Djihad. Christoph Hoenings

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Название Djihad
Автор произведения Christoph Hoenings
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847623380



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einmal mit Sicherheit, ob der Mann tatsächlich ein Israeli war. Was ihn vermuten ließ, dass es sich um einen Israeli handelte, waren die profunden Kenntnisse um Ahmeds Familie in Ramallah und die Drohungen, was seinen Verwandten passieren würde, wenn er nicht mitarbeitete.

      Von dem Mann wusste Ahmed keinen Namen und schon gar keine Anschrift.

      Die Übergabe des für Siddiqui bestimmten Geldes an Ahmed war ein Mal in der Moschee und die beiden anderen Male bei den Treffen im Restaurant erfolgt.

      In der Moschee hatte der Mann Ahmed beim Herausgehen mitten im Gedränge der Gläubigen unauffällig den Umschlag mit dem Geld zugesteckt. Im Restaurant hatten sie wegen der Paravents diese Rücksicht nicht nehmen müssen.

      Ahmed Falouf hatte in dem toten Briefkasten für ihren Austausch von Nachrichten und USB-Sticks die Aufforderung vorgefunden, sich mit dem Mann zu treffen. Hierzu hatte es drei unterschiedliche Zeitvorgaben gegeben, denn im Vorhinein konnte niemand wissen, wann der General seinen Fahrer benötigen würde. Der Mann, so vermutete Ahmed, würde entweder zu allen drei Zeitpunkten am vorgesehenen Ort sein, oder aber, da, wie Ahmet vermutete, das Fahrzeugs des Generals unter Beobachtung stand, wissen, ob Ahmed Dienst als Chauffeur tun würde.

      Heute trafen sie sich nach dem Nachmittagsgebet in dem gerade wieder öffnenden Alten Basar.

      Das hatte den Vorteil, trotz der einsetzenden Dämmerung auf der noch leeren Gasse sehen zu können, dass der andere allein gekommen war. Sie mussten jetzt nur noch einander im Auge behalten, als die Händler die Rollläden und Gitter vor ihren Geschäften wieder hochzogen und der Markt sich mit dem üblichen Menschengewimmel füllte.

      Kurz darauf standen sie nebeneinander und betrachteten die Auslage im Fenster eines Schuhgeschäftes.

      Inzwischen war es dunkel. Markt und Gassen waren weniger durch die spärlichen Laternen als durch das aus den Läden und Buden nach außen fallende elektrische Licht erhellt.

      „Was den neuen Freund aus Pakistan angeht, hier ist die erste Rate,“ sagte der Mann ohne Begrüßung oder ein Wort der Freundlichkeit und drückte Ahmed einen Umschlag in die Hand. „Eintausend Dollar.“

      „Aber er will doch…“ versuchte Ahmet zu protestieren.

      „Wir wollen erst sehen, was er liefert!“

      Ahmed Falouf sah im Weggehen, dass der Mann das Schuhgeschäft betrat wie ein Kunde, der in der Auslage etwas für sich entdeckt hatte.

      Während Ahmed sich seinen Weg durch die Menge der Menschen bahnte, jubelte er innerlich. Siddiqui wusste nichts von dem Geld, das Ahmed für den Kontakt mit Naqui zusätzlich verlangt hatte. Ahmed Falouf war überzeugt, seiner Hochzeit mit Zaidah wieder einen Schritt näher gekommen zu sein.

      Hakeem bin Zaif mochte seine Deutschlehrerin nicht. Nicht, weil sie ihn schlecht behandelte. Im Gegenteil, sie war sehr freundlich. Sie war hübsch, etwas älter als er selbst, aber sie verwirrte und verunsicherte ihn.

      Die Eltern der jungen Frau stammten aus Marokko. Sie, so hatte sie erzählt, war auch dort geboren, aber als Kind mit den Eltern nach Deutschland gekommen.

      Sie sprach Deutsch wie eine Deutsche.

      Sie sprach Arabisch wie eine Araberin.

      Sie hieß Aisha. Ihr Name war abgeleitet von dem Namen der jüngsten Frau des heiligen Propheten Mohammed, Ayesha, die im Alter von neun Jahren vom Propheten geheiratet worden war.

      Das Sprachinstitut hieß InterSpeech und hatte seine Klassenräume in einem schönen alten Gebäude an der Straße Eppendorfer Baum.

      Neben Hakeem gab es drei weitere Schüler, Adnan, den Sohn eines im Generalkonsulat in Hamburg tätigen Diplomaten aus dem Oman, Rashid, Sohn eines Kaufmannes aus Tunesien, und Memo, Sohn eines ägyptischen Ingenieurs.

      Alle sollten sie an der Universität Hamburg studieren, alle vier waren in etwa gleich alt, und alle wurden von Aisha völlig gleich behandelt.

