Wolfswege 4. Stefanie Worbs

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Название Wolfswege 4
Автор произведения Stefanie Worbs
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746711119



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bevor du anfängst und versuchst, die Situation gut zu reden, mir ist klar, dass wir alle erwachsen werden und jeder mal eine Frau haben wird. Und wäre sie nicht sie, wäre es okay. Aber Amber ist nun mal, wer sie ist und du weißt, was zwischen ihr und mir ist.“

      „Wir wissen es alle“, unterbrach Evan ihn. „Es wird kein Prob...“

      „Sag jetzt nicht, dass es kein Problem wird!“, stoppte Ryan Evans Versuch, alles rosarot aussehen zu lassen. „Vielleicht wäre es keins, wenn endlich mal jemand begreifen würde, dass es auch an ihr liegt, nicht nur an mir! Aber niemanden hier schert das! Und am wenigsten sie selbst!“ Er ließ die Arme wieder fallen und machte einen Schritt auf Evan zu. „Du bist mein Bruder! Wir sind eine Familie! Ich werde nicht zulassen, dass sie uns das kaputt macht, nur weil sie so ignorant ist! Sie und ich in einem Raum? Nicht länger als eine Ratssitzung dauert, denn mehr macht alles nur schlimmer. Also nein. Wir werden kein Bier auf meinem Zimmer trinken und nein, wir werden nicht so tun, als wäre alles wie vorher. Weil es das nicht ist. Sie ist jetzt deine Frau und das wird einiges ändern. Leider.“

      Unmut und Trauer gingen von Evan aus, dann meinte er: „Was willst du dann jetzt machen? Willst du nie wieder mit uns rumhängen? Willst du immer schweigen und alles aussitzen?“

      „Ich weiß, was ich tun kann, wenn es nicht mehr geht. Und ich werde schweigen, ja. Einfach weil es nichts mehr zu sagen gibt. Aber ich werde nichts aussitzen, wenn ich nicht muss. Und vielleicht können wir irgendwann wieder wie früher rumhängen, aber im Moment hab ich einfach keine Lust auf die.“ Er hob die Hand und deutete abwertend auf Amber. „Ich werde mich von ihr fernhalten. Ich kann mich nämlich zusammenreißen.“ Damit wandte er sich wieder um und lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben in sein Zimmer.

      Seine Stimmung besserte sich in den nächsten Tagen nicht wirklich, auch wenn er sich alle Mühe gab, wenigstens freundlich zu antworten, wenn ihn jemand was fragte. So kam die Vollmondnacht und alle versammelten sich im Haupthaus. Die Energie war deutlich zu spüren und Aufregung hing in der Luft.

      Alle waren voller Vorfreude auf den gemeinsamen Lauf. Es war das erste Mal, seit Amber bei ihnen war, dass alle gemeinsam den Vollmond erlebten. Bis auf Hakoon, der noch immer bei den Azur diente, waren alle Thalans beisammen und würden zusammen Wolf werden.

      „Ry?“ Rahel kam zu ihm und schenkte ihm ein Lächeln, das ihn aufmuntern sollte. Er war der Einzige, der sich nicht wirklich freute und das lag allein an der Tatsache, dass auch Amber mit ihnen laufen würde.

      „Hey. Was gibt’s?“, wollte er tonlos wissen und schwenkte sein Glas mit Milch in der Hand.

      Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen und sie schlang die Arme um ihn. „Ich liebe dich“, ließ sie ihn wissen und schaffte es damit tatsächlich, auch ihm ein Lächeln zu entlocken.

      „Ich liebe dich auch“, erwiderte er und legte seinen freien Arm um ihre Mitte.

      Mit den Händen in seinem Nacken kam sie mit den Lippen nah an sein Ohr und flüsterte: „Ich bin schwanger.“

      Er schob sie von sich, zog die Brauen zusammen und musterte ihr Gesicht, um zu sehen, ob sie ihn verarschte. „Echt? Wirklich?“

      Sie nickte breit grinsend und die Freudentränen in ihren Augen zeigten ihm, dass sie nicht log. „Wirklich.“

      Wärme stieg in ihm auf und Freude durchfuhr ihn. Rahel war schwanger. Seine älteste und beste Freundin bekam ein Baby. „Herzlichen Glückwunsch!“ Er stellte sein Glas ab und nahm sie erneut in die Arme. Diesmal richtig und voller Zuneigung. „Das ist wunderbar.“

      „Danke“, hauchte sie und weinte nun wirklich. Sie ließ ihn los und wischte die Tränen weg. „Deine Eltern wissen es schon und Otis natürlich. Ich wollte, dass du der Nächste bist.“

      Er lächelte und ließ sie ebenfalls ganz los. „Seit wann weißt du es?“

      „Ich hatte schon bei den Azur so ein Gefühl und war gestern beim Arzt. Ich bekomme ein Baby! Das ist so aufregend!“ Sie hüpfte leicht und nun kam auch Otis zu ihnen.

