Название | Blaues Netz |
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Автор произведения | Jean-Pierre Kermanchec |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847615514 |
„Du hast recht Henri, auch die Menschen aus der Gegend haben ihre Schwierigkeit damit. Man muss entweder den Besitzer nach einer genauen Lagebeschreibung fragen oder jemanden finden, der die Bewohner kennt. In unserem Fall hat Monsieur Nourilly vergessen dir zu sagen, dass wir uns im Haus von Madame Miliner treffen. Das Haus wurde für einige Wochen angemietet. Wo genau befindest du dich im Augenblick?“
„Ewen, ich stehe hier wenige Meter hinter einem Calvaire, am Ende des Lieu dit Kermanchec.“
„Dann hast du das Haus nur wenig verfehlt, mein Freund. Du musst umdrehen und zurück in Richtung Concarneau fahren. Das dritte Haus links nach dem Calvaire ist das Haus, in dem wir uns später sehen.“
„Ewen, ich danke dir. Bis bald.“ Medernach legte auf und wendete den Wagen. Nun sah er auf der linken Seite das Haus. Das Tor stand offen und Henri erkannte einen kleinen Parkplatz hinter den Büschen, die rechts und links die Einfahrt säumten. Jetzt war es für ihn kein Problem mehr, am Abend Ewen hier zu treffen. Erneut wendete er das Fahrzeug und fuhr weiter in Richtung Melgven und nach Pont Aven.
Die Ortsbeschreibung von der Stelle, an der man die Leiche gefunden hatte war ihm noch so präsent, dass er nicht sofort auf seine Notizen sehen musste, die er bei dem Gespräch mit Nourilly und Kerber gemacht hatte.
Er durchquerte das kleine Zentrum von Melgven und fuhr in Richtung der voie express. Er bog dann rechts in die D24 ein und folgte nun dieser Straße bis nach Pont Aven.
Er kannte Pont Aven nur aus Erzählungen. Ein Ort, der mehr Galerien als Einwohner zählte, hatte ein Freund einmal zu ihm gesagt. Das war auch Medernachs erster Eindruck, als er das Ortsschild passiert hatte und an jedem zweiten Haus den Schriftzug «Galerie» las. Bevor er im Ortskern ankam, hatte er bestimmt schon zehn Galerien gezählt. Henri bog an der Brücke über den Aven links ab und folgte der D763, wie Ewen es ihm beschrieben hatte. Als er das kleine Hinweisschild «Ty Glaz» sah, bog er nach rechts in diese Straße ein. Dieser sollte er folgen, bis er in die Straße «Rue de Thoniers» kam, die später in die «Rue des Deux Rivières» überging. Am Ende der Straße sollte er rechts abbiegen, dann hätte er den Ort, beziehungsweise die Straße Coat Melen erreicht.
Als Medernach die beschriebene Stelle fast schon erreicht hatte, stellte er den Citroën ab und stieg aus. Er wollte jetzt die wenigen hundert Meter zu Fuß gehen um als Spaziergänger zu gelten. Er holte die zuvor gekauften Gummistiefel aus dem Kofferraum und zog sie an, stellte seine Schuhe hinein und folgte der Straße.
Die Landschaft war herrlich, große Weizenfelder und Felder mit Mais wechselten sich ab, dazwischen standen immer wieder Baumreihen, die mal als Allee angelegt waren und mal als Abgrenzung der verschiedenen Anwesen dienten. Ganz kleine, waldähnliche Baumpflanzungen schienen wild entstanden zu sein. Medernach ging an den Häusern vorbei, die nicht den Eindruck machten als ob hier arme Leute wohnten.
Er folgte der Straße, die eine Kurve nach links beschrieb. Von Ewen wusste er, dass er hier nur noch wenige hundert Meter von der Fundstelle der Leiche entfernt war. Als die Straße nun erneut nach links abbog, konnte er den kleinen Weg bereits erkennen, der rechts zum Ufer des Aven hinab führen würde, bis an die kleine Bucht, Anse Melen, die Stelle, an der man die Leiche gefunden hatte. Henri bewegte sich sehr vorsichtig und verhielt sich wie ein Wanderer auf unbekanntem Terrain. Auch blieb er immer wieder stehen, sah sich die Gegend an, betrachtete die Häuser und schlenderte gemächlich weiter, so als habe er kein Ziel vor Augen und alle Zeit der Welt. Er hatte nun den kleinen Weg erreicht, der zum Aven führte. Er bog in den Weg ein und schlenderte weiter, die Hände auf dem Rücken. Nach knapp hundert Metern sah er die Bänder der Polizeiabsperrung. Er achtete darauf, die Absperrung nicht zu ignorieren und hielt sich auf dem nicht versperrten Teil des Weges. Als er an die kleine Bucht kam, die der Aven hier bildete, ließ er seinen Blick über den Fluss schweifen. Ein unbedarfter Zuschauer hätte schwören können, dass dieser Mann rein zufällig hierhergekommen war. Henri betrachtete das Ufer sehr aufmerksam. Er studierte den einzigen höheren Felsen ganz genau. Es musste die Stelle sein, an der die Schleifspur endete, von der Ewen berichtet hatte. Der kleine Weg, auf dem er gerade von der Anhöhe bis hierher ans Ufer gekommen war, bog hier nach rechts ab und man konnte vielleicht nochmals fünfzig oder achtzig Meter am Ufer entlang gehen. Medernach ging langsam weiter. Er wollte so nahe wie möglich an den Felsen herankommen, jedoch keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Er überlegte, wie es möglich gewesen ist, die Leiche zum Felsen zu bringen. Nach seiner Einschätzung blieb nur der Fluss übrig.