      Hakeem hatte inzwischen die unzähligen Frauen gesehen, die ihr Haar offen trugen, er hatte Frauen gesehen, in aufreizenden Kleidern, in hautengen Hosen, in Blusen, unter denen sich die Spitzen ihrer Brüste abzeichneten. Er hatte aber auch die züchtigen jungen Muslima gesehen, von denen es in Hamburg zahlreiche gab, die ihr Haar unter einem Kopftuch verbargen, und die den Blick senkten, wenn ein Mann sie ansprach.

      Was Hakeem bin Zaif so verwirrte war, dass Aisha das Kopftuch trug, so, dass niemals eine Strähne ihres Haars zu sehen war. Aber ihre Blusen ließen oft ihre Brustspitzen erahnen, und unter den engen Hosen zeichnete sich die Falte ihres Leibes ab.

      Zudem dachte Aisha nicht im geringsten daran, ihren Blick zu senken. Sie guckte ihren Schülern offen und keck in die Augen, lobte oder tadelte sie, und pflegte eine beunruhigend offene Sprache.

      Hakeem war gleichzeitig hingerissen und abgestoßen. Aisha war bei weitem nicht so verrucht wie die Frauen in Europa oder den USA. Aber gerade, weil sie einerseits so züchtig war und andererseits so lasziv wirkte, wusste Hakeem seine Gefühle nicht einzuordnen. So wie Aisha stellte er sich die Jungfrauen im Himmel vor, die auf die Helden warteten, die ihr Leben für den Heiligen Glauben hingaben.

      Hakeem träumte des Nachts von Aisha.

      Er respektierte sie viel zu sehr, nicht als seine Lehrerin, sondern als Frau, als dass er gewagt hätte, sie anzusprechen und einzuladen, außerhalb der Kurse Zeit mit ihm zu verbringen.

      In seinen Träumen jedoch umarmte er Aisha, drang ein in ihren warmen Leib, und wenn er dann aus dem Schlaf schreckte, legte er, Allah möge ihm vergeben, Hand an sich selbst und befleckte sich, um sich Erleichterung zu verschaffen.

      Einige Male war er in den Stadtteil gegangen, vor dem Feldwebel Abd el Abd ihn dankenswerterweise versucht hatte, zu warnen. Hakeem hatte sich die Etablissements angesehen, die Schaufenster mit den üppigen Frauen. Auf einer Bühne sah er den Akt der Vermehrung, durchgeführt von etlichen Paaren gleichzeitig, die dann auch noch während der Vorstellung ihre Partner wechselten.

      Bei diesen Besuchen hatte Hakeem bin Zaif versucht, sein erregtes Fleisch durch die Hand in seiner Hosentasche zu verdecken, immer in der Angst, jeden Moment würde der unbändige Zorn Allahs in Form eines Blitzes auf ihn herab geschleudert.

      Nachdem jedoch der Blitz ausblieb, und nachdem Hakeem die Erregung und Neugier nicht mehr länger aushielt, ging er zu einer der üppigen Frauen in der Straße mit den Schaufenstern. Die Frau war sicherlich älter als seine Mutter. Aber Hakeem versank zwischen ihren enormen Brüsten, in ihrem nachgiebigen Fleisch, das so weich und geschmeidig war, dass er nicht mal merkte, in die Frau eingedrungen zu sein, und er dachte dabei an Aisha und daran, welche Sünde er gerade beging.

      Immer noch blieb der befürchtete Blitz aus, und Hakeem nahm an, dass Allah ihn entweder nicht für wichtig genug erachtete oder dass Allah sein Tun nicht als Sünde ansah.

      Hakeem gefiel der zweite Gedanke besser. Die Frauen, mit denen er das Lager teilte, waren schließlich Frauen der Ungläubigen. Und so, wie Hakeem es sah, entwürdigte er durch seinen Akt die Ungläubigen und ihre Frauen, wodurch er gleichzeitig Allah lobpries.

      Trotzdem war ihm nicht wohl bei seinem Tun. Sünde blieb wahrscheinlich doch Sünde.

      Und weil es letztlich Aisha war, die ihn zu diesen Sünden trieb, wurde sein Zorn auf sie immer größer.

      Gerade deshalb war er so perplex, als sie ihm mit einer Handbewegung bedeutete, sie wolle ihn nach Abschluss der heutigen Unterrichtsstunden noch unter vier Augen sprechen.

      Nervös trödelte Hakeem bin Zaif herum, als er sein Heft und seine Bücher einpackte. Ebenso trödelte er, als er seine Jacke von der Garderobe holte und noch einmal in den Klassenraum zurück schlenderte, den seine drei Mitschüler soeben verließen und in dem Aisha noch damit beschäftigt war, die Wandtafel sauber zu wischen.

      „Ach, Hakeem,“ sagte sie. „Du wartest auf eine Nachricht aus Riad. Ich habe da etwas für dich. Lass uns noch einen Tee zusammen trinken. Hier um die Ecke gibt es eine nette Teestube. Am liebsten dort mag ich deren grünen Tee.“