Schatten über Fehmarn. Gerda M. Neumann

Читать онлайн.
Название Schatten über Fehmarn
Автор произведения Gerda M. Neumann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746715018



Скачать книгу

Olivia starrte gedankenverloren hinter dem verschwundenen Radfahrer her: »Eine merkwürdige Erscheinung…«

       »…und eine Inselinstitution. Vor Jahren allerdings fanden ihn sogar die Fehmaraner vorübergehend merkwürdig…«

       »Warum?«

       »Damals gingen beim hiesigen Tageblatt Leserbriefe ein, in verschiedenen Abständen, in verschiedenen Schriften, Absender unbekannt. Sie forderten kontrollierte Beweidung zur Erhaltung kurzrasiger Pflanzenarten, vor allem auf den Deichen; Ausweitung der Vogelschutzgebiete drüben in Wallnau, weil die Zahl der Besucher zu stark angestiegen sei; und überhaupt Begrenzung der Bettenzahlen und Stopp für neues Bauland. Alles Maßnahmen zum Schutz der Insel. Man druckte die Briefe ab.«

       »Und weiter?«

       Irritiert sah Picard Olivia an: »Warum interessiert Sie das?«

       »Weil Ihr Nachbar so seltsam aussieht… oder sein Fahrrad… ich weiß nicht genau…«

       Nach einem leichten Nicken fuhr er fort: »Als überhaupt keine Reaktion erfolgte, wurden die Briefe drohender. Wenn Sie Einzelheiten hören wollen, müssen Sie sich an Agnes wenden. Sie erinnert sich am ehesten daran. Jedenfalls – die Drohungen veranlassten die Polizei schließlich, ernsthaft nach den Absendern zu fahnden. Sie nahmen auch Rußke ins Visier, denn die Autoren waren mit großer Wahrscheinlichkeit Naturwissenschaftler. Deshalb.«

       »Und? Ist er es gewesen?«

       »Ich glaube nicht. Aber Sie müssten…

       »…Agnes fragen,« vollendete Olivia grinsend. »Wie gut kennen Sie eigentlich Ihre Nachbarn?«

       Er schloss die Haustür: »Na ja… ich weiß, wer sie sind. Wir begegnen uns, wenn ich draußen arbeite, dann reden wir auch mal, aber nicht viel… Sie schauen skeptisch?«

       »Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie Sie in der Landschaft sitzen und die Menschen vorbeikommen, hinter Ihnen stehen bleiben und Ihnen beim Malen zuschauen – es gelingt mir nicht.« Olivia sah in seine dunklen Augen.

       »Ganz so ist es auch nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, sich unsichtbar in der Landschaft aufzuhalten: die vielen Knicks, Baumgruppen um die Wasserkuhlen. Die Bauern hier in der Umgebung kennen mich und haben nichts dagegen, wenn ich an ihren Feldrändern arbeite. Aber die reden nicht viel.« Diese Szenarien vermochte Olivia sich vorzustellen.

       »Mir ist ein Mann aufgefallen, der wie ein Seemann aus dem Bilderbuch aussieht: groß, breit, braune Gesichtsfarbe, kurzgeschnittene weiße Haare und ein gestutzter, weißer Vollbart. Er war bei der Denkmalsenthüllung dabei und heute machte er einen Spaziergang an der Steilküste. Wissen Sie, von wem ich rede?«

       »Das muss wohl Johann Lüders sein, ehemals Erster Offizier auf dem Segelschulschiff ›Gorch Fock‹, jetzt im Ruhestand.«

       »Das passt. Kennen Sie ihn persönlich?«

       »Er nimmt mich manchmal mit aufs Meer hinaus.«

       »Felix, Alexander hat im verflossenen Sommer doch sicher auch gemalt, wenn er sich von der Arbeit an seiner Plastik erholen wollte. Können Sie uns Bilder aus dieser Zeit zeigen?« wechselte Amanda das Thema, da Felix sichtlich nichts mehr ergänzen wollte.

       Der Maler sah sie an und zögerte.

