Die Tote am Steinkamp. Ingo M Schaefer

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Название Die Tote am Steinkamp
Автор произведения Ingo M Schaefer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742715487



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      Marker nickte.

      „War das Pflaster auch zwischen den Schulterblättern?“, fragte ich.

      Niemand sagte etwas.

      „Es tut mir leid“, sagte Dr. Marker zerknirscht. „Ich werde das Unfallopfer Lewinski exhumieren lassen und gründlicher untersuchen.“

      „Ich kann Ihnen da nichts vorschreiben, Dr. Marker. Aber ist das notwendig? Bedenken Sie, was das für die Angehörigen bedeutet“, schaltete sich Weinhaus ein, um den teuflischen Advokat zu spielen.

      Und was das für dich bedeutete, dachte ich sauer.

      „Wir werden sehen, was gefunden wird“, erstickte ich den aufkommenden Streit. Mein Name war Programm. Ich nagelte jede Form von Inkompetenz ans Kreuz und verabschiedete mich soeben aus dem Stollen des Überstundenberges.

      „Ist das Unfallauto noch auf dem Hof?“, fragte ich Yannick.

      Er nickte.

      „Komplettes Programm“, wies ich ihn an. „Gibt es hier Fußspuren?“

      „Schwach. Das Gras hat sich in der Frühe wieder aufgerichtet.“

      „Gibt es da nicht irgendwelche Scanner, die das Gelände ohne Halm abbilden?“

      „Nein.“

      „Und mit einem Super-Föhn alles austrocknen, bis das Grünzeug zu Staub zerbröselt? Dann bleibt nur der Abdruck in der Erde und der Gips kann fließen.“

      Yannick starrte mich an, um mir zuzustimmen:

      „Ich denke, in einem kleineren Maßstab bekomme ich das hin. Gute Idee, du Linksfuß.“

      „Soweit ich weiß, hast du immer den Ball geholt.“

      Wir lachten. Später würde ich ein Kreuz im Kalender machen, weil wir gemeinsam lachten.

      „Wir müssen sie jetzt bergen. Und die Plane auch“, bat Marker um Hilfe. Also auf die Körperträger warten.

      Rita und Markus gingen fort, um in der Nachbarschaft Zeugen zu suchen.

      Ich übergab Yannick laut „freiwillig und ohne Zorn“ den „Einen Ring mit Taschentuch“ an „Gandalf von der Spurg“, der ihn diesmal mit gewohnt nach unten gezogenen Mundwinkeln entgegennahm. Nirgendwo donnerte der Himmel und hell blieb es auch.

      6

      Ich stand mit Atemschutz und Gummihandschuhen im wohl keimfreiesten Obduktionsraum Deutschlands. Marker sprach ihr Fachkisuaheli ins Mikrofon, damit jeder Mediziner sie verstand. Dann gab sie dem Diktierprogramm den Befehl für eine zweite Datei und sprach deutsch hinein. Das Tolle daran war, dass ihr Programm das sofort in Schrift umwandelte und auf zwei verschiedenen Seiten ausdruckte. Jede zweite Seite gehörte mir.

      Sie hielt mir das Formular für meine Anwesenheit hin.

      „Dieses Pflaster ist kein Nikotinpflaster“, stellte sie fest. „Darunter ist eine untypische Hautverfärbung. Der Tod trat durch Genickbruch ein. Sie stieß mit dem Kopf voran in die Grube. Ich finde keine Abwehrspuren des Sturzes, so als ob sie nichts spürte. Ich schließe eine Vergiftung nicht aus.“

      „Ein seltsamer Fundort, ein seltsamer Tod. Wie kann jemand nichts spüren.“

      „Es gibt zahllose Gifte, die jemanden orientierungslos machen, lähmen. Ein Nervengift zum Beispiel könnte dafür verantwortlich sein, dass die Arme den Sturz nicht abfingen. Ein solcher Schutzreflex muss ausgeschaltet gewesen sein.“

      „Statt Nikotin enthielt das Pflaster Gift? Sie konnte sich das Pflaster nicht selber aufkleben. Das bedeutet, Martha Grenitz ist ermordet worden?“

      Sie nickte und reichte mir drei Fundbeutel, die ich Yannick bringen würde.

      Im ersten Beutel las ich auf dem Ausweis die Lesumer Adresse. Bördestraße. Das Opfer war siebenundfünfzig Jahre alt. Zigaretten, ZIP Feuerzeug und eine Geldscheinklammer. Ohne Hunderterscheine machte sie nicht viel her. In dem zweiten Beutel war der Schlüsselbund für das Auto und mehrere Sicherheitsschlüsssel mit einem durchbohrten Minihufeisen als Anhänger, wie man sie auf Mittelaltermärkten kaufen konnte. Im dritten Beutel lag das Pflaster.

