Ein Bild vom alten Gringo. Tilman Weysser

Читать онлайн.
Название Ein Bild vom alten Gringo
Автор произведения Tilman Weysser
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783738032253



Скачать книгу

“Ich hoffe, ihr Banausen seid in der Lage, meine Kunst zu würdigen.” Stolz belud er einen Teller mit Koteletts, Bratwürsten und Lammfleisch. Evas Eltern hatten vor ihrer Abreise großzügig für Verpflegung gesorgt.

       “Du bist zwar klein und dünn, aber du bist der Grill-Master.” lobte Maik mit vollem Mund.

       Julius nickte gönnerhaft. Selbst wenn Maik blöd war – mit Fleisch musste er sich auskennen, also war ein Lob aus seinem Mund nicht zu unterschätzen.

       “Spielst du uns gleich was vor.” schmatzte Silke zu Magnus.

       Na klar spielt er dir auf der Gitarre vor, dachte Eva, wenn du ihm dann auf der Flöte vorspielst. Sie errötete unbemerkt. “Gern. Auch wenn Maik mich dann für einen Angeber hält.” “Tue ich nicht, ich bin nur neidisch, Alter.” “Klingt ja spannend.” sagte Eva. Wenn er spielte, ließ er wenigstens die Finger von Silke.

      Nach dem Essen legte Julius ein paar Holzscheite nach. Die Sonne ging unter. Magnus stimmte die Gitarre. Er machte es gern spannend. Eitel war er natürlich auch. Wozu sonst der Aufwand, mit dem Publikum zu spielen gehörte einfach dazu.

      Julius freute sich, ohne seine mahnende Mutter Bier trinken zu können. Maik klappte seine Lehne nach hinten. Er wusste, dass er für die nächste halbe Stunde komplett abgemeldet war. Er gönnte seinem Freund die Show und hörte selbst ganz gerne zu.

      Es brauchte wie üblich nur drei oder vier Griffe, dann war klar, dass Magnus es richtig gut drauf hatte. Eva bekam zu ihrem Ärger eine Gänsehaut und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, mit ihrem schönen Cousin durch eine spanische Altstadt zu flanieren. Kein kleiner Bruder, keine lästige Freundin, kein sperriger Maik würde sie stören auf dem Weg ins Hotel. Sie machte die Augen auf und sah den flinken Fingern an Magnus linker Hand zu.

      Maik versuchte sich an einer ähnlichen Vorstellung. In seiner Phantasie lag die Altstadt in Frankreich, aber so lange Eva neben ihm saß, konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Er holte seine Zigaretten heraus, zündete eine an und inhalierte tief. Als er sich zurück lehnte, bemerkte er, dass Eva ihn ansah – missbilligend, wie er fand.

      Nach dem Konzert, das selbst den kritischen Julius erstaunt hatte, saßen sie bis kurz nach Mitternacht zusammen. Maik und Magnus gaben Anekdoten aus ihrer Schule zum Besten. Betuchte Eltern parkten ihre Sprösslinge dort und bezahlten viel Geld dafür, dass früh die richtigen Netzwerke geknüpft wurden. Man blieb unter sich, Adel auf dem Radl, Kronprinz hier, Hoheit da, Riesentheater, wenn die Eltern kamen. Ihre Normalität verlieh Magnus und Maik Exoten-Status. Sie wurden zu Rate gezogen in Fragen, die das gemeine Volk betrafen. Leonie Freiin von Lübeck hatte Maik gefragt, wie es denn so sei, als einer von ihnen, was sei zu beachten, da sie doch in Gstaad einem einfachen Schweizer Naturburschen begegnet und tief beeindruckt war. Als Maik gefragt hatte, was oder wer mit “einer von euch” gemeint war, hatte Leonie ihn verständnislos angeblickt und etwas ungeduldig ergänzt “bürgerlich natürlich, was denn sonst.” Maik hatte der drei Jahre jüngeren Leonie geduldig erläutert, dass sie es durchaus mit üblicher Konversation versuchen könne, auch Briefe seien nicht zu altmodisch. Wenn der Kandidat darauf nicht angemessen reagiere, habe eine Beziehung ohnehin schlechte Chancen. Das hatte sie überzeugt und sie war noch am selben Abend zur Tat geschritten. Über den weiteren Verlauf der Sache wurde Maik allerdings nicht unterrichtet.