       »Er hätte gewiss nichts dagegen,« setzte Amanda nach. »So gut kennen Sie ihn doch auch.«

       »Er würde sie Ihnen schon zeigen,« bestätigte Picard. »Nur, er würde seine eigenen Bilder zeigen, ich würde über fremde verfügen. Das ist ein Unterschied.« Seine Fingerkuppen drückten gegeneinander, als er weiter nachsann. »Es gibt kleine Arbeiten in seinem Zimmer. Die großen Gemälde stehen in der Scheune im Staberhof, sie hätten hier keinen Platz.« Er musterte seine Besucherinnen eingehend, bevor er sich umdrehte und die Treppe hinauf voranging.

       Die großen Fenster des hellen Raumes gingen aufs Meer hinaus. Knapp über den Baumwipfeln hatte die Dämmerung eingesetzt. Einige Landschaftsbilder lehnten an der Wand unterhalb der Fenster im Schatten, keines war fertig geworden. Amanda hielt sie ins Licht, schweigend, eines nach dem anderen. »Merkwürdig,« wandte sie sich schließlich an Picard, »alle scheinen wie gegen Widerstand gemalt, als hätte die Hand sich gewehrt« Er sah auf das Bild in ihrer Hand und schwieg. »Habe ich Recht?« – Felix schwieg weiter. – »Was war anders in diesem Sommer?«

       »Alexander hat die Berge entdeckt,« erklärte der Freund schlicht.

       »Was heißt das?«

       »Im letzten Winter arbeitete er in Tirol. Er hatte den Auftrag bekommen, dort Wandgemälde in einem Sanatorium zu malen, Sie wissen davon?« Als Amanda nickte, fuhr er fort: »Die Arbeit dauerte vier Monate. Als wir uns wiedersahen, er besuchte mich anschließend in Düsseldorf, sprach er fast nur von den Bergen. Er sprach von ihnen als einem Gegenüber, von ihrer friedlichen Gewalt, dem ewig vorhandenen Gesicht der Natur. Die Berge hätten ihn aufgenommen, sagte er, ihm die Möglichkeit gegeben, sich in ihre Kraft einzufügen. Er sprach immer wieder von ›Ruhe‹ und ›Besänftigung‹. Im jetzt anschließenden Sommer empfand er das Meer dann als rastlos, beunruhigend, abweisend. Hätte er seine Skulptur nicht beenden müssen – er wäre wohl nicht geblieben.«

       Eine Falte zeigte sich über Amandas Nasenwurzel: »Vielleicht haben die Berge ihn gerufen, sozusagen. Vielleicht war der Drang, dorthin zurückzukehren, so stark, dass er London und Fehmarn vergessen und in Hamburg ein Flugzeug nach München bestiegen hat.«

       Felix Picard war dieser Gedanke ganz offensichtlich neu und musste in Ruhe überdacht werden. Er wandte sich zum Fenster.

       Olivia staunte: »Glaubt ihr denn, dass er sich seinen eigenen Drohbrief schreibt?« Für sie war das ein ziemlich abwegiger Gedanke.

       Amandas Falte vertiefte sich: »Das wäre eine Art Doppelgängerspiel, nicht wahr? Warum nicht. Er hat Artikel zur Kunstgeschichte publiziert, auch zu seiner eigenen Kunst – unter Pseudonym. Das Spiel mit einem zweiten Namen hat ihn durchaus beschäftigt. Wohin das führen kann… wer weiß. Nach dem, was Felix gerade gesagt hat, kann man nicht ganz ausschließen, dass er lieber in die Berge fuhr, als hierher zurückzukehren. Das konnte er natürlich nicht offen zugeben, also schickte er kurzerhand einen Brief. Viel denken musste er nicht, wenn er von den beiden anderen Fällen wusste. Tat er das?« unterbrach sie Picards Gedanken.

       »Tat er was?«

       »Wusste er von den Briefen, die nach dem Verschwinden des Maklers und des Architekten auf der Insel eingegangen sind?«

       »Keine Ahnung, jedenfalls haben wir nicht darüber gesprochen – über Lokales sprach er allenfalls mit Agnes, sie müssten wir das fragen,« ergänzte er wieder einmal.

       Dazu hatte Amanda gerade keine Lust, Picard sagte nichts weiter und Olivia hielt die Idee für einen Irrweg. So wurde sie nicht weiter verfolgt.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAgGBgcGBQgHBwcJCQgKDBQNDAsLDBkSEw8UHRofHh0a HBwgJC4nICIsIxwcKDcpLDAxNDQ0Hyc5PTgyPC4zNDL/2wBDAQkJCQwLDBgNDRgyIRwhMjIyMjIy MjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjI