Название | Fantasy, märchenhafte Krimis und Bitterböses |
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Автор произведения | Günther Seiler |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738059342 |
Wenkeldon sah sich eine der dazwischen stehenden fremden Pflanzen an und suchte vergebens nach den kleinen, wilden Trieben in den sogenannten Achseln. Hier waren keine und es waren an diesen Stellen auch keine Triebe entfernt worden. Das stellte er mithilfe einer Lupe fest. Da diese Pflanze von einem Laien von einer Tomatenpflanze nicht zu unterscheiden waren, war Wenkeldon sofort klar, dass die normalen Tomatenpflanzen nur der Tarnung dienten. Hier dachte er zuerst daran, dass die Tomaten einiges Ungeziefer auf natürlichem Wege fern halten sollten.
Wenkeldon schnitt eine Pflanze ab und verglich diese mit einem Farbfoto aus seinen Unterlagen, als eine weibliche Stimme ihn erschreckte: „Ja, Sie haben es erkannt. Ihre Vermutung ist richtig und bevor Sie nun in Ihrem Laptop nach langen Erklärungen suchen, kann ich Ihnen den mündlichen Bericht geben.“ Wenkeldon ließ vor Schreck die Pflanze fallen. Die Ärztin Serberito Zenker stand vor ihm und hielt in der linken Hand eine kleine Pistole. Sie sagte das, ohne Emotionen zu zeigen, denn sie musste Wenkeldon schon lange beobachtet haben: „In den fast unzugänglichen Bergregionen von Mexiko wächst eine Pflanze mit dem Namen ‚Kieselpflanze von Merikator‘. Diese Pflanze wurde schon vor hundert Jahren in dem Dorf Merikator in Mexiko entdeckt und festgestellt, dass ihr Wirkstoff alles in den Schatten stellt, was auf dem Drogensektor gehandelt wird. Nur wurde das Wissen verschwiegen, weil die Beschreibung der Folgen mit ‚grausam‘ untertrieben ist. Sie können es mir glauben, als Ärztin kann ich da mitreden.“ Nun fing sie glucksend und albern zu lachen an, als würde sie ihre Wortkreationen als Nachhall sozusagen im Kopf genüsslich nachbearbeiten: „Es könnte auch sein, dass die Entdecker ihr Wissen bewusst geheim halten wollten, weil sie schnell die fatalen Folgen vermutlich am eigenen Leib spürten. Das Merkwürdige an der Wirkung dieses Extraktes, den man übrigens als Zäpfchen völlig ohne Nadelstiche zu sich nimmt, besteht nicht darin, überhaupt nicht müde zu werden. Hier kann man mit dieser Droge nicht Tage durcharbeiten, sich wohlfühlen oder zu schweben glauben, um dann völlig abzustürzen und sich dann irgendwann als abgemagertes, zahnloses Wrack mit eitrigen Beulen im Gesicht, mit Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen in der Gosse wiederzufinden. Genau das Gegenteil tritt ein. Man braucht nach der Einnahme seinen geregelten Schlaf und die übliche Nahrung weiterhin, auch kann man seinen Beruf weiter ausüben, ohne aufzufallen. Vorerst zumindest. Das Fatale ist wie bei starken Drogen, dass auch diese sofort nach dem ersten Zäpfchen abhängig macht. Das Gute zumindest aus der Sicht des Konsumenten ist, der Nachweis im Körper ist mit herkömmlichen Labormethoden nicht zu finden. Nun werden Sie mich fragen wollen, worin der Vorteil, wieder aus der Sicht des Konsumenten, besteht? Diese Droge ist sehr teuer und aufwändig herzustellen. Das ist die eine Seite der Medaille. Der Vorteil besteht in der eben geschilderten Einnahme und man braucht sich nur einmal in der Woche ein Zäpfchen rektal zu verpassen. Dann geschieht schleichend der, ich sage immer, Umwandlungsprozess. Sie werden gelassener, nehmen Stress, Hektik und Beleidigungen einfach nicht mehr wahr. Sie lassen wie bei einer neu gewachsenen, inneren Baumrinde nichts mehr an ihre Psyche heran. Ihr Geist bekommt eine Schärfe, wie ein Diamant mit seinem letzten Schliff. Und hier kommt der Vorteil, wenn man überhaupt bei Drogen von einem Vorteil sprechen kann, das muss ich als Beteiligte und daran Verdienende fairerweise einräumen. Ich selber bejahe natürlich den Vorteil. Also, Sie erledigen ihre Aufgaben, Studien mit einer Klarheit Ihres zu neuen Ufern strebenden Geistes und Sie werden von Ihren Mitmenschen und Vorgesetzten plötzlich mit neuen Augen gesehen und mit anderen Maßstäben gemessen. Sie klettern nun mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit die Karriereleiter hinauf, als hätten Sie wie bei einem Kampfflugzeug den zusätzlich schubgebenden Nachbrenner gezündet. Alles geht mit einer Leichtigkeit von der Hand. Wer vorher für Mathematik oder analytisches Denken keine Ader hatte, wird plötzlich, um bei der Metapher aus der Fliegerei zu bleiben, sprichwörtlich zum Überflieger.“
Frau Doktor Zenker hatte sich richtig mit roten Flecken im Gesicht in Rage geredet. Wenkeldon sah sie nur mit großen Augen an und wagte nicht, sie mit Fragen zu unterbrechen. Sie lieferte die Erklärungen schließlich immer selber mit. Eines quälte ihn doch und er nutzte die Pause, wobei er die Waffe in ihrer Hand nicht aus den Augen ließ: „Frau Zenker, dass ist ja alles schön und gut aus Ihrer Sicht gesehen. Das muss ja aber nicht jedem gefallen. Aber nun nennen Sie mir doch einfach und schlicht auch für einen medizinischen Laien die Nachteile.“ Sie sah ihn wie einen Studenten an, der es wagte, seiner Professorin eine ungehörige Frage zu stellen. Nun krauste sie die Stirn und kämpfte innerlich mit sich, wie weit sie ihre Informationen preisgeben sollte oder nicht und was sie verantworten konnte. Vielleicht überlegte sie auch, ob sie die Position einer Ärztin oder der einer Geschäftemacherin einnehmen konnte und sollte. Sie schien irgendwie zu spüren, dass ihr Gegenüber kein zufälliger, neugieriger Mensch war und sie nannte schonungslos die Nachteile der Droge. Würde so ein Autoverkäufer sein Fahrzeug mit dem Für und Wider anpreisen, würde er keine Kunden finden. Sie nahm die Waffe in die rechte Hand, offensichtlich stockte die Blutzirkulation.
Nun seufzte sie: „Wenn man die negativen Folgen betrachtet, so muss ich vorwegschicken, dass letztlich alle Drogen Probleme auslösen können. Es kommt aber darauf an, die negativen Folgen möglichst lange hinauszuschieben und das ist bei dieser Droge der Fall. Nach ungefähr acht bis zehn Jahren der ständigen Einnahme, ich wiederhole ständig, sozusagen als Drogenabusus, kommen aller Wahrscheinlichkeit die ersten Folgen.“ Wenkeldon musste lachen und meinte: „Sie preisen erst die Droge an und nun räumen Sie sogar negative Folgen für den menschlichen Körper ein. Sie gehen in einer naiven Weise vor, die mir den Magenmuskel zusammen krampfen lässt. Sie sehen das so nach dem Motto, letztlich müssen wir alle sterben, nur der Weg kann für einige bis dahin schmerzhaft sein. Aus diesem Grunde zögern wir den Zeitpunkt des Todes mithilfe einer Droge einfach hinaus? Wenn man aber acht oder zehn Jahre lang einen glücklichen Zustand erreicht, ist der Rest marginal unwichtig. Lieber kurz und intensiv, als lange und langweilig oder unproduktiv zu leben. Im Endeffekt sind wir alle tot.“ Wenkeldon sah sie an und Serberito Zenker schien über seine Worte nachzudenken. „Sie haben recht, Herr Rath, das geht mir aber ein wenig in die philosophische Abteilung des Lebens. Ich habe es mir jetzt überlegt. Ich sage Ihnen, welche konkreten Folgen die Droge der Kieselpflanze von Merikator, unter Fachleuten kurz Meri genannt, hat, wenn Sie mir sagen, wie Sie mir auf die Schliche gekommen sind! Dass Sie hier nicht durch Zufall sind, habe ich längst begriffen. Mir ist es als Ärztin hier im Dorf auch nicht entgangen, dass Sie eine ganze Weile zu angeblichen Studienzwecken unterwegs waren. Da Sie als kauziger, zerstreuter Gelehrter bekannt sind, fragten mich einige meiner Patienten, wo Sie sich wohl aufhalten würden. Auch ich machte mir Gedanken, jedoch bekam ich nichts heraus. Selbst der Vorsteher des Dorfes und der Herr Bürgermeister wussten nichts über Ihre Umtriebe.“ Wenkeldon lachte und sagte: „Halten Sie Ihr Wort, ich sage nur ein Stichwort: Professor Arkindino Höpfner. Dieser nette Arzt war so freundlich, mir Ihre Personalakte für einige Minuten zu überlassen, als er dringend das Zimmer verlassen musste, weil er zu einem Patienten gerufen wurde.“ Sie schürzte die Lippen und erwiderte: „Das sieht ihm ähnlich! Er war schon immer ein unterschätztes Schlitzohr. Von wegen, er wurde zu einem Patienten gerufen.“
Wenkeldon sah sie ernst an und fuhr fort: „Ich durfte die Akte lesen, mir aber weder Kopien noch Notizen machen. Ich habe mir aber zu Hause ein Gedächtnisprotokoll angefertigt und dieses einem Kollegen zugemailt. Wenn Sie jetzt den unwiderstehlichen Drang verspüren, die gute italienische Waffenkunst in der Damenpistole wie bei dem bedauernswerten Gärtner Horatio Müllersohn zu probieren und mir ebenfalls ein feines, niedliches Loch in die Stirn zu fräsen, bringt es Sie unter dem Strich nicht viel weiter und ich weiß nicht einmal beim Verlassen dieses blauen Planeten, wie letztlich die negativen Folgen der Droge mit dem niedlichen Namen Meri ist. Ich werde mich vor Gram an jedem Jahr meines Todestages unruhig im Grab drehen und an Sie zwangsläufig denken müssen.“ Frau Zenker hätte über den Humor unter diesen Voraussetzungen fast losgelacht.
Sie senkte langsam die Waffe und meinte nur: „Nun gut, die Folgen sind, dass der Konsument nach wie gesagt acht bis zehn Jahren eines Morgens wie bei einem fiebrigen schweren Schub Gliederschmerzen verspürt, die er erst nicht beachtet. Er schleppt sich zur Arbeit und sucht