Das Klinikum. Emanuel Müller

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Название Das Klinikum
Автор произведения Emanuel Müller
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738009224



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schwarze Liegen auf. Aus der Notaufnahme wusste er, dass es sich hierbei um OP-Tische handelte. Das musste die Umbettung der OP-Säle sein. Geradezu entdeckte er eine metallene Tür mit breitem Glaseinsatz, hinter der sicherlich der eigentliche OP-Bereich lag.

      Hier war keine Menschenseele, auch jenseits der Glastür brannte kein Licht. Die eingeschalteten Apparate im Regal sagten ihm zwar, dass dieser Bereich scheinbar noch genutzt wurde, aber wohl nicht heute.

      Er drehte sich um und löschte das Licht. Als er die Umbettung gerade verlassen wollte, hörte er ein metallisches Scheppern aus der Dunkelheit. Sofort fuhr er herum. »Hallo? Ist da jemand?«

      Als niemand antwortete, ertastete er blind den Lichtschalter, ohne die Finsternis aus den Augen zu lassen. Endlich fand er ihn und helle Lichtstrahlen durchfluteten den Raum.

      Er war leer, bis auf das Regal und die OP-Tische. Lukas spürte sein Herz aufgeregt hämmern. Sorgfältig sah er sich um. Sein Blick blieb an der Schiebetür zum OP-Bereich hängen. Hinter der Glasscheibe sah man nichts als Dunkelheit.

      »Hallo! Ich bin der Zivi aus der Notaufnahme und habe mich hier ein bisschen verlaufen!«

      Als ihm niemand antwortete, verharrte er zögernd. Sollte er einfach gehen und die Apotheke selbst suchen? Andererseits hatte ja jemand gescheppert, und der konnte ihm bestimmt den Weg erklären. Vorsichtig schlich er auf die OP-Tür zu. Sein Herz raste vor Aufregung.

      Jetzt stand er direkt davor. Die Umbettung war zwar hellerleuchtet, doch durch die Glasscheibe in der Tür schien kein Licht zu dringen. Sie wirkte wie eine schwarze Fläche.

      Lukas fand nirgends einen Knopf zum Öffnen. Wahrscheinlich ging die Tür nur von innen auf. Er probierte kurz, ob sie sich von Hand aufschieben ließ, aber vergeblich.

      Gerade als er gehen wollte, hörte er hinter der Tür in der Dunkelheit ein schleifendes Geräusch. Neugierig versuchte er, einen Blick zu erhaschen. Ein paar Lichtstrahlen mussten doch durch die Glasscheibe fallen ... Er drückte den Kopf an die Scheibe, die Nase nur einen halben Zentimeter vom Glas entfernt, das von seinem Atem beschlug.

      Nichts, nur Schwärze ...

      Plötzlich tauchte direkt vor ihm ein Gesicht auf. Ein grässlich verunstaltetes Gesicht. Es klatschte auf der anderen Seite gegen das Fenster, mit einer Wucht, welche die Nase verbog. Ein dumpfes Knallen dröhnte ihm in den Ohren.

      Lukas schrie auf und torkelte rückwärts von der Tür weg. Das Gesicht! Oh Gott! Was war das für ein Monster?

      Es schien der Kopf eines Mannes zu sein, aber so genau ließ sich das nicht sagen. Der Zivi erkannte einen kahlrasierten Schädel mit vor Blut starrender Gesichtshaut. Vom imaginären Haaransatz hingen lose Hautlappen herab. Zwischen der blutigen Schicht starrten ihn weit aufgerissene, blaue Augen voller Angst an.

      Er taumelte rückwärts zum Flur. Die Gestalt öffnete den Mund und entblößte eine ganze Reihe Zahnlücken. Die Lippen bewegten sich. Der Mensch versuchte, zu sprechen.

      Endlich stieß Lukas gegen die metallene Schiebetür, die sich inzwischen geschlossen hatte. Ohne den Blick abzuwenden, tastete er hinterrücks nach den Schaltern zum Öffnen.

      Die Kreatur an der Scheibe bekam einen panischen Gesichtsausdruck.

      Mist, wo waren die blöden Türöffner? Um Himmels willen, er musste hier weg!

      Hinter dem Fenster patschte eine blutverschmierte Hand ans Glas und hinterließ einen blutigen Handabdruck. Dem Zivi wurde übel. Fieberhaft fingerte er blindlings nach den Knöpfen. Hinzusehen wagte er einfach nicht. Sein Blick haftete fest an der Glasscheibe mit der fürchterlichen Gestalt dahinter.

      Die Hand klatschte noch zweimal an die Scheibe, dann verschwand sie. Plötzlich glitt die OP-Tür leise rumpelnd auf. Lukas blieb fast das Herz stehen. Im Türrahmen stand ein grauenhaftes Etwas. Zu dem grässlichen, blutverschmierten Gesicht gehörte ein Kopf ohne Kopfhaut. Darüber war eine grau-rote Masse zu sehen. Der gebeugte Körper wurde zum Großteil von einem blutgetränkten Krankenhausnachthemd bedeckt. Die nackten Füße versanken in einer Blutlache.