      Magnus war bei der Ankunft einer neuen Schülerin aus England einmal von einem Mann in Sonnenbrille angesprochen worden, nachdem er Maik zugeflüstert hatte, die Neue hätte entfernte Ähnlichkeit mit Sean Young, die ihm seit Blade Runner und Wüstenplanet in mehr als einem feuchten Traum begegnet war. Die beiden Jungs hatten in der Sonne herumgelungert, als die Limousine vor fuhr. Der breitschultrige Mann war schlendernd zu ihnen gekommen und hatte sich zu Magnus geneigt. “No funny stuff, u hear me, mate? Touch this pre’y young flower n I snap ur bones like nothin. Hear me?” Er sprach leise, aber Magnus konnte alles gut verstehen. Der Mann sah nicht sehr humorvoll aus. Wie sich später herausstellte, war Deborah die Tochter eines britischen Milliardärs. Magnus kam schon deswegen nicht in Versuchung, weil sie nach nur sechs Monaten mit einer Überdosis ins Krankenhaus eingeliefert wurde und danach nie wieder kam. Ein paar Tage sah Magnus sich danach öfters um, wenn er draußen war, nur um sicherzugehen, dass niemand ihn zur Rechenschaft ziehen wollte für funny stuff, mit dem er gar nichts zu tun hatte. Maik hatte ihn nur ausgelacht, aber was wusste man schon. Ein Milliardär konnte Profis anheuern, ihn verschwinden lassen und danach der Schule eine neue Sporthalle spendieren, damit alle den Mund hielten. Magnus hielt das nicht für so abwegig.

      “Mehr Irrenanstalt als Schule, wie?” spöttelte Julius.

       “Ungefähr die Hälfte von dem, was Magnus erzählt, stimmt.” bestätigte Maik.

       Magnus schoss mit Oliven, Maik feuerte mit Silberzwiebeln und Gürkchen zurück.

       Silke schrie auf, als eine Zwiebel in ihrem Schoß landete. Als Maik langsam mit der Hand in ihre Richtung langte, sprang sie auf und machte einen Schritt rückwärts.

       “Nun hab dich doch nicht so, du willst es doch auch.” Maiks Zunge war schwer.

       “Nein, du Esel, ich will es nicht!” kreischte sie.

       Eva fand ihre Freundin zu streng.

       “Maik, auch eine Frau hat Gefühle.” erklärte sie ihm. “Du musst sie fragen. Sie muss wissen, ob du es ernst meinst. Sprich mir nach: liebe Silke, … “

       Maik schüttelte den Kopf, aber ließ sich darauf ein.

       “Liebe Silke, …”

       Eva nickte bestätigend.

       “Willst du meine Frau werden, damit ich in dein T-Shirt langen kann?”

       “Ich will ihr doch an die Hose.” verbesserte Maik.

       Silke schrie wieder auf.

       “Hey, ich dachte, du bist meine Freundin.”

       Maik schüttelte den Kopf.

       “Das scheint mir alles ein bisschen übertrieben. Ich wollte nur helfen.”

       “Natürlich, das wollt ihr immer.” Eva sah zu Magnus. “So ist es doch, gib es zu, Cousin!”

       “Ich protestiere. Weiß zwar nicht genau, wogegen, aber ich protestiere. Und ihr und immer … da kann ich gar nicht drauf wechseln.” “Papperla … papp.” Eva merkte den Rotwein. Julius hing faul auf seiner hochgeklappten Liege und interessierte sich nicht für das Geplänkel. Er zählte Sterne und genoss den Rausch.

      “So, ihr Lieben, bevor ihr anfangt, mit Tellern und Besteck zu werfen …” Eva fand das Durcheinander amüsant, aber ihre Grenze war erreicht.

       Silke lachte über praktisch alles, was Magnus sagte. Ihr Fuß war in seinem Hosenbein verschwunden, er hatte offenbar nichts dagegen. Bis auf ein Bier war er nüchtern geblieben.

       “Och, Schwesterlein, warum so ungemütlich?” quengelte Julius.

       “Du kannst ja bleiben, aber dann räum’ hinterher auch den Tisch ab. Angeblich soll es heute noch regnen. Ich muss jetzt erst mal diese Fremden hier loswerden.”

       “He he,” protestierte Magnus, “erst spiele ich mir hier die Finger blutig, und dann servierst du mich so ab? Ich fühle mich benutzt.”

       “Du kommst darüber hinweg.” tröstete ihn Eva leicht schnippisch.

       “Hast du eigentlich nochmal versucht, den Koffer aufzubekommen?” fragte Maik, um den Aufbruch noch etwas zu verzögern.

       “Ja, geschafft. Mit deiner Haarnadel.”

       “Respekt. Aber Baby, es war deine Haarnadel, soviel Zeit muss sein. Ich habe sie nur verbogen.”

       “Und, was ist drin?” Magnus war neugierig.

       “Weder Gold noch Edelsteine. Ich muss euch enttäuschen.”

       “Was denn, Eva, bitte?” Maik saß auf der vordersten Kante seines Stuhls und stemmte die Fäuste auf die Knie.

       “Papiere, Listen,