XML-Dokumenten ziehen können.
Den Namen hat sich diese freie Programmbibliothek bei Alice im Wunderland geliehen. Die falsche Schildkröte singt das Schildkrötenlied, in dem die Beautiful Soup vorkommt.
„Sie ist zwar langsam, aber für den Anfang genau das richtige“, sagt David unser Dozent.
Und so kochen wir unser eigenes Süppchen damit, langsam wie Schildkröten.
Rasperry Pi ist auch so ein tolles Ding oder Easter Egg. Allein für solche Namen liebe ich das Programmieren.
Aber auch wenn ich Sprache sehr mag und gerne mit Worten arbeite, hilft mir das bei Python natürlich jetzt erst einmal nicht weiter.
Jaschar ist viel näher am Thema dran, das merke ich gleich.
Neben dem Journalismus spielt er ja in einer Band und erinnert mich daran, dass Mathematik und Musik einander sehr nah sind.
Er ist Schlagzeuger. Was genau zu seinen Händen passt, die so sensibel und doch kräftig wirken.
Seine Band macht so eine Art Brit-Pop, beeinflusst von Pulp, Blur und Damon Albarn, sagt er.
Und ich sage ihm, dass die ja wohl nicht wirklich aus seiner Zeit kommen, auch wenn Damon Albarn nach wie vor höchst aktiv und wirklich toll ist, wie ich finde.
„Ich fühle mich eher in den Neunzigern zu Hause“, flüstert Jaschar jetzt zurück und die Musik aus dieser Zeit ist ihm daher einfach näher, wie er mir erklärt.
Er mag aber auch David Bowie. Seine Stimme genauso wie seine Songs.
Die Siebziger und Achtziger sagen Jaschar musiktechnisch allgemein zu. Aber alles was neuer ist als Neunziger? Nö. Darauf steht er nicht so.
Dann erinnern wir uns plötzlich wieder daran, dass wir ja eigentlich zum Programmieren hier sind und nicht zum Plaudern. Das kommt zum Glück von ganz allein und ohne dass uns jemand darauf aufmerksam machen muss.
Aber es ist so eine Vertrautheit zwischen uns, dass wir am liebsten einfach weiterreden würden. Dabei liegt eine gute Generation zwischen ihm und mir.
Ich schaue ihn von der Seite an, bewundere sein markantes Profil und wundere mich.
Achtes Kapitel
Mein Mann macht sich lustig. Er behauptet, ich achtete mittwochs jetzt immer ganz besonders auf meine Kleidung. Was natürlich völlig abwegig ist.
„Dein Dozent scheint ja ziemlich attraktiv zu sein. Oder doch einer deiner Mitcoder?“, fragt er augenzwinkernd.
„Sehr witzig“, sage ich und bin empört. „Du glaubst wohl, Programmieren ist ein Spaziergang oder so was! Ist es aber nicht. Das ist höhere Mathematik.“
„Eben“, sagt mein Mann. „Da kann dir auch ein schickes Outfit nicht weiterhelfen.“
„Doch“, kontere ich. „Kann es. Wenn ich mich wohlfühle, lerne ich auch viel einfacher.“
Mein Mann lächelt nachsichtig. Kunststück. Gegen die Hirnmasse eines Raketenbauers ist die einer Online-Journalistin natürlich zu vernachlässigen.
Und außerdem lächelt er, weil er sich meiner so sicher ist, dass er mich niemals verdächtigen würde, auch nur einen Gedanken an andere Männer zu verschwenden. Er hat ein Urvertrauen in die Wiege gelegt bekommen, das durch nichts zu erschüttern ist. Gerne hätte ich manchmal selbst etwas davon ab.
Dann wäre ich jetzt auch etwas souveräner und würde nicht beim Aus-der-Tür-Rauschen über den Siebziger-Jahre-Schlag meiner Hose stolpern.
Außerdem würden dann auch solche Menschen wie unser Nachbar einfach an mir abperlen. Der überschreitet bei mir – freiwillig oder unfreiwillig, das sei hier mal dahingestellt – sämtliche Grenzen. Er ist unhöflich und rücksichtslos. Sein Fernseher läuft Tag und Nacht, egal ob er selbst zu Hause ist oder schläft. Mein Mann und ich vermuten, dass er ihn während seiner Abwesenheiten für seine Katze laufen lässt, damit die sich nicht so alleine fühlt. Durch die Wand zwischen seiner und unserer Wohnung jedenfalls dringen täglich vierundzwanzig Stunden lang Gedudel, Gedröhne, Gequatsche, Gemetzel, Geträllere und Geballere.
Das nervt.
Aber vor allem füttert er die Tauben. Vielleicht weil er sonst niemanden hat. Ich weiß es nicht.
Sie danken es ihm und ungefragt auch uns, indem sie alles volltropfen und regelmäßig stakkatoartige Jackson Pollocks auf den Hof und die dort vorhandenen Autodächer malen.
Und unser Nachbar füttert weiter die Tauben, als hätte er Angst, dass sie sonst verhungern könnten.
Das tut er auch jetzt gerade, während ich an ihm vorbeilaufe, weil ich, wie meistens zu spät bin.
Und weil ich zu spät bin, kann und will ich da jetzt auch nichts weiter zu sagen.
Ich habe irgendwann einmal versucht, ihm klar zu machen, dass die Tauben eben nicht verhungern. Dass es in unserer Stadt, wie überhaupt in jeder Stadt, von Nahrungsquellen für Tauben nur so wimmelt. Noch dazu haben die Viecher Flügel, die sie problemlos zum nächsten natürlichen Taubenbuffet tragen.
Aber