      Ich unterschrieb die Missachtung der angeordneten Überstundenabbaubitte. Beim nächsten Mal kam ich nicht mehr so glimpflich davon. Dann hatte ich keine andere Wahl und musste verreisen. Der Verdacht auf einen Serientäter oder eine Täterin machte jetzt jeden Verwaltungshansel mundtot.

      Im Markerschen Drucker kopierte ich den Bericht viermal.

      Ich lief zu meinem missmutigen Jugendfreund Yannick und übergab ihm die Fundbeutel.

      Er führte mich in einen Raum. Drei flache gläserne Terrarien - zwei mal zwei Meter breit - enthielten ausgestochene Wiesen, denen im Glaskasten das Wasser entzogen wurde. Eine Mitarbeiterin prüfte Anschlüsse und fotografierte die verschiedenen Stadien.

      „Moin, Karl!“, grüßte sie mich, bevor ich was sagen konnte.

      „Moin, Anna!“, erwiderte ich und hob die Hand. Meine Schwägerin. Margas Schwester. Seit zwei Jahren zurück in Bremen.

      Die Gräser in den Kästen waren bereits vertrocknet und die Oberschicht war bereits von Schwarz in Grau übergegangen.

      „Zufrieden?“, fragte der Meister der Steppe.

      Ich nickte. Bereits zwei verschieden große Fußabdrücke wurden sichtbar.

      „Jemand brachte oder schob sie zum Fundort. Dieser Ausschnitt ist zwischen Kiesweg und Grube entnommen worden. Dort gingen zwei Menschen.“ Er zeigte mir einen gläsernen Kasten daneben. „Diese Probe kommt aus dem Bereich, in dem du das Fahrrad abgestellt hast“, erklärte der Guru der Fährtenleser. „Abdrücke unterschiedlich großer Männer. Deine habe ich identifiziert. Das war nicht schwer. Die Fußspuren des anderen ähneln denen aus der vorherigen Probe und deine Spur ist scharfkantiger. Der andere hat größere Schuhe als du.“

      „Dafür traf ich immer den Tennisball im Gegensatz zu den Kindersärgen manch anderer. Also Täter bringt Martha zur Grube und entweicht über den Schleichweg. Das willst du sagen?“

      „Oder über den Fahrradplatz. Bekommt keiner mit“, meinte er.

      „Hoffen wir, dass du einen Gipsabdruck machen kannst, der absolute Klarheit schafft.“

      Seine Mundwinkel zeigten nach unten.

      Ich ging am besten sofort, sonst stritten wir uns wie üblich, wer damals die meisten Tore schoss.

      7

      Zurück im Büro zappelten Chico und Frederike am großen Tisch, die wie Nestküken die Hälse aufrissen für Futter. Sie erhielten die Berichte und lasen. Rita und Markus kamen pünktlich zur Besprechung zurück.

      Wir saßen am runden Tisch, der noch Platz für vier oder fünf Personen hatte. Im Gegensatz zu anderen war ich davon beseelt, dass man als Ermitttlerteam bestens arbeitete, wenn alle Mitarbeiter alle Informationen hatten. Ich ließ fünf Gehirne arbeiten statt eins. Das mochte beim Lesen etwas Zeit kosten, aber dafür irrte niemand im Nebel der Vermutung. Noch Fragen warum meine Abteilung schnell und effizient war?

      Martha Grenitz besaß vier Boutiquen. Der Ehemann Heiner Grenitz eröffnete vor fünundzwanzig Jahren den ersten Laden in Lesum. Nach zwei Jahren übernahm das Geschäft seine Frau. Seitdem expandierte sie langsam und eröffnete weitere in anderen Stadtteilen. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, die in Berlin und München lebten.

      Allzu beliebt war Martha nicht. Sie wohnte mit ihrem Mann in einem großen Einfamilienhaus an der Bördestraße. Blieb zu klären, ob das Testament Überraschungen bot.

      Markus und ich fuhren zum Witwer.

      Als wir vorm Haus der Grenitz´ parkten, stand ein Golf in der Einfahrt. Dahinter stand ein Audi. Der Audi war das Firmenfahrzeug. Die Motorhaube des Käferersatzes war entfernt warm.

      Ich klingelte.

      Ein