Ewen war zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Die Leiche musste mit einem Boot bis zum Felsen gebracht worden sein. Aber warum? Wieso macht sich jemand die Mühe, eine Leiche mit einem Boot zu transportieren, dann auf einen Felsen hochzuhieven, sie anschließend durch den kleinen Wald bis zu der Lichtung zu schleifen, um sie dort dann am Ufer des Aven abzulegen? Man hätte sie doch sofort zu der Stelle mit dem Boot bringen können. Henri Medernach überlegte noch immer, als er plötzlich eine Stimme vernahm.
„Nicht wahr, Monsieur, dies ist ein herrliches Fleckchen Erde?“
Medernach drehte sich abrupt um und sah einem älteren, so um die siebzig Jahre alten Herren ins Gesicht. Der Mann lächelte ihn an.
„Ich habe Sie doch nicht etwa erschreckt?“
Henri hatte sich wieder gefasst.
„Ja, Sie haben mich etwas erschreckt. Ich war nicht darauf gefasst, jemandem zu begegnen. Ich bin ganz in Gedanken hier entlang spaziert. Sie haben aber recht, es ist ein wunderschönes Fleckchen Erde. Ich habe von dem Bois d`Amour, hier am Aven gehört und den wollte ich mir natürlich ansehen.“
„Da haben Sie aber den falschen Ort besucht Monsieur…?“
„Henri, Henri Medernach ist mein Name. Verzeihen Sie, dass ich mich nicht vorgestellt habe.“
„Angenehm, ich heiße Yves Gwenn, alter bretonischer Adel.“ Der Mann lachte, als er das sagte. „Ich könnte genauso gut Blanc heißen, es hätte die gleiche Bedeutung, aber mir gefällt der bretonische Name besser. Doch zurück zum Bois d´Amour. Der befindet sich in Pont Aven und nicht hier am Aven.“
„Oh, da habe ich mich aber wirklich an den falschen Ort begeben. Was gibt es denn hier zu sehen, wenn ich schon einmal da bin?“ Medernach sah den Herrn ruhig und freundlich an. Er war froh, dass ihm dieser Bois d´Amour eingefallen war. Er wusste zwar nicht genau, wo er ihn finden würde, aber dass er unmittelbar bei Pont Aven lag, das war ihm bekannt. Die Maler der Ecole de Pont Aven hatten sich viel in diesem malerischen Wald aufgehalten und sich von ihm inspirieren lassen.
„Nun, hier können Sie sich höchstens die Grotten ansehen, die sieht man aber besser vom Wasser aus oder von der anderen Seite. Von diesem Ufer aus kann man keinen vernünftigen Blick darauf werfen. Besichtigen kann man sie ja nicht. Es sei denn, man ginge mit einer Taucherausrüstung hinein. Es dürfte aber doch eher gefährlich sein. Wenn Sie sich aber einen ersten Eindruck über den Aven verschaffen wollen, dann sollten Sie unbedingt mit dem Boot von Pont Aven aus den Fluss hinunter fahren. Auch wenn nur Touristen an Bord sind, so ist es doch eine lohnenswerte Fahrt.“
„Sie wohnen wahrscheinlich hier in einem der Häuser?“ fragte Medernach Monsieur Gwenn. Vielleicht konnte er ja einige Informationen über die restlichen Bewohner erhalten.
„Ja, bereits seit sechzig Jahren. Gleich hier oben.“ Monsieur Gwenn zeigte auf das Haus oben an der Straße, an dem Medernach vorhin vorbeispaziert war.
Henri dachte sich, dass der Mann ihn ja gesehen haben könnte und ihm neugierig gefolgt sei. Alles Fremde fiel hier sofort auf.
„Wohnen viele Menschen so privilegiert? Ich kann nicht umhin, ein Grundstück und ein Haus in einer solchen Umgebung als ein Privileg zu benennen.“ Medernach sah Monsieur Gwenn an und erwartete eine Antwort.
Monsieur Gwenn lachte mit einer gewissen Genugtuung.
„Ja, wir wohnen hier wirklich sehr bevorzugt. Aber es ist auch durchaus gefährlich hier zu wohnen. Sehen Sie, die Abgeschiedenheit der Häuser bringt