      Ryan nahm auch ihn fest in den Arm. „Herzlichen Glückwunsch, Dicker. Jetzt fehlt nur noch der Ring an ihrem Finger.“

      Otis lachte, schob ihn weg und gab ihm einen Klaps auf die Wange. „Bald. Die Pläne gibt es ja noch. Nur das Wann steht noch nicht ganz fest.“

      „Auf jeden Fall ohne Bauch!“, hielt Rahel fest. „Also entweder gleich oder dann nach der Geburt.“ Ihre freudige Aufregung war deutlich zu spüren.

      „Ich freue mich für euch. Wirklich. Es muss ja auch mal was Gutes geben“, meinte Ryan und lächelte echt.

      „Es wird alles besser werden“, sagte nun auch Otis und sah ihn von unter her an. „Auch bei dir, Ry. Halte durch. Du schaffst das.“

      Schlagartig war sein Frohsinn verschwunden, doch er nickte annehmend.

      Dann holte Tavis ihre Aufmerksamkeit zu sich, indem er in die Hände klatschte. „Es geht los, Familie. Lasst uns den Mond begrüßen.“ Gesammelt gingen sie hinaus in den Garten hinter dem Haus und ließen ihre Kleider auf der Veranda zurück. Auf dem Rasen und dem Wald zugewandt, hob Tavis den Kopf zum Mond und alle taten es ihm nach. Es war kein festgeschriebenes Ritual, doch es hatte sich so eingestellt, dass sie sich gemeinsam wandelten und losliefen. Ryan hatte den Blick nicht gehoben. Er stand ganz hinten und ließ ihn über seine Familie schweifen.

      Tavis und Charlotte standen ganz vorn. Links stand Xander und eigentlich hätte Ryan neben ihm stehen sollen. Rechts neben den Alphas standen Evan und Amber, hinter den beiden kamen die Perkun-Brüder. Hinter Xander standen Miles und Emily. Zoe stand genau vor ihm und Rahel und Otis zu Ryans Rechter. Hakoon hätte bei Zoe stehen sollen und sein Platz wurde freigehalten. Auch der Platz von Kaya, links neben Zoe, war nicht mehr als eine Lücke, die Ryan einen Stich im Herzen verursachte.

      Tavis’ Gestalt flackerte und er wurde Wolf. Charlotte folgte ihm augenblicklich und auch alle anderen ließen ihre Wölfe raus. Nur Amber stand da, hatte den Blick gesenkt und schien den Boden vor sich anzustarren. Ihre Schultern waren hochgezogen und angespannt, ihre Hände zu Fäusten geballt.

      Sie hatte also noch immer Probleme mit der Wandlung, wenn Evan dabei war. Als würde sie Ryans Blick spüren wandte sie den Kopf zu ihm. Ein bittender und um hilfesuchender Ausdruck erschien auf ihren Zügen. Doch Ryan presste die Lippen fest aufeinander und ließ den Menschen los.

      Er schüttelte sich und setzte sich in Bewegung, um den anderen in den Wald zu folgen. Amber beachtete er dabei nicht weiter. Wieso sollte er ihr jetzt noch helfen, wenn sie es selbst nicht für nötig hielt, es ihm gleich zu tun?

      Wer ist schwächer

      Das Rudel lief und jagte gemeinsam, wie schon lange nicht mehr. Man merkte jedem die Freude an und der Vollmond brachte ihre Wölfe zu Höchstleistungen. Jeder testete aus und probierte, zu was sein Wolf nun fähig war. Gero und Noel allen voran. Zwar waren sie alle schon beim letzten Vollmond Royale gewesen, doch da hatten sie sich kaum ausleben können, denn es war bei den Azur gewesen.

      Heute brauchten sie sich nicht zurückhalten und konnten tun, was ihnen gefiel. Selbst die Alphas hatten sichtlich einen riesigen Spaß. Sie spielten und tollten herum wie Jungwölfe und animierten ihre Kinder immer wieder zu neuen Späßen und Herausforderungen.

      Auch wenn Ryan noch immer nicht bester Laune war, ließ er sich mitreißen. Da das Jahr sich immer stärker der kalten Saison zuwandte, war das Wasser im See eisig, doch es gab keinen, der nicht hinein ging. Xander schaffte es sogar, einen Fisch als Beute zu machen, den Ryan ihm wegschnappte, als sein Bruder sich gerade trocken schüttelte.

      Eine wilde Verfolgungsjagd später gab Ryan schließlich auf, denn Xander hatte ihn mehrfach umgeworfen und schmerzhaft gegen Bäume oder Felsen gedrückt, um seine Beute wiederzubekommen. Ganz der nette große Bruder, hatte er Ryans Versuch jedoch gewürdigt und ihm die Hälfte vom Fisch abgegeben.

      So verging die Nacht langsam, während das Rudel sich immer mehr im Wald zerstreute.