      Da hatte Lukas endlich den Knopf gefunden und die Metalltür glitt leise zur Seite. Er machte ein paar Schritte rückwärts und fand sich im Gang vor der Umbettung wieder. Weit entfernt hörte er Regen gegen die Fenster trommeln.

      Die grässliche Gestalt setzte unsicher einen Fuß nach vorn, ging in die Knie und schien in Zeitlupe umzufallen. Den Aufprall kriegte Lukas nicht mehr mit, da die Tür vor ihm bereits wieder zugeglitten war.

      Die nächsten zwei Sekunden stand er still auf der Stelle. Dann übergab er sich schwallartig.

      Kapitel 5

      Tom gähnte. Seit dem Vortag hatte sich die Station weiter geleert. Dafür waren fast sämtliche Patienten pflegebedürftig.

      Er durchforstete gerade die Flurschränke und sammelte die Materialien zusammen, die er für eine Patientenwaschung benötigte. Leider fand er sich noch nicht so gut zurecht und Monika war bereits bei einem anderen Patienten zugange, die wollte er jetzt nicht stören. Auch von den zwei Kollegen auf der hinteren Seite des Flurs sah er kaum etwas, nur Carola werkelte hinter der Glasscheibe des Dienstzimmers.

      Eben hatte er alles beisammen und in die leere Waschschüssel geworfen, als er einen Alarm hörte. Das durchdringende Geräusch kam aus einem Zweibettzimmer neben ihm. Einer der Männer darin war in der Nacht notoperiert worden und hatte einen schlechten Allgemeinzustand. Aus diesem Grund hatte die Nachtschwester ihn an einen Überwachungsmonitor angeschlossen, der ständig Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung des Blutes und EKG überwachte. Auf der Intensivstation wäre der Patient besser aufgehoben gewesen, aber der zuständige Arzt hatte dagegen entschieden. Wahrscheinlich ein Kostenfaktor.

      In der Annahme, eine EKG-Elektrode oder der Sauerstoffsensor hätte sich gelöst, öffnete Tom die Zimmertür. Beim Blick auf den Monitor erschrak er jedoch. Im Takt zum Alarmgeräusch blinkten zwei Werte. Der Blutdruck betrug nur 70/30 und der Puls ganze 210 Schläge pro Minute. Jetzt begann auch die Anzeige der Sauerstoffsättigung zu blinken, während sie unter 90% sank.

      Der Patient lag unbeweglich in seinem Bett, eine Leichenblässe überzog das Gesicht.

      »Herr Schwertfeger! Hallo! Hören sie mich?« Tom rüttelte den Mann, doch vergebens. Durch die offene Zimmertür rief er: »Ich brauche hier sofort Hilfe!«

      Der andere Patient im Zimmer schaute zunächst irritiert, dann mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis.

      Monika kam als Erste herein und sah ihn fragend an.

      »Herr Schwertfeger hat einen Schock! Blutdruck 70/30!«

      Sie warf nur einen kurzen Blick auf den Überwachungsmonitor und rannte wortlos davon.

      Als Nächste kam Carola hineingelaufen. Im Schlepptau hatte sie eine spanische Wand, die sie innerhalb weniger Sekunden zwischen die beiden Patientenbetten gestellt hatte. »Monika ruft den Arzt an!«, informierte sie Tom.

      Der Monitor alarmierte wieder. Als Tom den Alarm wegdrückte, sah er, dass die Atemfrequenz auf null und die Sauerstoffsättigung auf 35% stand. »Atemstillstand!«

      Die Stationsschwester rannte zum Schrank, während Tom überprüfte, ob die Atmung tatsächlich ausgesetzt hatte, oder ob es ein Messfehler war. Es stimmte jedoch. Carola hatte jetzt einen Beatmungsbeutel in der Hand und drückte ihn dem Patienten aufs Gesicht. Der Alarm ging erneut los und der Bildschirm zeigte beim EKG nur noch eine durchgehende zittrige Linie. Die Pulsanzeige bestand aus einem blinkenden Fragezeichen.

      Monika kam mit einem tragbaren Telefon ins Zimmer. »Kreislaufstillstand!«, rief Carola ihr zu. Tom begann mit einer Herzdruckmassage, während seine Kollegin die Notfallnummer eintippte und mit dem Hörer am Ohr zum orangefarbenen Reanimationsbrett im Flur sprintete. Sie riss es von der Wand und kehrte zurück zum Bett, um es zwischen den Patienten und die Matratze zu schieben.

      »Immer noch Atemstillstand!«, kommentierte die Stationsschwester überflüssigerweise und machte sich daran, den Mann